Severus hasste unruhige und desinteressierte Schüler, wie jeder andere Lehrer auch und vielleicht sogar ein bisschen mehr. Heute Morgen reizten ihn die unaufmerksamen, abgelenkten Gryffindors sehr. Irgendetwas trugen Longbottom und Weasley miteinander aus. Sie traten sich unter dem Tisch – in seinem Unterricht. Severus griff zu seinem liebsten pädagogischen Mittel: „Fünf Punkte Abzug für Gryffindor wegen Disziplinlosigkeit. Mr. Longbottom, Sie arbeiten jetzt mit Mr. Potter zusammen. Mr. Weasley arbeitet heute mit Mr. Goyle.“ Draco blickte Severus dankbar an, da er mit Hermine zusammenarbeiten konnte.
Harry rollte merlinergeben mit den Augen, widersprach aber nicht. Er schrieb das Rezept für den Streichelbalsam ab von der Tafel ab und fügte einige Hinweise hinzu, die er aus seinem Kompendium hatte. Streichelbalsam hatte eine cremige Konsistenz und duftete stark nach Pfirsich. Man verwendete ihn um aufgeregte Haustiere und Kleinkinder zu beruhigen, wenn sie Schmerzen hatten oder auch um Haustiere zu vergesellschaften. Erwachsene Zauberer kannten für Streichelbalsam noch andere Verwendungen. Harry erinnerte sich, dass Streichelbalsam auf Erwachsene erotisierend wirkte. Allerdings konnte er sich nicht darunter vorstellen.
Neville stand ziemlich aufgeregt neben Harry, der ruhig und geordnet die Zutaten und Werkzeuge aufbaute. „Was soll ich jetzt machen?“, fragte er, weil er die Sache nicht vermasseln wollte. „Als erstes benutzt Du bitte einen Reinigungszauber für Deine Hände. Wir müssen den Balsam in Phase 3 mit den Händen kneten, wenn da Schmutz dran ist, klappte es nicht.“ Harry kannte sich mit dem Rezept gut aus. Draco und er hatten es ein paar Mal für Rudi hergestellt. „Professor Snape, dürfen wir aus Streichelbalsam das Elixier der Zärtlichkeit extrahieren?“, fragte er um sich nicht zu langweilen.
Neville, der sich gerade gründlich Hände, gereinigt hatte, staunte ziemlich. Es machte ihm jedoch auch Sorgen, das Harry von weiteren Extrakten sprach. „Wenn Sie den Balsam fertig haben und dann noch genügend Zeit ist, dürfen Sie das Extrahieren ausprobieren. Wie viel Zeit würden Sie denn gegebenenfalls benötigen Mr. Potter?“ Harry erinnerte sich nicht sofort, aber Draco der am Nebentisch arbeitete, flüsterte ihm zu: „Exakt 62 Minuten“. Harry lächelte und grinste Draco schief an. Dann sagte er laut: „Exakt 67 Minuten inklusive dem notwendigen Abkühlen des Balsams auf 95 °F oder 36 Grad Celsius, Sir.“ Severus Snape lächelte zufrieden: „Dann wissen Sie ja, ob Sie es schaffen werden, Mr. Potter.“ Draco schrieb auf ein kleines Zettelchen nur ein Wort und ließ es zu Harry schweben. Sein Bruder klappte auf und las: „Streber!“ Sie kicherten sich an.
Genau dasselbe dachten in diesem Moment eine Reihe von Schülern, was die Malfoys aber nicht störte.
Nevilles Hände zitterten nervös. Er dachte immer noch an Trevor. Harry sagte ihm bei jedem einzelnen Arbeitsschritt genau, was zu tun war. „Willst Du das nicht lieber selber machen?“, fragte er immer mal wieder. „Ich habe das Balsam schon öfter hergestellt, mach Du ruhig. Dann pass ich auf, dass nichts schief geht.“, meinte der Slytherin cool. Er langweilte sich ein bißchen und fragte daher: „Worum habt Ihr Euch denn heute schon wieder gestritten?“ Neville zuckte peinlich berührt zusammen. „Wir streiten ziemlich oft in Gryffindor. Professor McGonagall sagt das liegt an unserem Temperament. Heute ging es um meine Kröte. Sie verschwand gestern Abend. Ich wette, die Weasleyzwillinge haben sie versteckt.“
Obwohl sich übler Verdacht in Harry regte, antwortete er entspannt: „Schon möglich. Die Weasleyzwillinge halten sich für so witzig. Wegen Deiner Kröte tut es mir leid. Nachher helfe ich Dir suchen. “ Innerlich hoffte er, dass es vielleicht doch nicht Longbottoms Kröte war, deren Knochen Hedwig heute Morgen ausgewürgt hatte. „Ehrlich? Du bist echt nett. Danke nochmal auch weil Hermine mir neulich mein Erinnermich gegeben hast.“ Ein wenig unangenehm fühlte sich die Begeisterung des Gryffindors für ihn doch an.
Sie kneteten die seifige Masse mittlerweile gründlich durch. „Das Zwischenergebnis sieht sehr gut aus.“ Neville glaubte zu träumen. Er führte ein freundliches Gespräch mit Harry Potter und Professor Snape lobte ihr gemeinsames Arbeitsergebnis. „Wenn Sie der Masse von Mr. Potter jetzt Fledermausblut hinzufügten, was passierte dann, Mr. Malfoy?“, fragte Professor Snape. Aus dem Hintergrund rief Blaise leise: „Dann haut Harry Draco auf Kopf.“ Alle lachten. Der Tränkemeister warf Blaise einen strafenden Blick zu, reagierte aber nicht weiter. „Dann kristallisiert der Balsam und es entsteht Blaustein, den man zum Entgnomen von Beeten und zum Düngen von Rosen benutzen kann.“ Derr Professor nickte zufrieden. Er wandte sich den anderen Schülern zu.
Die Doppelstunde endete pünktlich. Neville hatte zum ersten Mal beim Zaubertränkeunterricht kein Desaster erlebt und hatte ein tolles Gespräch mit Harry Potter gehabt. Sie hatten sich sogar verabredet um nach Trevor zu suchen. Severus sah den Kindern beim Verlassen das Klassenzimmer hinterher und bemerkte überrascht, dass Harry heimlich einige Zutaten einsteckte. Warum fragte ihn der Junge nicht einfach, wenn er etwas brauchte? Draco lenkte ihn ab: „Severus, kann ich Dich etwas fragen.“ Da sie allein waren, konnte Draco seinen Paten duzen. Zauberkunst fiel aus, da hatte er etwas Zeit. Die Sache mit Harrys Zeit bei den Dursleys ließ ihn nicht los. Severus hatte jetzt auch keinen Unterricht zu geben und nahm ihn mit in sein Quartier.