Draco stellte von vornherein die Regeln klar. Wenn er schon mit Longbottom arbeiten musste, gab er vor, was zu tun war. „Du machst einfach nur, was ich Dir sage. Dann geht nichts schief. Im Prinzip wie neulich bei Harry.“ Neville fand den Slytherin-Prinzen ziemlich arrogant, andererseits kannte sich Draco mit Zaubertränken bestens aus. Der Gryffindor holte brav jede Zutat, die der Slytherin ihm ansagte, einzeln ab. Draco hatte von seinen Eltern gelernt, Untergebenen deutliche Aufträge zu erteilen. Genauso betrachtete er Longbottom, als einen Bediensteten. Trotzdem war er heute nett zu dem freundlichen Trottel. Er dachte mit einem leichten Magenziehen an die Kröte, sah sich aber nicht verpflichtet, mit Longbottom noch länger darüber zu reden.
Professor Snape hatte Hermine mit Pansy in eine Arbeitsgruppe gesteckt, weil Pansy in Zaubertränke eine Unterstützung gebrauchen konnte. Außerdem hoffte er, dass Hermine einen guten Einfluss auf die etwas oberflächliche Pansy hätte. Irgendwie erschien ihm Hermine nicht wie die typischen Gryffindormädchen, die meist laut und frech waren. Sie hatte Temperament und einen sehr klugen Kopf. Natürlich hatte ihn Lilys Temperament nie gestört. Er schob den Schmerz der Erinnerung beiseite und sah zu Harry und Ron hinüber.
Gerade wollte der rothaarige Weasleyjunge Silberstaub in den Kessel werfen, da traf ihn ein „Petrificus Totalus!“ aus Harrys Zauberstab. Er kippte nach hinten weg und der gesamte Klassenraum erstarrte vor Überraschung mit ihm. „Mr. Potter?“, fragte Professor Snape unbewegt. Was hatte sich der Junge dabei gedacht? Manchmal brachte Harry Severus wirklich an die Grenze. Der schwarzhaarige Malfoyjunge schaute den Professor ernst an und erklärte unbewegt: „Wenn Mr. Weasley den Silberstaub hineingeworfen hätte, nachdem er gegen meine ausdrückliche Erläuterung vorher Margeritenblüten statt Riesengänseblümchen dazugegeben hatte, wäre der Kessel vermutlich explodiert. Ich wollte nicht, dass jemand verletzt wird, Sir.“ Severus zeigte sein großes Vergnügen an diesem typischen Slytherinverhalten selbstverständlich nicht. Immerhin war er Lehrer und so für die Disziplin im Unterricht verantwortlich. „Nun, Mr. Potter, dann lösen Sie die Ganzkörperklammer bei Mr. Weasley und regeln Sie beide Ihre Zusammenarbeit in Zukunft störungsfrei für den Rest der Klasse.“ Harry gehorchte selbstverständlich ohne Diskussion. Ron begann, sobald er sich wieder rühren konnte, zu schimpfen und zu zetern. Was erlaubte sich der verwöhnte Idiot? „Potter, das war zu viel! Dafür bezahlst Du!“ Harry lächelte ein arrogantes Malfoylächeln und schwieg. Er hatte es nicht nötig, laut zu werden, wenn sich Weasley Nr. 6 aufregte.
Wütend warf Ron, der noch immer den Silberstaub in der Hand hatte, diesen in den Kupferkessel. Es gab einen gewaltigen Knall und der Kessel schoß senkrecht an die Decke. Eine klebrige, grünliche Pampe pladderte durch den Klassenraum. Professor Snape wirkte einen Zauber. Sanft schwebte der Kessel auf den Arbeitsplatz zurück. „Mr. Weasley: 10 Punkte Abzug für Gryffindor wegen mangelnder Einsichtsfähigkeit und Gefährdung ihrer Mitschüler. Sie kommen heute Abend und am gesamten Samstag zur Strafarbeit. Mr. Potter hatte Sie eben erst davor bewahrt, in die Luft zu fliegen.“
Energisch und ziemlich laut sagte Hermine, die sich etwas grünliche Pampe aus dem Gesicht wischte: „Ronald Weasley, Du bist ein Idiot!“ Halb Slytherin gluckste verhalten vor Lachen und halb Gryffindor war wütend auf Ron.
Endlich endete die Doppelstunde. Professor Snape verzichtete auf die Benotung der einzelnen Arbeitsergebnisse. Er hätte Ron und Harry zusammen benoten müssen, was sich natürlich verbot. Lieber gab er Mitarbeitsnoten. Auf dem Korridor seufzte Harry theatralisch: „2 Wochen – oh Merlin. Die dauern ewig und dann schon wieder Sirius Black. Mir bleibt auch nichts erspart.“ Draco knuffte ihm gegen den Arm: „Die Ganzkörperklammer war echt cool. So schlimm ist Black gar nicht. Stell´ Dir mal vor, dieser Weasleyvater wäre Dein Pate. Dann hättest Du richtig verloren.“ Harry grinste ein bißchen schief: „Stimmt, einen Weasley zum Paten haben, wäre echt gruselig. Ich bin so froh, dass wenigsten Du einen coolen Paten hast. Ich mag Severus total.“ Sie hatten in ihr Gespräch vertieft nicht bemerkt, dass ebenjener in diesem Moment an ihnen vorbei ging. „Severus ist super cool.“ Harry mochte ihn wirklich, dachte Severus, und Draco auch. Vielleicht fand er langsam tatsächlich so etwas wie einen Platz mit Menschen, zu denen er gehörte. Menschen, die ihn nicht als Werkzeug oder Marionette betrachteten, hatte es sehr wenig gegeben.
Hermine kam noch einmal auf die Ganzkörperklammer zurück: „Du hättest Ron nicht verhexen müssen, allerdings hatte er es schon verdient.“ Sie bog im nächsten Korridor allein ab, weil die nächste Stunde für sie ohne Slytherin stattfand. Slytherin hatte eine Freistunde, so dass Draco und Harry ein wenig Zeit zum quatschen hatten. „Woher wusstest Du das mit diesem Verjüngungstrank eigentlich? Im Tränkebuch steht es nicht, oder?“, fragte Draco. „Letzte Woche kam der aktuelle Abodienst von meinem Kompendium mit einem großen Sonderteil zum Geburtstag von Nicholas Flamel. Den habe ich am Samstag komplett gelesen. Wirklich interessant. Da standen noch andere Sachen drin. Zum Beispiel hat Flamel den Stein der Weisen mit Albus Dumbledore zusammen entdeckt. Das hätte ich dem alten Zausel gar nicht zugetraut. Er scheint ein guter Alchemist zu sein.“ Draco las den Abodienst ebenfalls regelmäßig, allerdings immer erst nach Harry. „Gibst Du mir das Heft heute Abend nach dem Zusatzunterricht?“, fragte er interessiert. „Klar doch.“, sagte Harry. Und nach einer kurzen Pause: „Unter uns, ich habe auf einen Ausflug mit Black keinen Bock.“
Tröstend legte sein Bruder den Arm auf seine Schulter: „Ach komm schon. Der Ausflug wird bestimmt lustig. Die Jagdhütte liegt toll mitten im Wald und am See. Dad und ich angeln dort manchmal und im Sommer kann man dort baden. Die Fische braten wir dann über dem offenen Feuer. Also Dad und ich braten sie wirklich selbst.“ Harrys Stimmung hellte sich auf: „Am offenen Feuer könnten wir auch Marshmallows rösten. Hmmm.“
Beim letzten Weihnachtsfest hatte Dudley Marshmallows bekommen, die er nicht mochte. Harry durfte sie deshalb haben und sogar ein geröstetes naschen. Der cremig- karamellige Geschmack blieb ihm noch Wochen später in Erinnerung. „Was sind den Marshmallows für Dinger? Tiere?“ Harry grinste zufrieden darüber, dass er seinem Bruder etwas Tolles beibringen konnte. „Du wirst schon sehen.“
An diesem Abend schrieb Harry zum ersten Mal seinem Paten einen eigenen Brief. Er wusste, dass sein Vater nicht gerne in der Muggelwelt unterwegs war. Aber Black machte ein solcher Besuch wahrscheinlich nichts aus. Angeblich - das hatte Severus Harry erzählt - mochte er Muggel sogar. Harry bat seinen Paten zum Ausflug eine große Packung Marshmallows aus Muggellondon mitzubringen. Außerdem kam Theodore Notts älterer Bruder, Gareth, mit Marcus kurz zu ihnen. Gareth Nott, war Vertrauensschüler in Slytherin. Er kümmerte sich ziemlich gut darum, den anderen Häusern Punkte abzuziehen. Sie quatschten eine Weile über den Hauspokal und die Meisterschaft. Schließlich klopfte ihnen der ältere, bullige Nott auf die Schultern: „Theo hat gesagt, Ihr seid okay. Seid Ihr auch!“