Zum puren Entsetzen von Hermine und Professor Snape fragte Harry mitten in Rons Verzweiflung hinein. „Wenn ich die Schulregel 92 anwenden wollen würde, ginge das in diesem Fall, Professor?“ Die Schulregel 92 besagte, dass sich ein Schüler freiwillig für einen anderen bestrafen lassen könne. Der tatsächliche Übeltäter war dann verpflichtet, dem „Retter“ für die Zeit, die er benötigt hätte die Strafarbeit zu erledigen, persönlich zu dienen. Diese Regel war weitgehend unbekannt und wurde fast nie von Schülern angewandt. Warnend sagte Professor Snape zu seinem Lieblingsschüler: „Wenn Sie sich entscheiden, die Aufgabe von Mr. Weasley zu übernehmen, können Sie nicht mehr zurück, Mr. Potter. Die Strafe geht dann komplett auf Sie über.“ Harry lächelte vielsagend und wendete sich Ron zu. „Wie lange denkst Du, brauchst Du dafür?“ Ron starrte trübselig vor sich hin: „Wenn ich jeden Abend her muss und jeden Samstag brauche ich bis zu den Sommerferien.“ Er hatte nicht mal Lust auf eine patzige Antwort. Das Desaster überschattete sogar seine Wut auf Potter. Der Slytherinprinz blieb ruhig und meinte freundlich: „Das sind acht Monate. Acht Monate inklusive Ferien sind echt lang. Okay Weasley, wenn Du willst übernehme ich entsprechend der Schulregel 92 die Aufgabe.“ Ron kannte die Schulregeln nicht so genau. Außerdem dachte er nicht so genau nach. Allerdings erschien ihm die Möglichkeit, dass Potter für ihn die Scheiße wegräumte, grandios.
Marcus, Draco und Ron starrten Harry an, als habe er den Verstand verloren. „Harry, Du kannst nicht für Weasley den Dienstboten machen!“ Harry flüsterte seinem besorgten Bruder nur zu: „Vertrau mir, dass wird ein Spaß.“ Laut sagte er zu Professor Snape: „Bei der Ableistung der Aufgabe darf keine Magie eingesetzt werden, oder? Gut Professor, wenn Mr. Weasley einverstanden ist, können wir Regel 92 einsetzen. Ich erledige diese Sache, für die er acht Monate gebraucht hätte. Damit es keine Missverständnisse gibt, bitte ich Sie diese Vereinbarung in die Schulakte zu nehmen und gebe Ihnen natürlich meinen Zauberstab.“ Ron willigte sofort ein, auch wenn er glaubte Potter sei verrückt geworden. Harry wechselte nur noch magisch seine Kleidung. Für diese Arbeit war die Schuluniform schließlich völlig ungeeignet und gab seinen Zauberstab direkt ab.
Kopfschüttelnd verliessen die anderen ihn. Nur Hermine hatte noch eine Frage an Professor Snape: „Die Punkte, die Sie Gryffindor abgezogen haben, müssen die jetzt von Slytherin abgegeben werden, Sir?“ Die niederschmetterende Erläuterung ruinierte den Rest von Hermines Stimmung: „Grundsätzlich wäre das so. Allerdings habe ich für Mr. Weasleys Verspätung keine Punkte abgezogen, weil Gryffindor derzeit keine hat. Minuspunkte können nicht gesammelt werden.“
Kaum hatten die anderen ihn allein gelassen, klatschte Harry energisch in die Hände. Luli und Poody seine beiden Lieblingshauselfen erschienen unverzüglich. „Was dürfen wir für Master Potter tun?“, fragten sie im Chor. „Ich muss die Eulerei ohne Zaubern saubermachen. Der gesamte Dreck soll in den magischen Sack in den Keller. Wenn Ihr mithelft, erzähle ich Euch eine Geschichte aus der Muggelwelt.“ Begeistert hüpften beiden Elfen auf und ab. Auf ihr Fingerschnippen erschienen mehr als vierzig Hauselfen, die sofort bereit waren, für eine Geschichte die Eulerei ohne Einsatz von Magie zu putzen.
Luli holte Harry einen bequemen Sessel und etwas Kürbissaft. Er setzte sich mitten unter sie und erzählte eine uralte Folge von Alf. Die Hauselfen fegten, schrubbten und schleppten sehr glücklich darüber etwas für ihren Lieblingsschüler tun zu dürfen. Harry hatte sich nämlich längst zu ihrem Liebling gemausert. Jeden Abend zwischen Zusatzunterricht und Schlafengehen schlüpfte er in die Küche um kleine Leckereien für Hedwig und Rudi zu besorgen. Dann redete er mit den Elfen oder brachte ihnen seinerseits etwas mit. Mal handelte es sich um einen hübschen Stein, mal gepresste Blüten oder alte Zeitschriften, die sie sich sehr gerne ansahen. Grundsätzlich schenkte er natürlich nichts, was als Kleidung zu bewerten wäre. Besonders Zeitschriften mit Kochrezepte liebten sie sehr, die waren für Harry meist nicht leicht zu besorgen. Gelegentlich las er ihnen auch mal ein Rezept vor. So hatte er über längere Zeit ihre Freundschaft gewonnen. Außerdem erzählte er ihnen von Dobby, dem er nach wie vor immer wieder schrieb.
Lucius las Dobby die Briefe von Harry tatsächlich vor, wenn Dobby es sich verdient hatte. Er erlaubte auch, dass Dobby den beiden jungen Mastern Süßigkeiten oder besondere selbsthergestellte Shampoos und weiteres schickte. Außerdem schrieb er ein paar kurze Sätze in Dobbys Namen, die Dobby auch selbst unterschrieb. Also der Hauself krakelte seinen Namen auf das Papier.
Seitdem dieser Kontakt regelmäßig bestand, arbeiteten die Hauselfen auf Malfoy Manor und auch im Grimmauldplatz wesentlich besser. Lucius bemerkte das die Qualität der Teppiche mit jeder Reinigung zunahm. Mittlerweile schimmerte die Seide leicht beim darüber gehen. Die Möbel entwickelten bei jedem Polieren filigrane Intarsien und die Blumen im Garten blühten größer, länger und schöner. Diese Entwicklung konnte man getrost als erfreulich betrachten. Harry erwies sich in jeder Hinsicht als Glücksgriff.
Die Hogwartshauselfen hatten es um vieles besser, als die in verschiedenen Familien, der Zabinis zum Beispiel. Trotzdem behandelte sie, außer Master Potter, kein anderer Schüler sie annähernd so gut wie er.
Luli liebte die Geschichten aus der Muggelwelt besonders. Sie besaß heimlich ein Exemplar von „Onkel Tom´s Hütte“, in dem sie herum buchstabierte. Denn wie die meisten Hauselfen konnte sie nicht gut lesen. Bisher hatte sie sich noch nie getraut mit jemandem über dieses Buch zu sprechen. Vielleicht, eines Tages, wenn Master Potter älter war, würde er ihr vorlesen. Jetzt aber hörte sie einfach nur der Geschichte über diesen Außerirdischen zu, während sie daran fleißig das Gestänge der Eulerei wienerte. Die Eulen waren schon zu Beginn der Aktion fort geflogen. Es passte sich gut mit ihrer Jagdzeit, so dass die Hauselfen ungestört arbeiten konnten.
Pünktlich um 21:30 konnte man die Eulerei nicht wieder erkennen. Obwohl die Elfen keine Magie eingesetzt hatten, strahlten die Holzdielen, die Geländer und Gestänge blitzsauber. Man hatte gutes Reinigungsmittel verwendet, hatte konsequent professionell gearbeitet und viel über das Wesen, was Katzen essen wollte gelacht. Harry versprach ihnen allen am Samstag vorbei zu kommen und eine Geschichte vorzulesen. Mit einem Plopp verschwanden sie genau einen Augenblick bevor Professor Snape mit den übrigen Schülern aus dem Zusatzunterricht erschien. Sie starrten Harry mit offenen Mündern an, außer Professor Snape, der sich wie immer Griff hatte.
„Ich bin fertig, Professor Snape.“, meinte Harry fröhlich. Der Professor wirkte zur Kontrolle einen mächtigen Diagnosezauber, wie ihn normalerweise Auroren zum Magienachweis illegaler Zauber verwendeten. „Sehr gut Mr. Potter. Sie haben definitiv keine Magie eingesetzt und die Aufgabe ist perfekt gelöst. Damit ist Mr. Weasley verpflichtet Ihnen acht Monate zu dienen. Sie können den Zeitpunkt der Inanspruchnahme innerhalb Ihres Aufenthaltes Hogwarts frei wählen. Haben Sie allerdings einmal damit begonnen, laufen die acht Monate ohne Unterbrechung weiter. Jetzt gehen Sie bitte alle zu Bett.“