Harry und Draco setzten sich auf die etwas in die Jahre gekommene Eckbank gegenüber einem schlechtgemalten Einhornbild. Das Bild musste namengebend für die Kneipe gewesen sein. Lucius bestellte an der Theke bei dem ältlichen, schmuddeligen Wirt Tee und Kakao für seine Gruppe. Der Muggellehrer winkte freundlich zu Severus hinüber, der jetzt bereits genervt davon war. Severus wäre lieber weiter mit den Kindern durch den Regen gewandert, anstatt mit den Muggeln in einer Dorfkneipe festzusitzen. Allerdings musste auch er einsehen, dass bei diesem Wetter die Wanderung sinnlos war. Daher nickte er höflich zurück.
„Dieser dicke Junge starrt Dich an.“, flüsterte Draco Harry zu, der diesen Tatbestand zu ignorieren versuchte. „Mein Cousin Dudley.“, flüsterte Harry zurück. „Wie kommst Du denn darauf? Wir sind nicht mit Muggeln verwandt. In unserer Familie gibt es nicht mal einen Squib.“ Draco hatte wie eigentlich immer das Gefühl, Harry hätte ihn sein gesamtes Leben begleitet. Dass Harry erst wenige Monate in ihrer Familie lebte, vergaß er ständig. „Der Junge heißt Dudley Dursley. Er ist der Sohn von Petunia und Vernon Dursley, bei denen ich leben musste.“ Harry hatte gelernt, dass man in der Oberklasse der Zauberwelt die Eltern grundsätzlich mit nannte. Die Familie war sehr wichtig.
Erst jetzt begriff Draco. Er stieß Marcus unter dem Tisch an, dann entschuldigte er sich um auf die Toilette zugehen. Marcus verstand und folgte ihm.
Der Muggellehrer beneidete Severus aufrichtig für diese wohlerzogenen Jungs. Er kämpfte ständig darum in seine Klasse Ruhe zu bekommen. Sie kippelten, schubsten und machten weiteren Unfug. Mr. Silver suchte das Gespräch mit dem Professor. Ihm hatte im Referendariat die notwendige Unterstützung gefehlt, daraus resultierte sein mangelndes Durchsetzungsvermögen. Dieses Defizit versuchte er nun bei seiner ersten Klasse irgendwie in Griff zu bekommen. Aus diesem Grund erhoffte er sich einige Tipps und Tricks von dem kühlen Professor dieser Eliteschule.
„Der dicke Junge mit dem grauen Pullover gehört zu den Muggeln, die Harry gequält haben. Er hat Harry sein Essen weggenommen und so. Wir müssen ihn bestrafen.“ In Dracos Adern pulsierte der leidenschaftliche Zorn. Sein älterer Freund verstand ihn nur zu gut, begriff aber das sie Geduld haben mussten. „Hier zwischen all den Erwachsenen können wir nicht viel machen. Wir können ihn uns gut merken und irgendwann schlagen wir zu.“ Einstweilen stimmte Draco eher zögerlich zu. Im Prinzip wusste er, dass Marcus im Recht war, aber trotzdem wollte er diesem Dudley einen Denkzettel verpassen. Man legte sich nicht ungestraft mit einem Malfoy an und Harry war ein Malfoy. In ihrer Familie trat man geschlossen auf.
In dem Moment betrat Dudley die Toilette. Sofort bemerkte er den hasserfüllten Blick des blonden, fremden Jungen, der ihn unwillkürlich einen Schritt zurückweichen ließ. Er stieß dabei gegen den Quidditchkapitän aus Slytherin. Marcus versperrte ihm direkt den Weg zurück zur Tür. Auch er sah drohend zu Dudley. Natürlich war Marcus ein Stück größer als Dudley – schon allein weil er um einiges älter war. Das Trollblut in ihm zeigte sich dadurch, dass er einiges an Muskelmasse zu bieten hatte. Außerdem trainierte Marcus jeden Tag seine Ausdauer und Fitness. Dudley hätte bei einer Prügelei keine Chance. Trotzdem machte ihm der blonde, schlanke Junge mit den grauen, blitzenden Augen mehr Angst. Der Blonde, den er noch nie gesehen hatte, haßte ihn offensichtlich. Dudley versuchte etwas zu sagen, aber seine Stimme versagte.
„Dreckiger Muggel“, fauchte Draco mit all seiner Verachtung und hätte vermutlich eine Prügelei vom Zaun gebrochen. Aber in diesem Moment öffnete sich die Toilettentür erneut. Harry kam herein. Spätestens jetzt wechselte Dudley vom Angst Modus in die Panik. Allerdings würdigte ihn sein Cousin keines Blickes, obwohl er die Situation komplett erfasst hatte.
„Dad fragt, wo ihr bleibt. Wir trinken jetzt aus und dann gehen wir.“ Dudley ärgerte sich über sich die kühle Verachtung seines Cousins. Er wurde unvorsichtig und frech: „Sind Deine Freunde hier genau solche Freaks wie Du?“ Harry drehte sich zu ihm: „Beleidige niemals einen Malfoy oder einen meiner Freunde in meiner Gegenwart.“ Malfoy? Malfoy hieß doch dieser Typ, der seinen Vater gekündigt hatte. Die Stimme klang kalt wie Eis, aber auch selbstbewusst oder überlegen. Dudley machte einen Schritt auf Harry zu und stolperte über Dracos Fuß. Er geriet aus dem Gleichgewicht und fiel hin. Dracos spuckte ihn an: „Dreckiger Muggel. Komm Harry, Dad sollte nicht so lange auf uns warten.“ Sie gingen gemeinschaftlich hinaus, allerdings versäumte Marcus nicht, den fetten Muggel einen ordentlichen Fußtritt zu verpassen.
Die Zauberer tranken ruhig ihren Kakao und ihren Kaffee, als Dudley bei Mr. Silver petzte. Seinen Lehrer berührte die Angelegenheit unangenehm, weil er ihm nicht glaubte. Trotzdem ging er zu dem anderen Tisch hinüber. „Professor Snape, es gibt da eine kleine Sache. Mein Schüler Dudley,“ er wies zu dem Jungen hinüber, „meint Ihre Schüler hätten ihn zu Fall gebracht und dann getreten. Ich glaube es zwar nicht richtig, möchte der Sache jedoch nachgehen. Außerdem meinte er, einer Ihrer Schüler sei sein Cousin.“ Severus hielt die Sache für absolut wahrscheinlich, vor allem weil Draco ausgesprochen unschuldig lächelte. Außerdem erkannte er Dudley Dursley natürlich. Allerdings fand er nichts dabei, wenn Harry sich ein wenig revanchierte. „Mr. Potter hier, war tatsächlich vor seiner Adoption mit Mr. Dursley verwandt. Er lebte bei Mr. Dursleys Familie als Pflegekind. Jetzt ist er der Sohn von Mr. und Mrs. Malfoy. Prügeleien hat er jedoch nicht nötig. Sein Bruder und er sind beide unter den besten Schülern ihres Jahrgangs. Es gibt keinerlei Klagen über sie.“
Severus wusste, dass Draco besser lügen konnte, als Harry, also sprach er ihn an: „Draco, hattet Ihr eine Auseinandersetzung mit dem jungen Mr. Dursley?“ Charmant lächelnd antwortete Draco: „Die kleine Beleidigung von ihm ist nicht der Rede wert. Er braucht sich nicht entschuldigen.“