Harry stockte der Atem, weil Draco Severus so locker ins Gesicht log. Aber natürlich würde er seinem Bruder nie in den Rücken fallen. „Harry, möchtest Du etwas dazu sagen?“, fragte Severus ihn nun zu allem Überfluss direkt. „Dudley und ich verstehen uns nicht besonders gut. Er hat gesagt, wir wären Freaks. So etwas hat er früher schon oft über mich gesagt. Ich möchte nicht, dass er über Draco und meine Freunde in dieser Art und Weise redet. Aber er braucht sich nicht zu entschuldigen. Wir möchten keinen Streit.“ Mr. Silver zweifelte keinen Moment an den sehr höflichen Schülern. Sie schienen ausgesprochen wohlerzogen zu sein. Severus ließ sich nicht ohne weiteres belügen, korrigierte jedoch weder sein Patenkind noch seinen zweiten Liebling.
Lucius glaubte seinen Söhnen auch kein Wort, dafür kannte er sie zu gut. Natürlich unterstützte er sie bei ihren Vertuschungsversuch: „Zwischen Jungs in diesem Alter sind kleine Unstimmigkeiten vollkommen normal. Ich spendiere für alle noch einen Kakao. Dann vergessen wir diese leidige Banalität.“ Mr. Silver wirkte angenehm überrascht. Dieser Mr. Malfoy blieb sehr freundlich, nicht wie andere Eltern in solchen Situationen. Es passte zum eleganten Auftreten der gesamten Gruppe. Diese Leute verhielten sich vornehm und höflich. Mittlerweile war sich Mr. Silver absolut sicher, dass Dudley Dursley aus Neid seinem Cousin gegenüber gelogen hatte.
„Wirklich sehr nett von Ihnen, Sir. Wir nehmen gerne an. Vorher kümmere ich mich noch einmal um Dudley.“ Er nahm Dudley mit vor die Tür. „Warum hast Du gelogen, Dudley? Diese Jungs haben sich sehr vorbildlich verhalten. Sie verzichten sogar auf Deine Entschuldigung. Du wirst Dich trotzdem bei Deinem Cousin und seinem Bruder entschuldigen. Wenn Du Dich nicht bei ihnen entschuldigst, rufe ich bei Deinen Eltern an. Dann werden sie Dich heute noch abholen.“ Dudley war völlig perplex. Eigentlich hatte er von Erwachsenen immer recht bekommen, wenn er sich bisher über Harry beschwert hatte. Vor allem Tante Magda und sein Vater standen ihm immer bei. Er wollte sich nicht bei Harry entschuldigen. Aber wenn Mr. Silver seine Eltern anrief, würde es wieder Stress zu Hause geben. Außerdem wäre die teure Klassenfahrt sofort zu Ende. Sie hatte gestern erst begonnen. Zum ersten in seinem Leben bereute Dudley, wie er früher mit Harry umgegangen war. Widerwillig und zögerlich folgte Dudley dem Lehrer wieder in den Schankraum.
Harry verfolgte Dudleys gleichermaßen erzwungene wie unbegründete Entschuldigung mit einer gewissen Faszination. Draco, Marcus und er hatten Dudley beleidigt und provoziert. Dann hatten Draco und er auch noch gelogen, trotzdem musste sein Cousin klein beigeben. Das schlechte Gewissen, das er wegen dem Lügen hatte, schwand ein wenig. Draco fand nichts dabei zu lügen. Er tat es öfter, wenn er es für notwendig hielt. Nur Severus und seinen Eltern gegenüber würde er die Sache aufklären. In seiner Familie hielt man gegen jede Störung von außen zusammen.
Sirius und Jason unterhielten sich bereits kurz darauf über Motorräder, denn der Lehrer war leidenschaftlicher Biker. Er hatte sich im Mai eine alte BMW gekauft, die jetzt bis zum Frühling schlief. Leider lief sie nicht richtig. Gut gelaunt versprach Sirius sich die Maschine anzusehen und gegebenenfalls zu reparieren. Er kannte sich exzellent mit Motorrädern aus. Lucius ließ ihn gewähren. Einen guten Draht in die Muggelwelt zu haben, schadete nicht.
Endlich hörte der Regen auf und die beiden Gruppen trennten sich sehr freundlich. Nur Draco drohte Dudley mit eisigem Blick. Der Muggel verstand die unausgesprochene Drohung des jungen Zauberers. Nachdem sie aus der Sichtweite der Klasse verschwunden waren, fragte Lucius Draco etwas abseits der anderen: „Die Wahrheit?“ Draco sah seinem Vater offen in die Augen: „Ich wollte Dursley bestrafen. Er sollte lernen, dass man einen Malfoy nicht ungestraft demütigt.“ Der Junge ging zu Recht davon aus, dass sein Vater ihn nicht besonders kritisieren würde. „Also gut. In Zukunft möchte ich aber vorher wissen, wenn Du so etwas tust. Schick mir Harry jetzt her.“
Lucius legte seinen Arm um Harry. „Warum hast Du Severus nicht die Wahrheit gesagt?“, fragte er sanft. „Ich wollte nicht, dass Draco bestraft wird. Er wollte mir beistehen, dafür sollte er keinen Ärger bekommen.“ „Severus und ich wussten beide, dass Ihr lügt. Natürlich solltet Ihr wegen einem Dursley keinen Ärger haben. Wir sind eine Familie. Du solltest allerdings Severus nochmal die Wahrheit sagen. Er gehört zu uns. Egal was passiert, wir stehen für einander ein.“ Natürlich sprachen sich die Jungs mit Severus noch einmal allein aus.