Nachdem es jetzt aussichtslos war, den Trail heute zu schaffen, kehrten die Zauberer zurück zu der Jagdhütte. Diese Entscheidung traf Lucius auch aus einem anderen Grund, den er Severus und Sirius gegenüber nicht erläuterte. Es handelte sich um eine Erziehungsfrage. Sie kamen gegen frühen Nachmittag an und aßen erst einmal. Es gab nur einen kleinen Imbiss, was aber niemanden störte. Für abends sollte Scone eine Art Fondue vorbereiten, dass sich in Zauberkreisen durchaus ähnlicher Beliebtheit erfreute, wie bei Muggeln.
Die Jungs hatten keine Hausaufgaben auf, was man Severus Einfluss als Lehrer verdankte. Auch Testate standen in der nächsten Woche nicht an. Ungewöhnlich viel Freizeit, dachte Draco zufrieden. Blaise und Marcus bauten sich das Schachbrett auf. Draco und Harry wollten eigentlich ein bißchen auf dem Bett herum lümmeln, als Lucius herein kam. „Ich dachte, Ihr hättet vielleicht Lust etwas nur zu dritt zu machen - eventuell noch draußen unterwegs sein. Wir könnten gemütlich Weihnachten planen. Außerdem gibt es in der Nähe einen Zaubernussbaum. Wir könnten für Rudi Nüsse sammeln. “
Dracos Misstrauen gegen seinen Vater erwachte zuverlässig. Ausgerechnet Lucius dachte an Zaubernüsse für sein Eichhörnchen? „Och, eigentlich nicht Dad. Es ist kalt draußen und nass.“, wiegelte er ab. Zaubernüsse für Rudi, dachte auch Harry. Die Idee schien gut zu sein. „Okay, Dad. Ich gehe mit.“ Vielleicht konnte er sogar nur mit seinem Vater allein sein. Harry sprang enthusiastisch vom seinem Bett auf. „Ich ziehe mir nur schnell etwas über. Dann können wir los.“
Die Sonne schien warm und freundlich. Goldener Oktober, dachte Lucius entspannt. Zielstrebig wanderten sie ein paar hundert Yards in südliche Richtung am See entlang und erreichten bald darauf den Baumkreis mit den Zaubernüssen. „Man kann sie nicht mit einem Zauber vom Baum bekommen oder magisch einsammeln. Man muss sie von Hand pflücken oder auflesen.“ erklärte Lucius geduldig. Seine Lust die Nüsse zu ernten oder gar vom Boden aufzulesen, ging gegen Null. Aber Harry hatte seinen Spaß und sammelte fleißig.
Der Junge hatte noch nie wirklich Weihnachten gefeiert, wie sein Vater wusste. Also erzählte Lucius ihm davon, wie Malfoy Manor im Advent von den Hauselfen geschmückt wurde. Lucius war ein guter Erzähler. Er beschrieb die Lichter im Park vor dem Haus, den wunderbar geschmückten Weihnachtsbaum, den Duft, der durch das ganze Haus zog und der gemeinsamen Zeit. „Wir holen Euch beide am Freitag vor dem vierten Advent vom Hogwarts Express ab. Dann bummeln wir ein bisschen durch die weihnachtliche Winkelgasse und besuchen einen Weihnachtsmarkt. Weihnachtsmärkte kennen britische Muggel nicht richtig, deutsche allerdings schon. Du wirst sehen, es wird Dir gefallen. Heiligabend feiern wir mit Severus und Sirius im sehr kleinen Kreis. Am Weihnachtstag reisen wir zum Skifahren in die Schweiz. Mum hat ein sehr schönes Hotel ausgewählt. Es liegt in den Alpen. Dort feiern wir auch Silvester mit den Zabinis.“
Als er zu Ende erzählt hatte, drängten sich zahlreiche Nüsse in dem Leinensack, den sie mitgenommen hatten. Nachdenklich meinte Lucius: „Du hast ziemlich viel für Rudi dabei. Aber wir brauchen noch etwas für Hedwig, meinst Du nicht auch?“ Harry verstand sofort, worauf Lucius hinaus wollte. Schließlich hatte er Dracos Geschichte vom Vorabend noch gut im Ohr. Er nickte zustimmend. „Wir sollten ihr wirklich etwas mitbringen.“ Der Junge begriff, dass sein Vater von ihm erwarten würde, ein Tier zu töten. Es gruselte ihn davor es zu tun, aber er würde Lucius nicht enttäuschen. Außerdem hatte Harry Draco versprochen es für ihn zu tun.
Lucius hatte die Sache besser vorbereitet, als Abraxas es einst bei ihm vorbereitet hatte. Lucius hatte damals getötet, weil er Angst vor seinem Vater gehabt hatte. Dracos Großvater hatte Lucius gezwungen seinen geliebten Hund zu töten. Gnadenlos hatte er beide eingesperrt und den damals Zwölfjährigen solange hungern und dursten lassen, bis Junge dem Tier die Kehle durchschnitten hatte. Jahre später hatte Lucius seinen Vater aus Hass getötet. Abraxas hatte seinen Enkel gerade wegen eines angeblichen Ungehorsams bestrafen wollen, als Lucius dazu kam. Erschreckt sah er seinen Vater seinen kleinen Sohn bedrohen. Im selben Moment entschied der jüngere Malfoy dem Treiben seines Vaters ein Ende zu setzen. Er beschützte seinen Sohn und seine Frau bedingungslos gegen jede Bedrohung.
Lucius vergiftete Abraxas ohne Bedauern und ausgesprochen effizient mit Sesamöl. Sein Vater war hochallergisch dagegen gewesen, was niemand außerhalb der Familie wusste. Bei einem Restaurantbesuch tropfte Lucius in einem unbeobachteten Moment ein paar Tropfen in das Salatdressing auf dem Teller seines Opfers. Der ältere Mann starb wenig später zu Hause qualvoll an einem anaphylaktischen Schock. Der selbstverständlich herbeigerufene Heiler hatte nichts mehr tun können. Die Auroren gaben den Toten problemlos zur Verbrennung frei. Abraxas war nicht Lucius erstes Opfer geworden, wohl aber sein persönlichstes. Dieses Verbrechen blieb unentdeckt, auch weil man Abraxas Leichnam zu verlässig verbrannt hatte.
Gedankenverloren strich Lucius seinem Sohn über den Kopf. Man musste töten lernen, wie alles andere auch. Es war hart. Die Jungs würden es beide lernen. Es war notwendig und sinnvoll, klein anzufangen, wie bei allem anderen auch.
Harry würde aus Zuneigung und Gehorsam töten. Vielleicht eines Tages sogar aus NotwendigkeitSie kamen zu der Schlinge in der sich ein Kaninchen verfangen hatte. Lucius zeigte Harry, wie er den Kehlenschnitt bei dem Tier ansetzen musste, damit es nicht litt. „Wenn es keinen echten Grund gibt, es anders zu tun, sollte man ein Leben zügig und gnädig beenden.“ Das kleine Tierchen tat Harry wirklich leid, weil es scheinbar entsetzliche Angst hatte.
Aber anderseits jagte Hedwig jede Nacht. Raubtiere jagten grundsätzlich Schlangen genauso wie Löwen, selbst Dachse oder Raben jagten. Vermutlich musste es so sein, dachte Harry. Unsicher berührte er das bebende Tier. Er würde es schaffen. Draco hatte es auch geschafft.
Außerdem war da die Sache mit der Kröte gewesen. „Wenn Du es entschlossen tust, leidet es nicht. Die Gnade des Mächtigen gegen über seiner Beute ist Entschlossenheit.“ Harry hielt den schweren, scharfen Dolch fest in der Hand. Sein Herz schlug lauthals. Das Blut rauschte durch seine Adern. Er zog den Schnitt kräftig und entschlossen. Dann lief das Blut rot und warm über seine Hand. Das Tier starb. Harry sah nicht hin. Er sah seinem Vater noch immer vertrauensvoll in die Augen. „Perfekt.“, lobte ihn Lucius. Malfoy senior wirkte einen mächtigen Reinigungszauber, der die klebrige Feuchtigkeit des Blutes aufnahm. Nur der schlaffe Kaninchenleib erinnerte noch an das eben Geschehene.
Harry einen Unverzeihlichen Fluch beizubringen, war gegen diesen ersten Schritt banal. Dieses Tier zu schlachten, wenn es so nah war, war viel schwieriger als einen Avada Kedavra aus der Ferne zu wirken. Aus diesem Grund hatte Lucius die Situation so ausgewählt.