Viele Jahre später, wenn Harry zum ersten Mal gemordet hatte, würde er sich an jene Szene mit seinem Vater in dem herbstlichen Wald in der Nähe der Jagdhütte erinnern und wissen, dass er perfekt ausgebildet worden war. Jetzt jedoch war er froh, als sie wieder bei den anderen ankamen.
Marcus empfing sie an der Tür und erzählte aufgeregt, dass er zum ersten Mal Severus beim Schach geschlagen hatte. „Großartig. Severus spielt ziemlich gut.“, lobte Lucius ihn. Der Lehrer hatte den Jungen nicht gewinnen lassen. Marcus spielte Zauberschach mit dem analytischen Strategieverständnis eines Quidditchexperten und setzte ihn in nur 12 Zügen matt. „Marcus macht überraschende und sehr vorrausschauende Züge. Er hat Talent.“, stellte Severus fest, ohne dem Jungen zu schmeicheln.
Harry hörte all dies zwar, aber noch hielten ihn die letzten Ereignisse gefangen. „Die Gnade des Mächtigen gegenüber seiner Beute ist Entschlossenheit.“, sagte sein Vater. Daraus folgte, dass man stets entschlossen handeln musste, wenn man Erfolg wollte. Mit dem Begriff der Macht konnte der Junge, dessen Leben sich so sehr verändert hatte, noch immer nicht viel anfangen. Doch Erfolg und Anerkennung insbesondere von seinen Eltern wurden immer wichtiger für ihn.
Draco sah in den Augen seines Bruders, was geschehen war. Harry brauchte nichts zu sagen, der Andere verstand ihn auch so. Die Blicke, die Severus und Lucius tauschten, benötigten ebenfalls keine unnötiges Geschwätz. Der Tränkemeister hielt diese Lektion für sehr sinnvoll, denn nach seinem ersten Rendezvous mit dem Tod hatte er sich lange übergeben müssen. Lucius erzog seine Söhne vorbildlich und bereitete sie bestens auf den Weg zur Macht vor.
„Wollen wir nicht bald essen?“, fragte Blaise, der bis eben mit Sirius und Draco „Snape explodiert“ gespielt hatte, unbefangen in die aufgeladene Atmosphäre des Bungalows. Alle - naja fast alle - stimmten freudig zu. Nur Harry schien ein wenig schlecht zu sein, jedenfalls schüttelte er zunächst mit dem Kopf. Als Lucius jedoch mit sanftem Nachdruck vorschlug, doch alle zusammen einfach mal selbst zu kochen, statt den Hauselfen kochen zu lassen, leuchteten Harrys Augen bereits wieder. Er konnte für einen Jungen seines Alters ausgezeichnet kochen, weil er es für die Dursleys oft genug getan hatte.
„Tolle Idee.“, stimmte auch Draco zu. Er hatte noch nie selbst gekocht. Bei welcher Gelegenheit hätte er auch kochen können oder nur zusehen? In Malfoy Manor kochten ausschließlich die Hauselfen. In Hogwarts kochten sie ebenfalls. Noch nie hatte er seine Eltern länger als eine Viertelstunde in der Küche gesehen. Lange Gespräche führten sie dann stets mit Dobby, weil es um die Organisation größerer Gesellschaften ging. Davon gab es im Jahreslauf regelmäßig einige. Draco zählte sie in Gedanken auf: der Geburtstag seines Vaters im Januar, der Geburtstag seiner Mutter im Februar, das Frühlingsfest und die Adventsfeier. Gekocht hatten seine Eltern bisher seines Wissens noch nie.
Severus zog die Augenbraue nach oben, als Lucius gemeinsames Kochen vorschlug. Er kommentierte es jedoch nicht. Allerdings fragte er sich aufrichtig, ob Lucius tatsächlich kochen konnte. Da er selbst aus einfachen Verhältnissen kam, beherrschte er eine Reihe Gerichte seit seiner Kindheit und als Tränkemeister lag ihm der Umgang mit Zutaten und Rezepten ohnehin. Aber warum bei Merlin schlug ausgerechnet Lucius kochen vor? Sie kannten sich jetzt über 20 Jahre und nie, wirklich noch nie, hatte er seinen Freund über irgendeine Zubereitungsmethode von Essen sprechen hören. Andererseits tat der andere nie etwas ohne Überlegung. Also fragte sich Severus intensiv, was dahinter steckte.
Unterdessen hatte Lucius ein großes, etwas angestaubtes und in Leder gebundenes Kochbuch hervorgeholt. „Worauf habt Ihr Lust?“, fragte er die Jungs gutgelaunt, während Sirius ähnlich ungläubig aussah, wie Severus war. Allerdings konnte der Animagus sein Erstaunen weitaus weniger verstecken. Die vier Jungs blätterten aufgeregt durch das Kochbuch. Die Gerichte dufteten verheißungsvoll aus dem Buch. Sie blieben bei den Nudelgerichten und den Soufflees hängen. Eine Weile diskutierten sie über zwei Varianten besonders intensiv. Draco und Marcus präferierten handgemachte Pasta mit gerösteten Zaubernüssen und Rauke, während Blaise und Harry ein Bratkartoffelsoufflee wollten. Begütigend schlug Lucius daher vor, beides zu machen, nachdem er die Rezepte durchgesehen hatte.
Jetzt gelang es Sirius und Severus kaum mehr ihr Erstaunen zu kaschieren. Die Blicke beider Konkurrenten kreuzten sich in seltener Einigkeit. „Dann mal los.“, meinte Sirius, der über genauso viel Kocherfahrung verfügte, wie alle anderen Reinblüter hier in der Hütte – also gar keine. Weder im Hause Black, noch in Hogwarts, noch bei den Potters, geschweige denn in Askaban hatte es für ihn die Gelegenheit gegeben, etwas zu Essen zu zubereiten.
„Harry, was meinst Du, womit sollen wir anfangen? Du kennst Dich am besten von uns mit Kochen aus. Magst Du uns anderen sagen, was wir wie tun sollen?“, fragte Lucius seinen Sohn, während die Zauberer zunächst etwas unschlüssig in der zum Glück recht großen Küche standen. Er sah Severus warnend an. Der Tränkemeister verstand und schwieg. „Wir sollten zuerst alle Zutaten in der Reihe aufstellen, in der wir sie brauchen. Am besten bereiten wir alles soweit vor, dass wir die Dinge dann nur noch nacheinander verrühren müssen.“, erklärte Harry mit vor Aufregung roten Wangen. Man hätte die Sache auch anders und eventuell effizienter angehen können, aber darum ging es gerade nicht, dachte Severus. Wieder einmal staunte er über die Präzision und Weitsicht, die Malfoy Senior bei der Umsetzung seiner Pläne, walten ließ.
Zumindest schien Draco jetzt etwas klarer, was er tun sollte. Er räumte alle benötigten Gerätschaften und auch die Lebensmittel auf den breiten Arbeitstisch aus Mahagoni.
Sirius entschied sich etwas zu wagen. Er schälte Kartoffeln. Nach zwei Fehlversuchen auf Muggelart verzauberte er den Sparschäler, der danach die Kartoffeln von selbst schälte. Blaise und Marcus erschien diese Kochsache ein wenig riskant. Gerade Marcus dachte, man könne bei der Angelegenheit viel falsch machen. Also deckten beide motiviert den Tisch. Severus hielt sich deutlich im Hintergrund. Er holte mit einem schlichten Zauber alle notwenigen Gewürze und vermischte sie. Es lag sehr nahe, dass er es tat. Interessiert sah er zu, wie leicht es Harry fiel, den Vorgängen und vielfältigen Abläufen eine logische Struktur zu geben. Draco, der noch nie viel mit anderen gearbeitet hatte, fiel es schwer, sich abzustimmen und ohne Harry hätte er das Unterfangen vermutlich wegen zu viel Aufwand abgeblasen. Jetzt mochte er seinen Bruder einfach nicht enttäuschen.