Der Sergeant Samuael Gordon verspätete sich vor allem deshalb, weil sein militärischer Vorgesetzter ihm so eben mehr als deutlich gemacht hatte, was er von Gordons Leistungen hielt. Kurz auf den Punkt gebracht - weniger als gar nichts.
Sollte Gordon, das hatte er deutlich verstanden, bis zum Ende der Woche, heute war Mittwoch, nicht mindestens 4 Rekrutierungen zustande bringen, würde er an die mexikanische Front versetzt werden. Aktuell ein sicheres Ticket in den brutalen Tod durch die Truppen der Schwarzen Armee, die jeden Tag mehr und mehr Land gewannen. Der Tag, an dem die Schwarze Armee die unter Präsident Trump errichtete Mauer nehmen würde, lag in greifbarer Nähe. Gordon hatte jedenfalls keine Lust, die Mauer mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.
Er hatte sehr gut verstanden, dass es im Krieg war, wie im Kino: vorne blitzt und donnert es und hinten die besten Plätze waren. Als Sergeant allerdings hatte er leider eher die vordere Reihe gebucht - sollte es soweit kommen.
Umso mehr nahm er es als Zeichen des Schicksals an, dass auf den abgesessenen Polstern drei Jungen offenbar darauf warteten, den Test zu machen. Gordon selbst war insgesamt drei Mal durch den Offiziersanwärterleistungstest gefallen und deshalb auch nur in einem Mannschaftsdienstgrad gelandet. Der Test umfasste 5000-Meter-Lauf, Seilspringen, 200 Meter Freistil Schwimmen, Fragen zur amerikanischen Geschichte und Geographie, Mathematik, Rechtschreibung und Grammatik sowie einem Intelligenz und Stresstest.
Gordon scannte die Identitätschips der Jungen noch bevor er sie erreichte und erkannte, das erste Problem in Blackwood, der nicht nur 2 Jahre zu jung war, sondern auch noch aus 0 kam. Die meisten Schulen der unteren Kategorien boten keinen Schwimmunterricht an. Auch die 21. Schule, die der Kandidat besuchte, hatte keinen Schwimmunterricht. Wenn Jungs zusammen kamen, aber einer nicht genommen werden konnte, sagten die anderen auch oft ab. Das war der Nachteil an Freunden.
Der Vorteil war, dass sie gemeinsam eigentlich nie einen Rückzieher machten. Gordon ging also nicht direkt über das etwas ausgetretene Linoleum zu der Sitzgruppe hinüber, sondern zunächst zu Gorbatschow hinüber. Beiläufig richtete der Sergeant seine Uniformjacke, sowas machte bei den Jungs immer guten Eindruck.
“Sag bitte beim Facility-Management Bescheid. Sie sollten das Schwimmbecken und die gesamte Halle überprüfen. Es roch eben, als ich vorbeiging, sehr nach Chlor. Nicht das da irgendwas passiert ist. Wir brauchen hier bestimmt keine Chlorvergiftung von Offiziersanwärtern.”, sagte Gordon freundlich und sehr sachlich. Gorbatschow war kein Idiot. Im Gegenteil - er kannte das Problem mit dem Schwimmunterricht. “Ja, mache ich. Aber am besten sperren wir den Bereich vorsorglich ab.”, antwortete der Empfangsmitarbeiter sehr sicherheitsbewusst.
Gordon sah sich die Jungen, aufgeregt auf den Sitzen hin und herrutschten genau an, während er mit freundlichen Lächeln auf sie zu kam. Der 5000-Meter-Lauf und das Seilspringen stellten sicher keine Schwierigkeiten da. Blackwood hatte eine gute Läuferfigur. Die Daltons sahen auch recht fit aus. Es musste irgendwie klappen, die drei zu kriegen. Und auf 2 Jahre mehr oder weniger kam es nicht an. Ob ein Junge aus 0 starb oder nicht konnte ihm doch egal sein. Aus dem wurde doch sowieso nur ein Säufer oder Junkie.
Elias wirkte etwas älter, als er war. Die Vorpubertät hatte längst eingesetzt, auch wenn er sich noch längst für Mädchen interessierte.
"Power and honor, Sirs.", begann Gordon das Gespräch locker. Er schwang sich in den letzten verbleibenden Sessel. Sirs? Die Jungs grinsten breit. Der Rekruter hatte Erfahrung mit solchen Jungs. Die Gefallenenlisten sah er nicht an, damit er sich nicht die falschen Fragen stellen musste. Es war Krieg, verdammt seit Jahrzehnten war nichts als Krieg. Nicht einmal sein Vater hatte den Frieden noch bewusst erlebt oder echte Erinnerungen daran.
"Power and Honor, Sir.", grüßten die Jungs zackig zurück, denn sie wollten einen guten Eindruck machen. "Ich bin Sam, eigentlich, Sergaent Samuael Gordon. Aber Uncle Sam ist auch okay." Der Joke war zu alt. Die Kids würden ihn wohl nicht verstehen, aber egal. Vielleicht etwas zu flach. Auch egal.
"Ihr wollt Euch verpflichten und den Test machen?", fragte Gordon eher rhetorisch. Sie nickten aufgeregt, obwohl sie cool sein wollten. "Okay. Super. Die Free States brauchen echte Männer, wie Euch - gerade jetzt. Habt Ihr Euch schon überlegt, wie lange Ihr Eurem Land dienen wollt?", fragte er mit freundlicher Professionalität und zog sein Tablett aus der Innentasche der Uniform. " Wie aus einem Mund kam die Antwort der Teenager geschossen:" Dreißig Jahre, Sir." In diesem Moment hatten sie den Test definitiv bestanden. Es gab fast gar keine Freiwilligen mehr, die sich überhaupt für 5 Jahre verpflichten wollten.
Gorbatschow hatte die Antwort von der anderen Seite des Raumes gehört, weil sie so zackig kam. Das grenzte an ein Wunder. Ein bisschen taten ihm die Jungs leid. Aber er hatte selbst zwei Söhne, wenn die Wehrpflicht kam...Daran wollte er nicht denken. Es war besser, die drei dort drüben - als seine eigenen Jungs.
Ehe er noch den Gedanken fortsetzen konnte, öffnete sich die schwere Glastür erneut. Vier weitere Jungen traten ein. Die Mitschüler, von denen Tim gesprochen hatte, hatten eine Unterhaltung mit Mr. Orwell gehabt, der sich ihnen gegenüber beinahe, wie ein toller, verständnisvoller großer Bruder gegeben hatte. Gorbatschow konnte es gar nicht glauben, was für ein Tag.