John stand vor dem kleinen Marktstand und betrachtete die Fische, die vor ihm lagen. Nach einer Dreitagesreise waren sie in diesem kleinen Dorf angekommen, wo sie ihre Vorräte auffüllen wollten. "Ich nehme vier davon", meinte der Junge schließlich und der Mann hinter dem Tresen nickte. "Macht dreißig Goldstücke." John kramte in seinem Geldbeutel. "Machen wir lieber zwei Fische daraus, mehr Goldstücke habe ich nicht mehr", seufzte er, als er seine letzten Ersparnisse auf den Tresen legte. Der Mann nickte abermals und machte sich daran, die Fische einzupacken. ‚Wir müssen dringend mal wieder einen Job finden‘, dachte der Reinkarnitor, während er wartete. Sein Blick fiel auf Marilyn, die sich bei einem Stand mit magischen Schmuckstücken umsah. Wundervoll, jetzt musste er ihr auch noch erzählen, dass sie sich das nicht mehr leisten konnten. Er hasste nichts mehr, als sie zu enttäuschen. Plötzlich riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken. "Ich zahle die anderen zwei", meinte eine junge Dame und legte die restlichen Goldstücke dazu. John drehte sich überrascht um und erblickte… "Tammy!" "Schön Euch wiederzusehen großer Magier“, begrüßte sie ihn grinsend. Ben, der neben ihr stand, senkte leicht den Kopf. "Das ist wirklich nicht nötig", widersprach John, als er sah, dass der Mann die zwei übrigen Fische nun auch einpackte. "Papperlapapp! Ihr habt uns mit den Trollen geholfen und dann auch noch Ben geheilt. Und bevor ich mich bedanken konnte, wart ihr auch schon verschwunden." Marilyn stieß nun auch zu ihnen und war offensichtlich sehr überrascht, die beiden wiederzusehen. "Wo kommt ihr denn auf einmal her?", fragte sie verdutzt und die Kriegerin lachte. "Ben hier war äußerst erpicht darauf, euch wiederzufinden. Wir sind erst nach Minerva gereist, wo wir erfahren haben, dass ihr in Richtung Osten aufgebrochen seid", erzählte Tammy. "Es war nicht wirklich schwer, eure Spuren zu verfolgen und euch dann hier zu finden." John schmunzelte. "Ja, es war wirklich unvorsichtig von mir, das Lagerfeuer nicht ganz zu entfernen und den Waldboden an dem Ort, an dem uns die Werwölfe konfrontiert haben, nicht wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen", zählte er auf. Tammy sah ihn kurz an, als würde sie gerade nachdenken, dann verstand sie, was er sagen wollte. "Ihr…Ihr habt das alles geplant, oder John?", fragte sie vorsichtig und der Junge grinste. "Ja, ich wusste, dass ihr uns folgen würdet und da dachte ich, dass ich es euch doch etwas erleichtern könnte", bestätigte er ihre Annahme. Marilyn sah ihn nun ebenfalls überrascht an. "Habt Ihr das etwa deswegen gemacht, weil ich…weil ich Euch sagte, dass…", stotterte sie und John nickte. "Was auch immer der Grund war, jetzt wird die Wiedervereinigung erst mal gefeiert! Gehen wir in die Taverne dort drüben!", lachte Tammy und die anderen stimmten zu.
Die beiden Älteren der Gruppe genossen das Essen sehr, doch John bemerkte schnell, dass zwischen Ben und Marilyn eine gewisse Spannung herrschte. ‚Ich frage mich ja wirklich, was er zu ihr gesagt hat, bevor wir die beiden verließen‘, überlegte der Junge. Ben hatte Marilyn damals irgendetwas zugeflüstert und John hatte nicht die geringste Ahnung was es gewesen war. Alles was er wusste war, dass Marilyn Ben gerne wiedergesehen hätte, weshalb er auch die Spuren gelegt hatte. Sein Nachdenken wurde unterbrochen, als ein Mann in die Taverne gestürmt kam. "Drache!", schrie er. "Ein Drache wurde gesichtet! Er kommt direkt auf das Dorf zu und eines sage ich euch, das ist ein riesiges Ding!" Die Leute begannen ängstlich zu tuscheln und einigen war anzusehen, dass sie gleich in Panik ausbrechen würden. Plötzlich stand Tammy auf. "Keine Sorge! Wir vier sind Abenteurer und werden den Drachen für euch beschäftigen! Versteckt euch währenddessen in euren Häusern!", rief sie und die meisten Leute sahen sie dankbar an. Einige blickten zwar auch misstrauisch und zweifelnd, doch das schien die Kriegerin nicht zu kümmern. Stattdessen schwang sie ihren Zweihänder über den Rücken und meinte: "Auf geht’s Leute, ein Drache wartet auf uns!" Mit diesen Worten lief sie los, dicht gefolgt von Ben. John und Marilyn folgten ihnen zwar, blieben jedoch ein Stück zurück, um sich ungestört unterhalten zu können. "Meister, das muss Ignis sein", flüsterte das Mädchen und John nickte. Nachdenklich biss er sich auf die Unterlippe. "Folge den beiden. Ich werde heute nicht kämpfen", erklärte er ihr leise und sie verstand sofort, was er vorhatte. "Ich werde mir eine Entschuldigung für Euch einfallen lassen Meister", versprach sie, dann holte sie zu den beiden anderen auf, während John sich unbemerkt von der Truppe entfernte.
Ignis kam unter lautem Getöse am Boden auf und betrachtete das Trio, das vor ihm stand. "Halt Drache!", rief Tammy. "Wir möchten mit Euch reden und hoffen, Euch etwas anbieten zu können, damit Ihr dieses Dorf verschont!" Ignis Augen funkelten belustigt. "Und was solltet ihr mir anbieten können?", fragte er. Marilyn atmete erleichtert auf. Anscheinend hatte er sie nicht wiedererkannt. Sie war heilfroh, dass sie sich noch schnell ihre Kapuze übergezogen hatte. "Ihr Menschen bedeutet mir nichts!", fuhr der Drache fort. "Ich bin nicht euretwegen hier!" Tammy war offensichtlich verwirrt. "W-warum dann?", fragte sie. "Das betrifft dich nicht Mensch! Wage es ja nicht, deine Grenzen zu überschreiten!", antwortete Ignis harsch. "Die Menschen dieses Dorfes haben ein Recht, zu erfahren, warum Ihr sie aufsucht!", rief Tammy entschlossen. "Das einzige Recht, das ihr habt, ist zu sterben!", knurrte Ignis und machte sich bereit zuzuschnappen. Doch bevor er es tun konnte fiel ein heller Lichtstrahl vom Himmel auf sie herab. Marilyn sah hinauf und erblickte Omnix, der über dem Dorf in der Luft stand. "Halte ein Ignis!", rief der Reinkarnitor und der Drache trat ein Stück zurück. Omnix schwebte herab und landete sanft zwischen der kleinen Truppe und der Feuerechse.
Omnix war ziemlich erleichtert, als Ignis seinen Angriff abbrach. Hinter sich konnte er die Blicke von Tammy und Ben spüren, die ihn beide ansahen, als wäre er vom Himmel gefallen. Naja, war er ja irgendwie auch. Trotzdem blieb er in seiner Rolle. "Ich nehme an, dass du nach mir suchst!", rief Omnix und der Drache bejahte. "Ich habe eine Nachricht von den Erzengeln mein Lord", erklärte er. "Sie laden Euch nach Skyfortress ein. Mehr sagten sie allerdings nicht." Omnix nickte. "Danke, dass du mir diese Nachricht überbracht hast. Ich werde mich so bald wie möglich auf den Weg zu der schwebenden Insel machen. Richte ihnen das aus. Und sage ihnen, dass sie dich bis zu meiner Ankunft dort beherbergen sollen. Ich treffe dich dann dort." "Wie Ihr befehlt!", meinte Ignis und breitete seine Flügel aus. Eine böenartiger Wind fegte über den Platz, als der Drache abhob. Bald schon war er hoch in die Luft gestiegen und gleich darauf verschwand er mit hoher Geschwindigkeit am Horizont. Omnix sah ihm nach, dann wollte er ebenfalls wegfliegen. "Wartet!", ertönte da eine Stimme hinter ihr und er drehte sich um. Tammy sah ihn mit großen Augen an. "Wer seid Ihr?", fragte sie ihn und er erwiderte ihren Blick. Hinter ihr kamen die Leute aus ihren Häusern und blickten ihn nun ebenfalls neugierig und erwartungsvoll an. Wer er war? Er blickte auf Marilyn, die ermutigend nickte. Stimmt. Es sollten alle erfahren. "Ihr solltet euch meinen Namen gut merken und allen davon berichten! Ich bin Omnix, der Oberste der alten Götter und ich bin zurückgekehrt, um meinen rechtmäßigen Platz wieder einzunehmen!", rief er. Ein erstauntes Raunen ging durch die Menge. Der Reinkarnitor schoss in die Luft und blieb dann in zirka einhundert Meter Höhe stehen. Mit einer Handbewegung beschleunigte er die Zeit der Felder des Dorfes, wo plötzlich wie aus dem Nichts die verschiedensten Feldfrüchte aus dem Boden wuchsen. Dann drehte der lebende Nachthimmel sich um und verschwand mit Überschallgeschwindigkeit in Richtung Norden. Marilyn sah ihm schmunzelnd nach. "Angeber", murmelte sie und musste sich zurückhalten, um nicht zu lachen.
"Ein alter Gott", flüsterte Tammy. "Du glaubst wirklich, dass er das ist?", fragte Ben sie. "Ich habe noch nie so ein Wesen gesehen. Ohne Worte einen so mächtigen Zeitzauber auszuführen, seine Geschwindigkeit und sein Aussehen. Das war kein lebendes Wesen", meinte die Kriegerin. "Ich kann nicht glauben, dass Ihr im Gedränge von uns abgeschnitten wurdet und das Ganze nicht gesehen habt", fuhr sie dann an John gewandt fort. "Ich bitte um Verzeihung", entschuldigte der Junge sich und stand auf. "Marilyn und ich müssen jetzt leider aufbrechen", meinte er dann und die beiden Abenteurer sahen ihn überrascht an. "Wohin denn so plötzlich?", fragte Tammy ihn. "Wir müssen weiter. Kein spezifischer Ort. Tut mir leid, ich hätte es auch lieber, wenn unser Wiedersehen länger halten könnte, aber es geht nun mal nicht anders", erklärte er. "Marilyn, verabschiede dich, wir gehen." Das Mädchen sah ihn an, dann blickte sie auf Ben. John erkannte den Blick, den sie aufsetzte. "Zehn Minuten", meinte er schmunzelnd und bedeutete Tammy, mit ihm das Zimmer zu verlassen.
Marilyn und Ben blieben alleine zurück und zuerst wusste keiner der beiden, was sie sagen sollten. "Hör mal Marilyn, das was ich bei der Höhle gesagt habe…es tut mir leid, wenn ich dich damit genervt habe", begann der Junge vorsichtig. "Das hat es nicht. Im Gegenteil, es war…es war wirklich sehr schön", antwortete sie zögernd. "Wir werden uns sicher irgendwann mal wiedersehen", meinte Ben und lächelte sie hoffnungsvoll an. Doch Marilyn erwiderte das Lächeln nicht. "Ben, du solltest mich vergessen", meinte das Mädchen leise und Ben sah sie fassungslos an. "Ich…ich habe einen Weg gewählt, auf den du mir nicht folgen kannst. Es wäre besser für dich, mich zu vergessen", wiederholte sie. "Das kann nicht dein Ernst sein", flüsterte er. "Wir sind grundverschieden, du und ich. Selbst unsere Begegnung war nichts weiter als Zufall. Mit mir würdest du nur traurig werden, weil du mich nie erreichen würdest. Such dir jemanden, mit dem du wirklich zusammenleben und glücklich werden kannst." Sie schluckte ihre Nervosität hinunter und kam näher an ihn heran. Bevor Ben verstand, was sie vorhatte, waren ihre Lippen auf seinen. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann lösten sie sich wieder voneinander. "Ich wollte, dass deine letzte Erinnerung an mich eine gute wird", meinte sie leise. "Leb wohl." Mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte aus dem Zimmer. Ben brauchte kurz, um sich wieder zu sammeln, dann lief er ihr hinterher. Bis zum Waldrand folgte er ihr, doch dann rannte er gegen John, der ihm den Weg versperrte. Ben konnte gerade noch sehen, wie Marilyn im Wald verschwand. "Sie möchte dich nicht verletzen. Wenn du sie wirklich liebst, dann solltest du ihre Entscheidung berücksichtigen", erklärte der Magier. Ben sah ihn mit Tränen in den Augen an, gab sich letzten Endes jedoch geschlagen. "Versprecht mir, dass Ihr auf sie Acht geben werdet", verlangte er und John hob seine Hand zum Schwur. "Ich habe immer auf sie Acht gegeben und ich werde es auch in Zukunft immer tun", versprach er und Ben nickte dankbar. Der Magier machte sich gerade bereit, Marilyn nachzugehen, da fragte der Junge plötzlich: "Meinte sie das ernst? Dass ich ihr nicht folgen kann?" John drehte sich nochmal zu ihm um. "Werde ich sie wirklich niemals wiedersehen?" Der Magier sah ihn nachdenklich an, dann meinte er: "Das ist eine Frage, die nur ein alter Gott beantworten kann." Mit diesen Worten verschwand er schließlich mit wehendem Umhang zwischen den Bäumen und ließ Ben alleine am Waldrand zurück.