"Geht es dir auch gut?", fragte John Marilyn und sie nickte. "Alles in Ordnung", meinte sie. "Wenn irgendetwas zu viel für dich wird, dann sag es einfach", bot Tammy an und Ben stimmte ihr zu. "Ja, wir sind immer da für dich, das weißt du." Marilyn sah ihre Freunde dankbar an, dann drehte sie sich um und blickte auf das hölzerne Tor, welches den Eingang zu dem Werbiestdorf markierte. Sie waren wirklich hier. Nie im Leben hätte Marilyn sich erträumt, dass sie eines Tages hierher zurückkehren würde. Nachdem sie in Skyfortress alles geklärt hatten waren sie aufgebrochen, um sich einmal persönlich bei den Werbiestern umzusehen. "Bücher sind zwar ganz nett, aber Erfahrung ist besser als alles andere", hatte Hiroki gesagt und John hatte ihm zugestimmt. So gingen sie durch das Holztor und kamen in das kleine Dorf, welches sich am Waldrand befand. Die Gebäude waren mehr Zelte als Häuser, in der Mitte befand sich eine Feuerstelle und etwas außerhalb des Dorfes konnte man ein paar Felder mit Waldkräutern sehen. Gleich daneben war ein kleiner eingezäunter Bereich, wo Schafe weideten. "Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen", flüsterte Marilyn und John sah sie mitfühlend an. "Dort drüben habe ich gespielt, als der Häuptling und seine Männer kamen, um uns mitzunehmen. Sie sagten uns nicht, wohin wir gehen würden. Ich habe erst später erfahren, dass sie uns verkauften, um das Dorf vor den Söldnern zu retten." Sie trat näher an die große Eiche heran, die an der Stelle, auf die sie gedeutet hatte, aus dem Boden wuchs. "Sie ist so groß geworden", murmelte sie. "Hey, ihr da!", ertönte da plötzlich eine wütende Stimme. Sie fuhren herum und erkannten, dass ein Mann mit Fuchsohren auf sie zukam. "Wie könnt ihr es wagen den Baum der Trauer zu berühren!?" Er wollte nach Marilyn greifen, um sie wegzuzerren, doch John stellte sich dazwischen. "Sie alleine hat das Recht, diesen Baum zu berühren", meinte der Junge und das Werbiest sah ihn sauer an. "Ich weiß nicht wer ihr seid, aber für diese Frechheit werdet ihr euch beim Häuptling verantworten müssen", knurrte er. "Das trifft sich gut, ich wollte sowieso mit ihm sprechen", meinte John und lächelte den Mann an, der den Blick ziemlich verwirrt erwiderte, sie aber dennoch zum Hauptzelt des Dorfes führte.
"Ihr habt also den Baum der Trauer berührt?", fragte der große bärtige Mann, der auf dem kleinen Holzthron vor ihnen saß. Auf seinem Kopf zuckten seine Wolfsohren hin und her. "Scheint so. Als ich das letzte Mal hier war, war er nur ein normaler Baum", antwortete Marilyn. "Du bist nicht gerade sehr respektvoll! Soll ich dir etwa Manieren beibringen?", fragte der Häuptling sauer und holte zum Schlag aus. Doch bevor seine Hand Marilyn erreichen konnte, wurde er von Johns Stab geblockt. Der Junge beförderte ihn mit einem Schwung wieder zurück in seinen Sessel. "Wenn Ihr sie auch nur mit einem Finger berührt, dann werde ich Euch auf der Spitze Eures Zeltes aufspießen!", drohte er. "Ihr wagt es, mein Urteil zu verhindern?", fragte der Häuptling. "Selten dämliche Frage, Ihr seht doch, dass die Antwort ja lautet. Das ist doch keine Art seine geschätzten Gäste zu behandeln", antwortete der Junge ihm. "Das kommt einer Herausforderung zum Duell gleich!", rief der Häuptling und John seufzte. "Muss das denn wirklich sein?", fragte er und der Mann grinste. "Habt Ihr etwa Angst davor, den großen Häuptling Lupus zu bekämpfen? Das würde ich verstehen und Euch verzeihen, wenn Ihr Euch hier hinkniet und um Vergebung bettelt!" John rollte seine Augen. "Ihr seid nichts weiter als ein Großmaul Lupus. Ich will nicht gegen Euch kämpfen, weil Ihr es nicht wert seid", erklärte der Junge dem Häuptling, welcher ihn wütend ansah. "Ihr denkt wohl, dass Ihr stark seid Mensch. Dann beweist es! Kommt mit!" Mit diesen Worten ging er vor das Zelt und John folgte ihm.
"Ein Duell zwischen Lupus, dem großen Anführer unseres Dorfes und dem dummen Menschen, der es wagte, seine Stärke infrage zu stellen!", verkündete der fuchsohrige Mann und die Bewohner kamen neugierig näher. Lupus grinste. "Ich werde Euch so schnell in Grund und Boden stampfen, dass Ihr nicht mal mehr wisst, was gerade geschehen sein wird!", meinte er. "Reißt Ihr jetzt noch weiter das Maul auf, oder werdet Ihr endlich mal angreifen?", fragte der Junge ihn und stützte sich auf seinen Stab. Der Häuptling schnaubte verächtlich. "Hyperspeed!", rief er laut und preschte los. Tammy konnte nicht mal mehr erkennen, wo er sich gerade befand, so schnell bewegte er sich. "Dagegen ist selbst meine Götterklinge nichts", flüsterte sie. Lupus raste auf John zu und seine Krallen blitzten hell auf. "Donnerklauen!", rief er und ließ einen unfassbar schnellen Regen aus Schlägen auf den Jungen niedergehen. John tat nichts. Er wich nicht aus. Er blockte nicht. Er bewegte sich kein Stück. Als Lupus mit seinem Angriff fertig war hielt er schnaufend an. Ungläubig blickte der Häuptling auf den Jungen, welcher ihn unbeeindruckt ansah. "Das ist unmöglich! Das waren hundert Schläge pro Sekunde", keuchte er. "So ist das also. Ihr setzt also nur auf Geschwindigkeit", erkannte John, während er sich den Staub von der Kleidung beutelte. "Ihr vertraut darauf, dass Eure Gegner Euren schnellen Schlägen nicht gewachsen sind und Ihr so viel HP wie möglich eliminieren könnt, um sie gleich zu Beginn des Kampfes zu schwächen. Das mag bei normalen Gegnern ja klappen, aber ich bin auf einem anderen Level Lupus. Eure Schläge waren zwar schnell, sogar schneller als meine Regeneration, aber die Kraft, die in ihnen steckte, reichte trotzdem bei weitem nicht, um einen bleibenden Schaden in meiner HP-Leiste zu hinterlassen." Der Häuptling sah ihn fassungslos an. "Wer seid Ihr?", hauchte er. "Ich bin nur ein dummer Mensch", antwortete John grinsend. "Wenn Ihr noch eine Attacke habt, dann könnt sie jetzt ausprobieren." Die Augen von Lupus leuchteten entsetzt auf und John verstand, was dem Häuptling gerade durch den Kopf ging. "Das war Eure einzige Attacke, habe ich recht?", fragte er. "Jammerschade. Ich habe eigentlich vorgehabt, nicht so hart mit Euch umzugehen, weil Marilyn mir sagte, dass es sicher einen Grund gegeben hat, warum sie und die anderen Kinder verkauft wurden aber jetzt…naja…ich sehe jetzt, dass das alles nur passiert ist, weil Ihr mit Stärke angegeben habt, die Ihr nicht besitzt. Nicht nur das, ihr habt uns vorgeworfen im Unrecht zu sein, obwohl Ihr selbst es seid und das Schlimmste von allen, Ihr habt meine Freundin, die Ihr sowieso schon genug mit Euren Entscheidung gequält habt, bedroht. Paralyse!" Ein elektrischer Schock durchfuhr den Häuptling, der unter Schmerzen aufschrie. Er ging auf die Knie, während Johns Zauber weiter durch seinen Körper wütete und ihn Höllenqualen erleiden ließ, bevor er schließlich leblos zusammensackte und sich nicht mehr rührte. Der Kampf war beendet.
Die Dorfbewohner sahen entsetzt auf ihren Anführer, welcher besiegt auf dem Boden lag. "Keine Sorge er ist nicht tot. Doch hört mich an, Werbiester dieses Dorfes!", rief John. "Wir kommen von weit her und euer Häuptling hier hat uns dennoch nichts als Respektlosigkeit entgegenzubringen! Er ist ein Angeber und ein Betrüger, ein Großmaul, das euch täuschte, obwohl er eigentlich keine besondere Macht hat! Deswegen hat er vor Jahren eure Kinder verkauft! Nicht weil er euch beschützen wollte, sondern weil er Angst hatte, zu kämpfen! Wollt ihr wirklich so einen Anführer?" Ein Murmeln ging durch die Menge und man konnte klar erkennen, dass die Dorfbewohner ihren alten Häuptling voller Abscheu ansahen. "Wählt euren neuen Häuptling mit Bedacht!", riet John ihnen. "Doch das ist nicht der einzige Grund, warum wir hier sind!", fuhr er fort. "Wir bringen euch Kunde aus dem Osten! Meine Freundin hier ist eines der Kinder, welche von euch verkauft wurden! Ihr solltet ihr auf Knien danken, dass sie heute mit hierhergekommen ist, um euch diese Nachricht zu überbringen!" Er nickte Marilyn zu und diese begann zu sprechen. Leiser als John, aber trotzdem bestimmt. "Der Oberste alte Gott Omnix ist auf dem Weg hierher. Wir haben es durch Zufall bei den Echsenmenschen erfahren und dachten, dass es sinnvoll wäre, euch davon zu erzählen, damit ihr planen könnt, was ihr nun tun werdet." "Omnix?" "Der alte Gott?" "Ich habe von ihm gehört." "Er soll eine Armee alleine besiegt haben." "Es heißt, dass die Drachen und Erzengel ihm gehorchen", tuschelten die Leute. "Mehr wollten wir euch nicht sagen, darum werden wir nun wieder aufbrechen, um den anderen Dörfern ebenfalls Bescheid zu geben", verabschiedete sich John. Mit diesen Worten verließen die vier Freunde das Dorf, während hinter ihnen heftige Diskussionen entbrannten. "Denkt Ihr, wir können sie jetzt alleine lassen?", fragte Tammy. "Ich denke schon", antwortete der Junge. "Alles weitere liegt jetzt in ihrer Hand."
Sie waren schon eine Weile unterwegs, als sie plötzlich eine Stimme hörten. Sie gehörte einem Jungen, welcher auf einem der Bäume saß und grinsend auf sie herabblickte. Er trug eine lange beige Hose und keine Schuhe, da seine Füße wie die von Hiroki aus Rinde waren. Auch trug er kein Oberteil, da seine Arme von den Schultern aus auch langsam in Rinde übergingen. Seine Haare waren lang und silbern, und seine Ohren spitz. Um seinen Hals baumelte eine Holzkette und seine grünen Augen sahen sie interessiert an. "Ein Waldgeist", stellte John fest und der Junge lachte. "Hallöchen!", rief er und sprang zu ihnen hinunter. "Mein Name ist Furuimori und ich will mich bei euch bedanken. Ich bin der Waldgeist, der über das Dorf wacht, in dem ihr gerade wart. Ich wollte diesen inkompetenten Häuptling schon lange ersetzen, ihr habt mir einen großen Gefallen getan." "Keine Ursache", erwiderte John mit einer abwehrenden Handbewegung. "Aber eine Sache würde ich schon gerne wissen. Warum habt Ihr sie gewarnt, Lord Omnix?", fragte der Waldgeist grinsend und John lachte. "Du hast mich also durchschaut", meinte er. "Es kursieren schon länger Gerüchte über Euch. Angeblich habt Ihr sogar einen Waldgeist, der Euch untergeben ist." "Du redest von Hiroki, nicht wahr? Ja das ist wahr, er ist mir eine große Hilfe", antwortete der Magier. "Hiroki war schon immer anders. Er hat immer aktiv gehandelt und ich habe ihn dafür immer bewundert. Wir übrigen Waldgeister tun das nicht. Unser Anführer hält immer noch an den Traditionen fest und darum hat es keiner außer Hiroki gewagt, sich aktiv in das Leben der Werbiester und Elfen einzumischen", meinte Furuimori. "Danke für die Information", bedankte sich John. "Ich hoffe sehr auf ein baldiges Wiedersehen." Der Waldgeist grinste. "Ich ebenso. Ihr bringt endlich mal wieder etwas Leben in diesen uralten Wald. Lasst nur bitte die Bäume stehen." Der Magier verbeugte sich leicht. "Versprochen. Ich werde der Natur hier kein Haar und kein Blatt krümmen", schwor er und Furuimori lachte. Dann zwinkerte er ihnen noch zu und verschwand mit einem einzigen Satz wieder in den Baumkronen.