„Sagt wie geht es euch?“ fragte Nofrete, als sich der erste Freudentaumel etwas gelegt hatte.
„Uns geht es gut,“ erwiderte Benjamin. „Aber es ist in letzter Zeit viel geschehen.“
„Auch bei uns ist viel geschehen," sagte Nofrete. „Doch reden wir später darüber! Ich hole die anderen. Ich dachte erst es handelt sich um einen Scherz doch jetzt, da ihr wirklich da seid… Meine Güte was für eine Freude!“ Sie lief nun wieder davon und nach kurzer Zeit traten Malek und Damian, Nofretes Vater ins Freie. Der Magier hatte sich kaum verändert, nur sein Haar war etwas kürzer. Er sah sehr stattlich aus in seinem roten, mit Gold verzierten, Mantel. Damians Haare waren etwas grauer geworden und fielen bereits an einigen Stellen aus.
Alle starrten sich einen Augenblick lang ungläubig an, dann rief Pia: „Malek! Damian!“ Wie ein kleines Mädchen lief sie den zwei Männern entgegen und fiel Malek um den Hals.
„Pia! Meine liebe Pia!“ sprach dieser mit erstickter Stimme. „Ihr seid zurück und richtig erwachsen geworden. Ich kann es einfach nicht glauben!“ Tränen liefen ihm und auch der jungen Frau über die Wangen. Pia umarmte nun auch Damian, welcher ebenfalls gegen die Tränen ankämpfte.
„Wie geht es euch? Seid ihr gesund?“ wollte Damian wissen. Pia nickte. Die Freude über das Wiedersehen mit den alten Freunden, war so groß, dass ihr die Sprache für einen Moment lang versagte. Benjamin umarmte Malek und Damian nun ebenfalls herzlich und für einen Augenblick lang, fühlte er sich wieder wie fünfzehn. Alle Erinnerungen brachen über ihn herein und schließlich konnte auch er die Freudentränen nicht mehr zurückhalten.
Manuel stand scheu etwas abseits und beobachtete die Szene. Plötzlich fühlte er sich wie das fünfte Rad am Wagen. In diesem Moment jedoch fragte Nofrete lächelnd: „Wen habt ihr da eigentlich noch mitgebracht?“ Manuel atmete erleichtert auf. Er wurde also doch zur Kenntnis genommen.
„Das ist Manuel,“ erklärte Benjamin. „Ein wahrlich bemerkenswerter Junge." „So bemerkenswert wie du und Pia?“ fragte Damian scherzhaft.
„Noch viel bemerkenswerter,“ erwiderte der Angesprochene. „Er ist schon eine sehr reife Seele und er beherrschte die Sphärenwanderung, gleich nach dem zweiten Versuch. Unglaublich! Wenn ich denke, wie lange wir hatten und Ululala sagte damals sogar, wir seien schnell gewesen. Nun… Manuel ist noch schneller.“
„Dann müssen wir euren neuen Freund unbedingt etwas näher kennen lernen. Kommt rein!“
Malek führte die drei Gäste in einen gemütlichen Raum, in welchem kostbare Möbel standen. Er bat sie Platz zu nehmen und ein Angestellter, brachte Tee und Kekse.
„Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ihr wieder da seid!“ sprach der Magier und Nofrete und Damian nickten zustimmend. „Wir haben uns lange nicht gesehen. Wie alt seid ihr jetzt eigentlich?“
„33 und 35,“ gab Pia etwas beschämt zur Antwort. „Dann sind nach irdischer Zeit schon 20 Jahre vergangen? Unglaublich! Wenigstens ist es uns hier nicht so lange vorgekommen.“
„Ihr seid ja auch kaum älter geworden,“ meinte Benjamin. „Das Märchenreich bekommt euch gut, wie mir scheint. Aber mal ehrlich, wir schämen uns schon ein wenig, dass wir nicht früher wiederkamen. Doch es klappte irgendwie nicht. Als hätte erst der richtige Moment kommen müssen. Nun, dafür haben wir jetzt Manuel dabei. Isobia meinte, dass wir vielleicht auf ihn haben warten müssen. Ihr habt sicher schon vernommen, dass sich seltsame Ereignisse zutrugen. Zweimal ist ein Stern vom Himmel gefallen und es hat schon viele Naturkatastrophen gegeben. Manuels Eltern kamen leider bei einem Tsunami ums Leben.“
„Oh nein! Das tut mir sehr leid!“ sprach Nofrete erschüttert und legte Manuel kurz die Hand auf die Schulter. „Seine Eltern zu verlieren ist schrecklich! Ich hoffe, du kannst das bald überwinden!“
Manuel nickte nur still. Er wusste gerade nicht, was er darauf erwidern sollte. „Aber erzählt mal, wie es euch, seit unserem letzten Wiedersehen, ergangen ist!“ forderte Benjamin Malek und die Prinzessin auf. Nofrete und Malek sahen sich liebevoll an.
„Wir beide haben, kurz nachdem ihr wieder nach Hause gegangen seid, geheiratet,“ sprach die Prinzessin.
„Wirklich? Wie schön!“ freute sich Pia.
„So ist es,“ bestätigte auch Damian. „Wenn ich mal nicht mehr bin, wird Malek, zusammen mit meiner Tochter, den Thron besteigen und über das Land der hundert Juwelen herrschen.“
„Davon sprechen wir jetzt aber noch nicht!“ meinte Malek abwehrend. „Momentan habe ich noch genug damit zu tun, mein eigenes Reich wieder aufzubauen. Es gibt dort immer noch viel zu erledigen. Ich bin aber langsam auf der Suche nach einem Nachfolger, denn ich will mich etwas mehr um dieses Land hier kümmern. Leider hatte ich bisher jedoch keinen Erfolg, jemanden Geeigneten zu finden. Nun, es braucht einfach seine Zeit. Aber Damian wird sowieso noch steinalt werden und das ist gut so!“ Er lächelte seinen Schwiegervater freundschaftlich an.
„Das kann man nie wissen,“ sprach dieser mit einem ernsten Ausdruck im Gesicht. „Man kann kerngesund sein und plötzlich, wird man von irgendeiner Krankheit heimgesucht. Vielleicht ergeht es mir, wie meiner geliebten Gemahlin Ismala.“
Die Geschwister horchten erschrocken auf und Pia fragte: „Ist etwas mit Ismala?“
Damian seufzte und nickte traurig. „Ja… Ismala ist sehr, sehr krank. Es begann nur mit etwas Husten und leichtem Fieber, dann bekam sie plötzlich Krämpfe und Schweissausbrüche und am Ende verlor sie das Bewusstsein. In diesem Zustand befindet sie sich nun schon viele Monde.“
„Habt ihr herausgefunden, was es ist?“ fragte Benjamin besorgt.
„Nein, wir haben alles versucht. Kein Arzt konnte uns sagen, was meine Geliebte für eine Krankheit hat. Nicht mal Malek mit seinen mächtigen Heilkräften, konnte ihr dauerhaft helfen.
Und das Schlimme ist, sie ist nicht die einzige, welche diese Seuche heimgesucht hat. Ein grosser Teil unseres Hofstaats und auch von ausserhalb ist betroffen. Wir stehen alle vor einem Rätsel. Es ist schrecklich, wenn man tatenlos zusehen muss, wie immer mehr von dieser Seuche dahingerafft werden. Es gab schon einige Todesfälle.“
Malek fuhr fort: „Ich denke, diese Krankheit muss irgendwas mit den seltsamen Phänomenen zu tun haben, welche auch bei euch zu sehen waren.“
„Ihr habt sie auch gesehen, die Sterne, die vom Himmel fielen?“ fragte Pia ungläubig.
„Ja,“
„Das ist aber seltsam.“
„Nicht unbedingt. Es wurde doch angekündigt, dass bald eine Zeit der Umwälzungen naht. Warum sollte das nicht auch bei uns spürbar sein? Schliesslich sind unsere Welten, nur durch eine schmale Grenze, voneinander getrennt und alles was bei euch passiert, hat einen Einfluss auf uns und umgekehrt. Auf jeden Fall verheissen die Vorkommnisse, der letzten Zeit, nichts Gutes.“
„Isobia warnte uns von drei Rittern, die kommen würden, um die Welten zu erobern.“
„Drei Ritter?!“ fragte Malek. „Es ist also wahr!“
Nofrete erklärte: „Malek hatte vor kurzem eine Vision. Er sah darin drei Reiter auf Pferden. Der eine war schwarz, der andere rot und der dritte, trug einen fahlgrauen Kapuzenmantel…“
„Ich musste gegen sie kämpfen," fuhr Malek fort. „Es war ein aussichtsloser Kampf. Diese drei Reiter besassen gewaltige Kräfte. Ihr blosser Anblick, erfüllte mich mit nacktem Grauen. In meinem Leben ist mir nie etwas Böseres begegnet. Sie waren noch entsetzliche als der Herr der Finsternis. Auf einmal jedoch erschien in meiner Vision ein helles Licht und die drei Ritter zerfielen, unter seinem Einfluss, zu Staub. Aus dem Lichte sprach eine Stimme zu mir: Sohn der verloren war, sieh dich vor! Ein eisiger Hauch weht durch das Omniversum. Doch wisse, dass ich immer bei dir bin!
Nach dieser Vision war ich sehr aufgewühlt und mir wurde auf einmal klar, was für eine Gefahr die Ritter wirklich darstellen müssen.“
„Worauf du wetten kannst!“ entgegnete Pia. „Wie gesagt, wurden wir auch von diesen Rittern gewarnt. Ich habe die Macht des einen, sogar am eigenen Leibe gespürt. Es war der Fahlgewandete. Er… kam zu uns nach Hause und… stahl das Medaillon der vier Gewalten…“
„Er stahl das Medaillon?!“ rief Malek entsetzt.
„Ja,“ erwiderte Pia und fühlte sich auf einmal hundeelend. „Ich… konnte nichts dagegen tun. Seine Macht… war einfach zu gross! Ich wollte ihn aufhalten, doch dann schleuderte mich eine unsichtbare Energiewelle, mit unglaublicher Gewalt, zurück. Es fühlte sich an wie ein heftiger Fusstritt in den Bauch. Ich hatte keine Chance. Es… tut mir so leid, das ist auch mit ein Grund, warum wir zurückgekommen sind. Isobia meinte du könntest uns beistehen Malek. Das alles ist einfach so schrecklich!“
Malek und die andren schaute betroffen drein.
„Ich kann mir gut vorstellen, dass du nichts gegen diesen Fahlgewandeten tun konntest,“ sprach der Magier schliesslich verständnisvoll „auch ich habe seine und die Macht der anderen Ritter, in der Vision, ganz klar gespürt. Wir müssen sie unbedingt aufhalten, sonst können sie verheerenden Schaden anrichten. Das Medaillon der vier Gewalten ist ein mächtiges Relikt.“
„Das ist uns bewusst. Aber wir wissen wirklich nicht, was wir tun sollen.“ „Wir müssen uns auf die Suche nach den Rittern machen und sie, trotz allem, versuchen aufzuhalten.
Doch ich muss jetzt kurz nach Ismala schauen. Sie braucht eine Stärkung, die nur ich ihr geben kann. Wollt ihr mitkommen?“
„Ja auf jeden Fall!“ sprachen die Turners.
Malek, Nofrete und Damian führten die Geschwister und Manuel, durch ein paar geschmackvoll eingerichtete Räume, zu den königlichen Gemächern. Leise öffneten sie ein dunkle Eichentür und dort lag in einem, von weissen Vorhängen umgebenen Himmelbett, eine blasse Gestalt. Als sie näher traten, erschraken die Geschwister. Ismala war bleich wie der Tod. Die ganze Kraft und das Leben, war aus ihrem,einst so wundervollen Antlitz, gewichen. Ihre Wangen wirkten eingefallen und sie hatte stark abgenommen. Das blass türkise Nachthemd, das sie trug, unterstrich ihre Blässe noch.
Die Geschwister und auch Manuel waren tief erschüttert und traten an das Bett.
„Sie sieht… wirklich gar nicht gut aus,“ flüsterte Pia. „Wenn wir ihr nur helfen könnten.“
„Malek kommt täglich mehrmals hierher, um sie mit seiner magischen Heilkraft zu stärken, dadurch konnte er sie bisher einigermassen stabilisieren,“ sprach Nofrete betrübt. „Aber wenn wir nicht bald ein Heilmittel finden, wird sie es vielleicht nicht überstehen.“
Damian griff nach der Hand seiner Gemahlin und Tränen glänzten in seinen Augen.
Malek untersuchte die Vitalfunktionen der Königin. „Das Fieber scheint gesunken, doch sie fühlt sich besorgniserregen kalt an. Sie braucht unbedingt etwas mehr Kraft.“
Die Geschwister und ihre Freunde wichen etwas zurück, um dem Magier Platz zu machen, der sich nun neben Ismala aufs Bett setzte. Er nahm ihre kalten Hände in seine und begann mit geschlossenen Augen, etwas in einer fremden Sprache zu rezitieren. Manuel und die anderen schauten erstaunt zu, wie von Maleks Händen nun, ein silbrig-blaues Licht, zu Ismalas Händen floss. Die Königin atmete tief auf und ihre Züge wurden zusehends entspannter. Sie bekam sogar etwas mehr Farbe und es sah wirklich so aus, als würde sie gestärkt werden. Malek hingegen wirkte auf einmal sehr erschöpft und erhob sich schliesslich wieder etwas schwankend. Nofrete und Damian stützten ihn und Nofrete sprach an die Geschwister und Manuel gewandt: „Diese Heilenergie- Übertragungen schwächen meinen Liebsten immer sehr.“
„Ich muss… mich nur kurz etwas hinlegen,“ entschuldigte sich der Magier mit matter Stimme. „Danach besprechen wir, wie wir weiter vorgehen sollen. Ich glaube, wir sollten zuallererst Aurelia warnen, dass die drei Ritter vermutlich zum Kristall unterwegs sind. Vielleicht weiss sie auch, was wir gegen diese Seuche die Ismala und die anderen heimsucht, tun können.“ „Die Geschwister nickten und Benjamin half Malek zu stützen. Zusammen gingen sie in ein sehr schönes, in Gold und Blau gehaltenes Gemach. Sie legten den Magier auf ein weiches, mit hellblauen Lacken bedecktes Bett und dieser schlief sogleich ein.
„Malek tut das, seit Ismala das Bewusstsein verlor, jeden Tag,“ flüsterte Damian den Geschwistern und Manuel zu. Sie alle sassen nun besorgt am Lager des Magiers. „Er hat so viel Güte in sich entwickelt, seit ihr ihn aus der Finsternis geholt habt, damals vor vielen Jahren… Nun ist er der wunderbarste Schwiegersohn, den ich mir vorstellen kann. Er hat schon so viel Gutes getan und auch jetzt noch, opfert er sich jeden Tag für andere auf.“
„Ich glaube, er möchte immer noch vieles wieder gut machen,“ sprach Benjamin. „Er tut alles, dass die Finsternis nie wieder in sein Leben zurückkehren kann.“
„Und das schafft er auch wirklich! Darum schmerzt es mich jedes Mal, ihn in diesem Zustand zu sehen. Dennoch... würde er dieses Opfer nicht bringen, wäre Ismala… vermutlich schon lange von uns gegangen. Noch immer hoffen wir, endlich ein Heilmittel für diese seltsame Seuche zu finden, aber… er ist einfach so schwierig und wenn die drei Reiter damit zu tun haben… wer weiss, ob sich all die Kranken überhaupt noch retten lassen. Wir haben die besten Ärzte und auch Magier damit beauftragt, ein Heilmittel zu finden und sie betreuen die Kranken in unserer Umgebung, so gut sie können. Aber noch sind wir keinen Schritt weiter.“
„Wir werden eine Lösung finden,“ sprach Benjamin zuversichtlich, "wir haben schon manches Problem gelöst und auch diesmal werden wir nicht versagen! Jetzt wo wir alle wieder vereint sind sowieso und wir haben ja jetzt nochmals einen tüchtigen Helfer an unserer Seite, unseren Manuel.“
Er klopfte dem 20- jährigen auf die Schulter und dieser errötete vor Stolz und Verlegenheit, weil man so grosses Vertrauen in ihn setzte.