Aurelia die Kristallfrau
Feuerblumen und weisser Diamantdolch
Erzähler
Als Pia wieder von ihrer wundersamen Reise, ins Innere des Baumes zurückkehrte, fand sie sich bei ihren Freunden und ihrem Bruder wieder. Alle starrten sie besorgt an.
„Wo um alles in der Welt warst du gerade? Wir konnten dich nicht aufwecken! Wir haben uns grosse Sorgen gemacht!“
„Es tut mir leid,“ sprach Pia, noch ganz benommen von den jüngsten Ereignissen. „Ich war… im Inneren der Eiche und dort war… der Geist des Baumes.“ Sie erzählte was sich zugetragen hatte und alle lauschten fassungslos vor Staunen ihren Worten. „Das ist wirklich eine beeindruckende Geschichte Pia!“ sprach Malek. „Baumgeister laden sonst nie jemanden zu sich ein. Und es gibt dort tatsächlich Sphären- Tore?“
„Ja, sieben gesamthaft. Sie führen in verschiedenen Elementarreiche. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen! Ausserdem hat die Eichenfrau mir noch drei Wunder- Eicheln geschenkt, die mir Wünsche erfüllen sollen.“ „Meinst du, die funktionieren wirklich?“ fragte Manuel aufgeregt.
„Das wird sich noch herausstellen. Sie können nicht jeden Wunsch erfüllen, aber wir werden es wohl einfach versuchen müssen.“
„Im Augenblick jedoch sollten wir zusehen, dass wir endlich zu Aurelia kommen,“ sprach Malek. „Es wird schon langsam Abend und die Zeit drängt! Und diesmal… konzentriert euch bitte gut auf Aurelias Kristall. Eine genaue Beschreibung davon habt ihr ja. Also los!“
Die Freunde taten, wie ihnen geheissen und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis sie durch einen Kanal aus buntwirbelnden Farben gezogen wurden. Kurz darauf standen sie alle in einer kühlen Höhle mit einem kleinen See in der Mitte und einer Öffnung in der Decke. Das bereits etwas abendliche Sonnenlicht, fiel durch die Öffnung hinab, auf einen herrlichen, blauen Kristall, dessen Klarheit einzigartig war. Er wirkte fast wie ein riesiger Diamant, in dem sich der Schein der Sonne hundertfach brach. Die Turner Geschwister erinnerten sich an ihren ersten Besuch an diesem wundersamen Ort.
Am Rande des klaren Gewässers, das leise plätscherte, stand der geheimnisvolle, blaue Kristall! „Endlich, wir sind da!" riefen die Geschwister erlöst und zutiefst beeindruckt. „Ja und das buchstäblich in letzter Minute," bestätigte Lumniuz. „Schaut, die Sonne steht schon fast senkrecht über der Öffnung. Macht euch bereit!"
Schon trafen die ersten Sonnenstrahlen den Kristall. Sie drangen in sein Inneres ein und ballten sich zu einem leuchtenden Bündel zusammen. Je mehr Sonne den Stein erreichte, desto heller begann dieser zu strahlen. Wärme breitete sich in der kleinen Höhle aus. Bald stand den drei Freunden der Schweiss auf der Stirn. Als die Sonne schliesslich ganz senkrecht über dem Kristall stand, schien dieser förmlich zu explodieren! Gleissendweisse Strahlen wurden torpedoartig von ihm abgegeben und erleuchteten die ganze Umgebung. Pia, Benjamin und Lumniuz hielten sich geblendet die Hände vor die Augen. Die Helligkeit war fast unerträglich, ebenso auch die Hitze. Dieser Augenblick dauerte jedoch nur einige Sekunden, dann liess beides wieder nach.
Als die Freunde den Kristall erneut anschauten, sahen sie, wie dieser von Weiss wieder mehr ins Blau überging. Sein Anblick war herrlich, denn um ihn herum lag jetzt nur noch ein leuchtender Strahlenkranz. Fassungslos schauten sich die drei um. Überall blühten Blumen in allen Formen und Farben: Orchideen, Rosen, Lilien und viele mehr. Der glasklare See war übersät mit Seerosen und kleine, grüne Pflänzchen bildeten auf der Wasseroberfläche einen dichten Teppich. Es war atemberaubend, denn selbst aus den Wänden sprossen Pflanzen.
Damals hatte der Kristall erst durch die Sonne aktiviert werden müssen. Die geschah nur alle drei Jahre und dann öffnete sich durch ihn das Tor, ins Kristallreich. Da die Geschwister und ihre Freunde heute jedoch bereits die Sphärenwanderung beherrschten, mussten sie nicht auf den richtigen Zeitpunkt warten, bis sie das Kristallreich betreten konnten. Sie konnten sich ganz einfach dorthin teleportieren. Diesmal waren sie aber wegen etwas anderem gekommen, nämlich um Aurelia um Rat zu bitten, den uralten, mächtigen Geist, der den Kristall bewohnte.
Auf ihm ruhte nun ihre ganze Hoffnung.
„Wir sollten gemeinsam beginnen, Aurelia zu rufen,“ sprach Malek. „Legt alle eure Hände auf den Kristall und konzentriert euch darauf die Kristallfrau heraufzubeschwören.“
„Meinst du sie erhört uns?“ fragte Benjamin etwas unsicher.
„Sie muss einfach, ich weiss sonst wirklich nicht weiter,“ sprach Malek ernst. „Dann sollten wir uns aber tüchtig anstrengen,“ meinte Pia und alle konzentrierten sich mit all ihrer Kraft darauf, mit Aurelias Seele Verbindung aufzunehmen.
Malek rief: „Grosse Aurelia, Wächterin des Blauen Kristalls, bitte zeige dich uns! Wir brauchen dringend deine Hilfe!“ Nichts geschah und der Magier versuchte es erneut. Doch auch diesmal erfolglos.
„Bitte Aurerlia!“ flehte Pia „Wir brauchen ganz dringend deine Hilfe. Es geht um Leben und Tod. Die bösen Ritter haben das Medaillon! Wir wissen nicht weiter!“
Noch immer jedoch, liess der Kristallgeist sich nicht blicken.
Schliesslich wurde Benjamin ungeduldig und rief „Bei allen grossen Geistern des Omniversums, zeige dich endlich! Du kennst uns doch. Wir sind es, die Grossen Führer! Willst du etwa, dass das Omniversum untergeht!“
Wieder verstrich einige Zeit und die Freunde wollten schon die Hoffnung aufgeben, als der Kristall auf einmal hell zu leuchten begann. Eine kleine Lichtkugel löste sich nun von ihm und diese schwebte zu Boden. Gleich darauf formte sie sich zu einer wunderschönen Frau mit weissem Gewand und blauer Haut.
Sie schaute die Freunde etwas vorwurfsvoll an und fragte: „Was gibt es denn so Dringliches, dass ihr meine Ruhe stört!?“
„Verzeih grosse Aurelia,“ sprach Pia. „aber es handelt sich um eine Sache höchster Dringlichkeit.“
Aurelia blickte die Geschwister einem Augenblick lang prüfend an und auf einmal erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht. „Pia und Benjamin, die Grossen Führer! Ihr seid es wirklich! Ihr seid so gross geworden, dass ich euch beinahe nicht erkannt hätte! Wie viele Jahre ist das jetzt her? Mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen, dass ihr als 13 und
15- jährige Kinder, das erste Mal, bei mir wart. Aber für uns Geister vergeht die Zeit auch anders, als für euch. Was führt euch diesmal hierher?“
Die Geschwister berichteten alles was sich zugetragen hatte, während Manuel noch immer nicht glauben konnte, dass er so einen uralten Geist zu Gesicht bekam. Er konnte nicht umhin, tiefe Ehrfurcht zu empfinden. Die Turners hatten ihm erzählt, dass Aurelia so alt wie das Omniversum selbst war. Er konnte sich das kaum vorstellen.
„Das Medaillon wurde gestohlen?“ fragte Aurelia erschrocken.
„Ja, der Ritter, der es mir wegnahm, war unglaublich mächtig!“ sprach Pia verzweifelt. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er und seine Kumpane herausfinden, wie das Medaillon funktioniert und dann werden sie ziemlich sicher bei dir auftauchen!“
„Die Ritter kommen hierher!“ sprach Aurelia erschrocken. „Das könnte tatsächlich übel werden.“
„Du weisst bereits von ihnen?“
„Ja natürlich! Ihr Pesthauch von Krankheit, Krieg und Tod, ist bereits überall zu spüren.“
„Du darfst ihnen auf keinen Fall die Tore in andere Welten öffnen!“ beschwor sie Pia. „Sie sind abgrundtief böse und haben nur Vernichtung im Sinn.“
„Darüber macht euch mal keine Sorgen!“ beruhige sie Aurelia. „Die Reiter haben keine Macht über mich. Selbst wenn sie das Medaillon haben, so liegt es immer noch an mir, ob ich ihnen die Tore in andere Welten öffne. Das werde ich aber keinesfalls tun. Ich werde einfach im Kristall bleiben und dann können sie mir sowieso nichts anhaben.“
„Aber wenn sie den Kristall zerstören?“ fragte Benjamin zweifelnd. „Das ist nicht so einfach. Der geheimnisvolle, blaue Kristall steht unter einem besonderen Schutz. Sie könnten jedoch einen anderen, einen weitaus erfolgversprechenderen Weg finden, die Macht des Medaillons zu entfesseln.“
„Einen anderen Weg!?“ riefen die Freunde erschrocken.
„Ja, es gibt leider ein finsteres Pendant zu meinem blauen Kristall. Es handelt sich dabei um einen schwarzen Obelisken. Sein Geist schert sich herzlich wenig um Ehre, oder die Rettung des Omniversums. Vielmehr liebt er Chaos, Finsternis und Vernichtung, ebenso wie die Ritter. Darum wird er die Tore wohl öffnen, wenn die Reiter mit dem Medaillon zu ihm kommen. Auch wenn die Ritter bisher noch nichts von seiner Existenz wissen, so werden sie es herausfinden, wenn sie bei mir keinen Erfolg haben.
Der schwarze Obelisk ist genauso alt wie ich. Einst war sein Geist, ein Geist wie alle anderen Elementargeister, allerdings mit bösen Anlagen. Er richtete lange Tod und Verwüstung an, bis er schliesslich in jenem Obelisken gebannt wurde, um ihm dadurch Einhalt zu gebieten. Der böse Geist konnte sein Gefängnis nicht mehr verlassen und wurde sehr, sehr zornig. Mit der Zeit färbte sein Hass den Obelisken immer dunkler, bis er schwarz wie die Nacht war. Schliesslich, geriet seine Existenz in Vergessenheit. Ich bin eigentlich das Gegengewicht zu ihm.
Im Laufe der Jahrtausende jedoch, änderten sich meine Aufgaben etwas. Ich wurde nie mehr gebraucht, um die Sphären- Tore zu öffnen, da das Medaillon der vier Gewalten in alle Himmelrichtungen verteilt worden war, um einen Missbrauch seiner Macht, zu verhindern. Bis die Grossen Führer es nach ewigen Zeiten wieder zusammengefügt haben. Diese Tat sollte den Weg für eine erneute Vereinigung der Welten bereiten, wie es sie ganz zu Beginn, noch vor der grossen Trennung, gegeben hatte. Nun jedoch, da das Medaillon in den Händen der Finsternis ist, droht uns grosse Gefahr. Darum müsst ihr den Obelisken unbedingt finden und ihn zerstören, bevor die Ritter ihn finden.“
„Kannst du uns denn sagen, wo er sich genau befindet?“
„Nein, leider nicht.“
„Wobei wir wieder gleich weit wären, wie bisher,“ seufzte Benjamin.
„Lässt der Obelisk sich wenigstens irgendwie zerstören?“ „Ja, doch wie genau, das weiss leider auch ich nicht. Aber vielleicht kann ich euch auf andere Weise helfen.“ Aurelia hob ihre Hände und eine leuchtende Kugel bildete sich zwischen ihren Fingern. Während die Freunde beeindruckt dem Schauspiel beiwohnten, formte sich die Kugel nach und nach zu einem kristallenen Dolch.
„Nehmt ihn!“ forderte sie Aurelia auf. „Diese Waffe ist ein Teil des geheimnisvollen, blauen Kristalls und ebenso unzerstörbar wie jener. Weder Blitz noch Feuer, noch andere Gewalten, können ihm etwas anhaben. Wenn ihr damit zustecht, wir jeder Feind sofort sterben. Ich nenne diesen Dolch auch den Weissen Diamantdolch! Denn er ist so schön wie ein Diamant und ebenso stark wie dieser. Er soll mein Beitrag zu eurer, so unendlich wichtigen Mission, sein. Aber ihr dürft ihn nur in äussersten Notfällen gebrauchen.