„Wir danken dir, liebe Kristallfrau!“ sagte Benjamin dankbar. „Vielleicht haben wir mit diesem Dolch ja eine Chance die drei Ritter zu besiegen, oder zumindest zu schwächen. Eine Frage jedoch, hätten wir noch: Könntest du uns irgendeinen Rat geben, wie wir diese seltsame Seuche bekämpfen können, die sich gerade überall ausbreitet. Niemand weiss Rat, weder Magier noch Ärzte.“
„Die Seuche hat ihren Ursprung in der Macht des schwarzen Ritters. Die Kranken wurden mit der Kälte der absoluten Finsternis infiziert. Deshalb ist es, als ob sie innerlich erfrieren würden. Die Organe, der ganze Körper, funktionieren nicht mehr richtig. Übelkeit und unendliche Müdigkeit ist die Folge und schliesslich fallen die Patienten ins Koma. Irgendwann hört ihr Herz einfach auf zu schlagen. Es gibt nur etwas, dass diese Kälte wieder erwärmen könnte und das sind die Feuerblumen. Sie haben eine besondere Kraft.“
„Und wo findet man diese…Feuerblumen?“ fragte Benjamin und ein kleiner Funken Hoffnung, glomm in seinem Inneren auf.
„Sie wachsen nur an ganz heissen Orten. Vor allem im Inneren von Vulkanen. Im Reich des Feuers gibt es viele davon. Doch… ihr werdet nicht ohne einen besonderen Schutz dorthin gelangen. Ihr braucht etwas dazu, von dem ihr schon mal Gebrauch gemacht habt.“
„Die Gewänder der Klarheit!“ rief Pia.
„Gewänder der Klarheit?“ wollte Manuel erstaunt wissen, was ist das?“ Und die Geschwister wurden erneut von Bildern der Erinnerung eingeholt.
So machten sie sich also auf zur Bergspitze. Die Sonne war bereits am Untergehen und goss ihr goldenes Licht über die Landschaft aus. Tief atmeten Pia und Benjamin die frische Luft ein. Alles um sie herum kam ihnen plötzlich so unwirklich, so verzaubert vor. Es war ihnen als würde jegliche Last von ihnen abfallen. Sie spürten ganz klar, wie sie umschwebt wurden von den zarten Luftgeistern. Wie ein duftiger Frühlingshauch, aus einem herrlichen unsichtbaren Reich! Dichter Nebel senkte sich nun über sie herab und aus dem Nebel lösten sich drei zierliche Gestalten. Sie waren fast durchsichtig, mit wehenden Gewändern und Haaren wie Silberfäden. Ihre Augen schienen aus weiss-blauem Licht zu bestehen, ihre Haut erinnerte an hellen Alabaster und war unglaublich transparent. Ein wundersames Strahlen, ging von ihnen aus. Diese Wesen hatten nichts an irdischer Schwere mehr an sich. Sie schienen reiner Geist zu sein! Er gab für sie keine Schranken mehr und man hätte sie beinahe für Engel halten können. Die Geschwister jedenfalls, hatten noch nie etwas Schöneres gesehen. Die Sylphen trugen auf ihren Armen drei Gewänder, aus weissem durchschimmerndem Material. Es waren die Gewänder der Klarheit! Die Luftgeister sprachen: „Der Herr der Finsternis und seine Diener, werden euch nichts anhaben können, wenn ihr diese Gewänder tragt. Ihr habt sie euch redlich verdient. Sie werden euch vor dem Wahnsinn bewahren, wenn ihr durch die dunklen Räume der Unterwelt wandeln müsst. Vor euren eigenen Ängsten und Zweifeln allerdings, können sie euch nur bedingt schützen. Jedoch habt ihr bereits viele Prüfungen bestanden und innere Klarheit gefunden. Diese innere Klarheit werden die Gewänder unterstützen. Wir wünschen euch viel Glück!“ Mit diesen Worten überreichten sie die Gewänder an die Geschwister.
Dies war damals, ein ganz besonderer, einschneidender Moment im Leben der Geschwister gewesen. Nie hätten die zwei jedoch gedacht, dass sie diese Gewänder nochmals brauchen würden.
Sie wurden aus ihren Erinnerungen gerissen, als Aurelia sprach: „Doch wenn ihr die Gewänder auch bekommt, müsst ihr den Feuerkönig aufsuchen, denn er muss die Erlaubnis zum Pflücken der wertvollen Feuerblumen geben. Ausserdem müsst ihr sie dann auch noch transportieren, ohne dass sie ihre Macht verlieren. Das ist gar nicht so einfach. Ihr solltet deshalb die Feuergeister und vor allem ihren König, für euch gewinnen. Diese wissen bestimmt, wie man die Blumen transportieren kann.“
„Alles klar, dann versuchen wir das einfach mal,“ sprach Benjamin.
„Es tut mir leid, dass ich nicht mehr für euch tun kann Grosse Führer,“ sprach Aurelia, denn sie spürte dass die Geschwister sich mehr vom Besuch bei ihr erhofft hätten. Doch auch sie wusste nicht alles. Schon gar nicht, wie man diese dämonischen Ritter unschädlich machen konnte. Ihre Macht war, trotz ihres hohen Alters, doch beschränkt.
„Jedenfalls vielen Dank, liebe Kristallfrau!“ sprach Pia „der Weisse Diamantdolch wird uns bestimmt gute Dienste leisten.“ „Das hoffe ich sehr! Dann bleibt mir also nur noch, euch gute Reise zu wünschen und mögen die guten Geister stets an eurer Seite sein! Übrigens, die Pforte ins Kristallreich, steht für euch offen, ihr könnt sie gerne benutzen!“
„Dankeschön! Achte auch du gut auf dich, falls die Ritter dich aufsuchen sollten.“
„Da macht euch mal keine Sorgen! Ich würde eher sterben, als diesen Dämonen die Sphären- Tore zu öffnen! So lebt den wohl!
Ein Lichtblitz leuchtete auf und Aurelia war verschwunden!“
Zurück im Kristallreich
Benjamin
Einen Augenblick lang, schauen wir uns nachdenklich schweigend an. Wir hätten wohl alle etwas mehr, von unserem Besuch bei Aurelia, erwartet. Doch so ist das nun mal! Immerhin haben wir jetzt den unzerstörbaren Kristalldolch und wissen zumindest was wir brauchen, um dieser Seuche Herr zu werden. Nur wie wir genau zu diesen Feuerblumen kommen, steht auf einem anderen Blatt.
„Aurelia sagte uns, dass die Tür zum Kristallreich für uns offensteht!“ sprach Pia „Dann schauen wir doch mal nach!“ Wir blicken nach links und tatsächlich ist dort eine schmale Tür erschienen, die sonst nur alle drei Jahre aufgeht. Mein Herz klopft heftig, als ich an unsere allererste Reise, ins Kristallreich zurückdenke. Eine schmale Treppe führt, bei dem genannten Durchgang, nach oben.
Auf einer wundervollen, weiten Ebene kommen wir heraus, welche umsäumt wird mit, in allen Regenbogenfarben schillernden, Bergen. Manuel blieb wie vom Donner gerührt stehen und schaute sich um. Auf seinem Gesicht lag ein verzückter Ausdruck.
„Das hier… ist also das Kristallreich?“ fragte er. „Es ist… unbeschreiblich schön und es kommt mir alles so unendlich vertraut vor!“
„Es kommt dir vertraut vor?“ frage ich ihn neugierig.
„Ja und wie! Dabei war ich doch noch nie im Märchenland. Ich hatte schon ein ähnliches Gefühl beim Reich der Hundert Juwelen. Aber… hier… ist das Gefühl nochmals stärker.“
„Das ist eigenartig,“ meinte Malek. „Was es mit diesen Gefühlen wohl auf sich hat?“
Mir geben Manuels Worte sehr zu denken, denn warum kommt ihm diese Welt so vertraut vor?“ Ululala hätte bestimmt Rat gewusst. Wie schade, dass er nicht mehr lebt. Auch über mich brechen wundervolle Erinnerungen herein, als wir, angeführt von Malek, einen Hügel erklimmen, wo tausende von verschiedenen Blumen wachsen. Hier sind uns die zauberhaften Blumenelfen das erste Mal begegnet und schenkten uns eine Dose mit einem Wundersamen darin. Wenn man die Dose öffnete und auf die Erde legte, wuchs daraus eine riesige Pflanze. Diese Pflanze half uns einstmals, Maleks Schloss zu erreichen, welches damals noch streng von Dämonen und riesigen, gefährlichen Vögeln, bewacht wurde.
In einer düsteren, kargen Gegend fanden sie sich wieder. Wie in Nofrete’s Heimatwelt, lag auch hier über allem eine unheimliche Finsternis. Die Kinder fröstelten. Rundum waren unheimliche Laute zu hören. Auf einem hohen Berg, der vor ihnen aufragte, stand ein düsteres Schloss, mit hohen, schwarzen Türmen und Zinnen. Grosse Vögel, mit fledermausartigen Flügeln, umkreisten diese. Der Berg schien ein unüberwindliches Hindernis zu sein. Ratlos blickten Pia und Benjamin nach oben. „Das ist sicher Maleks Schloss," stellte der Junge fest. „Wir müssen dort rauf, aber wie?" Sie überlegten lange, umrundeten den Berg, um einen Aufstieg zu finden, doch das war gar nicht so einfach. Der einzige Aufgang, wurde von grässlichen Dämonenwächtern bewacht. Und auch die riesigen Vögel, schienen überall ihre Augen zu haben. Sie wollten einen Platz finden, welcher etwas versteckter lag und wo weder Wächter noch Vögel, sie entdecken konnten. Doch es gab nur einen einigermassen abgeschirmten Ort und bei diesem handelte es sich um eine, beinahe senkrecht emporsteigende Felswand, an deren Fuss, sich ein paar Bäume und Büsche befanden. Benjamin sprach resigniert: „Da kommen wir unmöglich rauf.“
Auf einmal, kam dem Mädchen etwas in den Sinn. „Ich hab's!" Sie holte die Dose der Blumenelfen hervor, legte sie am Fusse des Berges nieder und öffnete sie. In diesem Augenblick begann aus dem Samen eine mächtige Pflanze zu wachsen! Genauso wie es ihnen das Blumenvolk vorausgesagt hatte. Erstaunt beobachteten die Kinder, wie die Pflanze immer höher und dicker wurde. Bald hatte sie die Grundfesten des Schlosses erreicht und wuchs noch immer weiter. Erst als sie die Spitze des höchsten Turmes erreicht hatte, hörte sie auf zu wachsen. Benjamin jubelte: „Das war eine gute Idee Schwesterherz wenn auch nicht ganz unauffällig! Komm wir klettern schnell hinauf!“
„Ich kann es einfach nicht fassen!“ jubelte Pia „wir sind wieder hier, wir sind wieder hier!“
„Ja… ein schönes Gefühl!“ lächelte Malek. „Ich war auch schon länger nicht mehr da. Ich bin so gespannt, wie es Lumniuz und Hungoloz geht.“
„Oh ja! Ich auch!“ rief Pia und lief zu Manuel. „Nun, haben wir dir zu viel versprochen? Ist es nicht einfach herrlich hier?“
„Nein… Ihr hattet mit allem recht,“ erwiderte Manuel und seine Augen leuchteten. „Wenn du erst mal das Schloss siehst, es wird dich vom Hocker hauen!“
Ich lächle still und glücklich in mich hinein. Gerade ist es, als wäre Pia wieder das junge Mädchen von einst. Wie gut ich ihr das nachfühlen kann. All die Jahre, die vergangen sind… sie scheinen auf einmal wie weggewischt und es kommt mir vor, als wären wir erst gestern das letzte Mal hier gewesen. „Hast du die Blumenelfen schon irgendwo entdeckt?“ wollte Pia wissen. „Nein bisher noch nicht. Vielleicht verstecken sie sich.“
„Leider haben wir keine Flöte, mit der wir sie anlocken können. Lumniuz hatte damals eine Flöte und als er spielte, sind die Elfen aufgetaucht,“ erklärte meine Schwester, an Manuel gewandt.
„Hallo ihr lieben Blumenelfen! Wo seid ihr?“ rief sie dann laut. Eine Weile geschieht nichts und wir gehen einfach langsam weiter, als auf einmal helles Glockengebimmel hinter uns erkling! Wir drehen uns um und… sehen uns sogleich umringt von lauter kleinen, fliegenden Wesen, mit schillernden Flügelchen! Sie tragen Anzüge und Röcke aus Blumen und grünen Blättern. Alle scheinen sehr aufgeregt und plappern mit ihren zarten Stimmchen wild durcheinander.
„Die Grossen Führer! Es sind die Grossen Führer!“ hören wir sie sagen. Mit ihren grossen, dunklen Kulleraugen schauen sie uns, mit einer Mischung aus Freude und Ehrfurcht, an. Die Luft ist erfüllt von ihren schwirrenden Flügelchen und dem hellen Glockengeläute.
„Ich erinnert euch noch an uns?“ frage ich erfreut.
„Aber natürlich! So lange ist das nun auch wieder nicht her. Obwohl… ihr seid schon ziemlich erwachsen geworden. „Wir haben viel von eurem Heldenmut und euren Ruhmestaten vernommen.“
„Naja, nun lasst uns mal nicht so übertreiben,“ erwidere ich etwas peinlich berührt. „Jedenfalls hat der Wundersamen, den ihr uns letztes Mal geschenkt habt, uns wertvolle Dienste geleistet.“
„Ich habe die Dose sogar noch, ich habe sie mitgenommen!“ rief Pia und holte eine glänzende, blumenförmige Dose aus ihrem Beutel.
„Oh, es ist schön, wenn wir behilflich sein konnten!“ freute sich der Elfenmann, welcher die Gruppe vermutlich anführte. "Wenn ihr wollt, können wir euch die Dose wieder füllen!“
„Das wäre natürlich wunderbar!“ erwidere ich. „Irgendwann können wir den Samen bestimmt gebrauchen und sonst haben wir auf jeden Fall ein Andenken an euch.“
„Das ist sehr freundlich,“ sprach der Elfenmann und die anderen Elfen murmelten Worte der Zustimmung. „Wir wissen ja nicht, was noch auf uns zukommt. Wie ihr bestimmt bemerkt habt, stehen grosse Umwälzungen im Omniversum bevor. Es ist unsere grosse Hoffnung, dass ihr alles zum Guten wenden und die Welten in ein neues Zeitalter führen könnt. Darum möchten wir euch diesmal auch noch um einen Gefallen bitten.“
„Klar, wir tun was wir können!“
„Nun gut…,“ sprach der Elfenmann, „wir werden euch diesmal sogar mehrere Samen mitgeben. Zwei für die Dose. Diese sind jenem Samen gleich, welchen ihr das letzte Mal von uns erhalten habt, nur dass man sie zuerst in die Erde setzen muss, bevor sie spriessen können. Zusätzlich jedoch, geben wir euch noch ein Säcklein mit anderen Blumensamen mit. Es sind ganz normale Samen, von allen Blumen hier. Sie wachsen schnell, aber nicht so schnell, wie die Samen der Dose. Da wir nicht wissen, wie viele von uns Blumenelfen die Umwälzungen in der Welt überleben werden, möchten wir euch bitten, unsere Existenz in der neuen Welt zu sichern, indem ihr die Samen an einem geeigneten Ort einpflanzt.“
„Das werden wir mit Freuden tun!“ sage ich. „Die Dose werden wir euch gleich füllen,“ spricht der Elfenmann und schickt ein paar seiner Gefolgsleute mit dem Behältnis weg.