„Als wir uns das erste Mal sahen, war ich so aufgeregt wie vor einem Sprung aus 5.000m Höhe.
Ich konnte nicht atmen, mein Brustkorb fühlte sich an, als würde ein Zentner Steine ihn beschweren. Ich hörte meinen Herzschlag, der rasend und hart gegen meine Brust donnerte. Ich fühlte mich in deiner Gegenwart wie einer kleiner Teenager und so verhielt ich mich wahrscheinlich auch. 4 Stunden stand ich für dich im Bad. Versuchte mein glattes, stumpfes Haar für dich in Engelslocken zu verwandeln. Versuchte mich adrett zu schminken, einen dezenten Lippenstift zu wählen. Stand verzweifelt minutenlang vor meinen komplett überfüllten Kleiderschrank. Ich wusste, du warst jede einzelne Mühe wert. Schon Wochen vorher freute ich mich auf unser Treffen. Malte in meinen Tagträumen aus was wir wohl unternehmen würden. Ein kleiner Spaziergang durch den meist von Menschenmassen überfüllten Park? Oder ein kleines Eis in dem urigen Café nebenan als Abkühlung an diesem heißen Spätsommertag? Was hattest nur geplant? Was hattest du nur vor mit mir? Die Ungewissheit zerfraß mich innerlich. Wie lange sehnte ich diesen Tag schon herbei? Wie lange war ich schon in dich verliebt? Ich wusste es nicht mehr.“
Ein Geräusch ließ mich aufschrecken. Es war das grelle und schillernde Klingeln unserer Schulglocke. „Verdammt“ flüsterte ich mir leise zu. Schon wieder hatte ich nur von dir geträumt, wie mittlerweile fast jeden Tag. Schon wieder malte ich mir in meinem Kopf unser erstes Treffen aus, immer und immer wieder. In meiner Fantasie hatten wir bereits die 7 Weltwunder gesehen, Ozeane zusammen durchquert und den Himalaya bestiegen. Du warst immer bei mir und hieltest fest meine Hand. Doch die Realität sah leider anders aus. Dumme, naive Emily. Wie konntest du dich einen Menschen verlieben, der nicht einmal deinen Namen wusste? Der nicht einmal wusste, dass du überhaupt existierst? Hastig packte ich meine Sachen zusammen, um schnellstmöglich aus dem Raum zu stürzen. Und da standest du, lächelnd inmitten deiner Freunde. Es traf mich wie ein Schlag, meine Beine zitterten und ich war unfähig weiterzugehen. Wie vom Blitz getroffen stand ich nun da und starrte. Starrte dich einfach nur an. Worüber unterhieltet ihr euch? Vielleicht über eure Pläne für die nächsten Tage? Vielleicht über das Sommerfest, an dem die bornierte „Highsociety“ der Schule ihren großen Auftritt bekam? Ach ich vergaß...du gehörtest ja zu ihnen, zu den Überfliegern. Du hingst mit ihnen ab, verschwendest deine Zeit auf ihren Partys, lachtest über ihre einfallslosen und minderbemittelten Witze. Aber ich wusste, dass es nur Fassade war. Dass der Schein nur trügt. Du warst anders als sie, hilfsbereiter, humorvoller schlichtweg interessanter. Ich wusste, dass du mich eines Tages auch wahrnehmen würdest, dass du mich in der Masse dieser ausdruckslosen Gesichter irgendwann sehen würdest. Und dann könnte ich dir all diese Dinge sagen, die dich so wunderbar machten, so einzigartig.
Du liefst an mir vorbei, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Wie immer eigentlich. Wie lang sah ich dir noch hinterher? Mehrere Sekunden oder waren es doch schon Minuten? „Irgendwann siehst du mich...“ raunte ich leise, atmete tief durch und versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Was ich zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht ahnte: Du hattest mich sehr wohl gesehen. Du wusstest sehr wohl, dass ich existierte und auch wie mein Name war. Eigentlich wusstest du ihn schon immer. Ich konnte nicht ahnen, wie unsere Geschichte wirklich werden wird. Und dass ausgerechnet du der schlimmste Alptraum meines Lebens werden würdest.