En-Die schlug mehrfach gegen die Metalltüre, doch nichts geschah. Leila packte seinen Arm und hielt ihn davon ab, nochmal zuzuschlagen. "Es ist sinnlos!", rief sie. "Wir müssen Aang jetzt vertrauen!" En-Die gab nach und sank zu Boden. Seine Augen flammten auf, als er seinen Aurablick aktivierte, um in die Kammer zu blicken. Er erkannte Long Fengs schwarze und Aangs blaue Aura. Doch als er weiterblickte sah er eine weitere blaue Aura in dem Raum. ‚Das…das ist nicht möglich. Jet hat auch eine blaue Aura?‘, dachte der Schatten überrascht. Diese Aurafarbe ist die seltenste von allen. Er hatte es zuvor nicht geschafft, die falsche Aura von Jet zu entfernen und damals im Wald hatte er, wenn er ehrlich war, nie seinen Aurablick benutzt. Plötzlich wurde ihm klar, dass er nicht mal sagen konnte, ob er gerade Aang oder Jet ansah. Sie waren komplett identisch. Und dann sah er plötzlich, wie eine der blauen Auren auf Long Feng zuschoss, dann jedoch zu Boden ging und das Leuchten fast erlosch. En-Die schnaubte entsetzt. "Was? Was ist los?", fragte Sokka überrascht, als der Schatten mit einem Ruck aufstand und ein gewaltiger Windstoß von ihm ausging. En-Die antwortete ihm nicht, seine Augen leuchteten rot und seine Klauen wurden spitzer. Seine Zähne wurden länger und aus seinem Kopf wuchsen plötzlich zwei durchsichtige Hörner, in denen violette Energie knisterte. "Nein, bitte nicht jetzt", flüsterte Leila inständig. Der Mantel des Schattens versuchte vergeblich, ihn in eine metallene Rüstung zu sperren, um ihn aufzuhalten, doch En-Die selbst wurde plötzlich noch größer, als er sowieso schon war und sprengte den Stahl einfach auseinander. Aus seinem Rücken kamen spitze Stacheln und seine Gliedmaßen winkelten sich an, wie die eines Raubtieres. Das ganze Team blickte entsetzt auf ihren Freund, welcher nun auf allen Vieren dastand und ein Brüllen losließ, welches die ganze Höhle erschüttern ließ. Der Schatten schlug auf die Türe ein und Felsbrocken regneten von der Decke, die Toph gerade noch aufhalten konnte, bevor sie die anderen trafen. Die Türe bekam inzwischen Dellen und gab immer mehr nach, bis sie schließlich aus den Angeln flog.
En-Die drängte sich in den Raum und das Team stürzte ihm hinterher. Auf dem Boden lag Jet, schwer verwundet, Aang kniete neben ihm und Long Feng stand in einiger Entfernung. Doch all das nahm En-Die nicht wahr. Er sah alles nur mehr in verschwommenen Rottönen und preschte geradewegs auf Long Feng zu, den er als erstes erblickte. Der Erdbändiger wich aus und landete in einem Schacht, der unter der Decke in der Wand eingearbeitet war. "Sieh mal einer an. Endlich zeigt er wieder sein wahres Gesicht", meinte er grinsend. "Sein wahres Gesicht?", fragte Katara verwirrt. "Der letzte Schatten, von allen geliebt und geehrt. Doch in Wahrheit nichts weiter, als ein Monster, das versucht, sich zu verstecken. Genauso passierte es letztes Mal, als er hierherkam. Wie sonst denkt ihr, hätte ich irgendjemanden überzeugen können, den letzten Schatten, den großen Helden, nicht zum Erdkönig vorzulassen?" Leila sah ihn sauer an. "Ihr habt ihn und Sanchandra fast getötet, nur um ihn in dieses Ding zu verwandeln?", fragte sie wütend. "Ich habe allen nur sein wahres Gesicht gezeigt", meinte Long Feng scheinheilig. "Ihr irrt Euch! Die Schatten werden nur unter größter Verzweiflung zu diesen Wesen!" "Sicher, aber erkläre das mal jemanden, der sich nicht auskennt", höhnte der Anführer der Dai Li. "Ich glaube, ich werde mein Fasten heute beenden!", knurrte die Blutlose. "Kümmert euch lieber darum, dass ihr nicht auf seinem Diätplan landet", lachte Long Feng und lief davon. En-Die hatte sich ihnen inzwischen zugewandt und stürmte auf sie zu. Die Freunde konnten gerade noch rechtzeitig ausweichen und der Schatten prallte gegen die Wand. Wie ein wildes Tier brüllte er auf und schlitterte herum. "Kann mir jetzt bitte mal wer erklären, was genau hier los ist?", fragte Sokka verwirrt. "Das ist die letzte Form eines Schattens. Sie wird nur angenommen, wenn er absolut verzweifelt ist. Es ist einmal passiert, als wir damals auf Reisen waren, darum weiß ich davon. Ich wusste aber nicht, das Long Feng ihn damals auch in diese Form gezwungen hat", erklärte Leila rasch, bevor sie einem weiteren Angriff auswich. Der Schatten schlug mit seinen Klauen nach ihnen, dann entfesselte er eine Plasmawelle, als er mit seinen Vorderbeinen gleichzeitig aufstampfte. "Kümmert euch um euren Menschenfreund!", rief Leila. "Was wirst du machen?", fragte Aang. Leila knackte mit den Fingern. "Ich hole MEINEN Freund zurück", meinte sie. Ihre Augen leuchteten rot auf und sie machte einen Schritt in En-Dies Richtung. Ein Knall ertönte, dann war sie verschwunden. Smellerbee sah ungläubig auf die Stelle, wo das Mädchen gerade noch gestanden hatte. "Sie…sie hat die Schallmauer durchbrochen", flüsterte sie. Leila wirbelte um En-Die herum und packte ihn schließlich bei den Hörnern. Mit einem einzigen Schwung beförderte sie ihn gegen die nächsten Wand und der Schatten heulte laut auf. Doch er hatte keine Zeit, sich aufzurappeln, denn Leila war bereits wieder bei ihm und hielt seine Klaue mit nur einer Hand davon ab, auf sie niederzugehen. "Ich weiß, dass du noch da drin bist", flüsterte sie. "Ich will dich nicht wieder bewusstlos schlagen müssen." Die Augen des Schattens loderten wütend. Doch es war sinnlos, egal, wie sehr er strampelte, er konnte sich nicht aus ihrem Griff befreien. "Komm zu mir zurück En-Die", flüsterte sie sanft und strich mit ihrer freien Hand über seine Wange, die sich nun so anfühlte, als würde sie einen dicken Panzer haben. Der Schatten hörte auf sich zu wehren und atmete tief aus. "Ich brauche dich", hauchte das Mädchen und lehnte ihre Stirn an seinen nun riesigen Kopf. "Ich liebe dich." Mit diesen Worten gab sie ihm einen Kuss und En-Dies Augen flackerten von rot zurück auf violett. Rauch schien von ihm auszugehen, als er schrumpfte und wieder seine normale Gestalt annahm. Leila trennte sich erst von ihm, als er wieder normal vor ihr stand. "Leila", hauchte er. "Es tut mir so leid. Als ich gesehen habe, wie eine der Auren schwächer wurde und fast starb…" Sie legte ihren Zeigefinger an seine Lippen "Pssst, es ist okay. Es ist alles wieder gut", flüsterte sie und umarmte ihn. "Ich habe meinen Freunden nicht umsonst erzählt, dass du stärker bist als ich", meinte er und sie kicherte. Die anderen sahen ihn erleichtert an. "Was machen wir jetzt?", fragte Toph. "Ihr verfolgt Long Feng, wir bleiben bei Jet", meinte Smellerbee. "Seid ihr euch sicher?", fragte Katara zögernd. Longshot, der sich neben den Jungen hingekniet hatte, sah auf. "Es bleibt keine Zeit. Geht schon. Wir kümmern uns um ihn. Er ist unser Anführer", meinte er. Jet grinste angestrengt. "Du kannst ja doch reden Longshot", keuchte er, dann drehte er seinen Kopf mühselig zu Katara. "Geht schon Katara. Ich komm schon klar." Team Avatar nickte und lief zu Leila und En-Die. "Kannst du laufen?", fragte Aang seinen alten Freund. En-Die richtete sich zu seiner vollen Größe auf und ließ einen Pfiff los. Die Metallteile, die bis jetzt am Boden gelegen hatten, wurde zu Stoff, setzten sich zusammen und flogen zu dem Schatten. Bei ihm angekommen hüllten sie ihn ein, bis En-Die wieder von seinem schwarzen Mantel umgeben war, der wallte und flatterte, als würde Wind gehen. "Tut mir leid, alter Freund", meinte En-Die leise und der Mantel bauschte sich kurz auf, dann wurde er ruhig. "Ich kann", meinte er dann und Team Avatar lief los.
Draußen angekommen wurden sie von Long Feng und seinen Leuten umstellt. Zwei gewaltige Mauern schossen vor und hinter ihnen aus dem Boden, rechts ragte eine Steilwand auf und links rauschte das Wasser des Sees. Team Avatar stellte sich kampfbereit auf, doch dann erkannte Aang etwas aus dem Augenwinkel, das schnell auf sie zuflog. "Appa!", rief er begeistert. Der riesige Luftbison brummte und durchstieß die beiden Steinwände, als wären sie aus Pappe. Dann landete er vor seinen Freunden und fegte die Erdbändiger mit einem Luftstoß seines Schweifes zur Seite. Long Feng wollte den Bison noch angreifen, doch Appa schnappte ihn mit seinem Maul am Fuß und schleuderte ihn weit weg auf das offene Wasser des Laogai-Sees. Aang sprang auf den Kopf seines Bisons und kuschelte sich in sein Fell. "Appa, du bist wieder da!", rief er und Freudentränen rannen über sein Gesicht. Der Rest des Teams tat es ihm gleich und Appa schnaubte glücklich. "Ich hab dich so vermisst mein Freund", flüsterte Aang. En-Die trat zu ihm und legte ihm seine Klauenhand auf die Schulter. "Aang", meinte er und der Luftbändiger sah ihn an. "Ich denke, es ist Zeit, dass wir das tun, weswegen wir hier sind." Der Avatar nickte. "Diesmal wird man uns nicht aufhalten! Wir gehen zum Erdkönig!"
Kaum war der Bison abgehoben, kamen zwei Gestalten aus dem Inneren der Anlage. Es waren Zuko und Iroh. "Ich bin sehr stolz auf euch Zuko. Ich weiß es muss schwer gewesen sein, aber ich stolz, dass Ihr das richtige getan und den Bison freigelassen habt", meinte Iroh lächelnd. Zuko hinter ihm begann zu taumeln. "Onkel, ich fühle mich nicht so gut", meinte er, dann brach er zusammen. Das letzte, das er noch sah, war sein Onkel, der auf ihn zugestürmt kam und seinen Namen rief.