Der Mond schien hell am Himmel und die Sterne funkelten. En-Die hing von seinem Baum und blickte wachsam mit seinen violett leuchtenden Augen umher. Plötzlich bemerkte er, dass etwas auf ihn zukam. En-Die wich den Gesteinsbrocken aus, fing gleich daraufhin den Bumerang, den Sokka auf ihn geworfen hatte in der Luft und schleuderte ihn zurück, wobei der Junge gerade noch rechtzeitig zur Seite sprang und das Wurfgeschoss drei Bäume hinter ihm entwurzelte. "Vorsicht, das soll doch nur ein Trainingskampf sein!", rief der Wasserstammkrieger. "Tut mir leid!", antwortete der Schatten und wich gleich darauf Kataras Wassertentakeln aus, die nach ihm griffen. En-Die ließ eine Druckwelle los und zersprengte das Wasser, so dass es auf den Boden klatschte. In der kurzen Zeit, die die Wasserbändigerin brauchte, um es wieder in eine Form zu bringen, hechtete er vor und setzte sie außer Gefecht, indem er ihre Schulter antippte. Das war die Regel. Wer angetippt wurde, war raus. Er drehte sich zu Aang um, welcher ihm gerade eine Windböe entgegenstieß, die ihn gegen den nächsten Baumstamm schmetterte. Der Avatar lief auf ihn zu und bändigte das Wasser, welches auf dem Boden verteilt lag. ‚Nicht gut, ich muss ihn als erstes ausschalten, sonst habe ich wegen dem Wasser immer einen Nachteil‘, dachte der Schatten. Er hörte ein Surren hinter sich und wich gerade noch dem Bumerang aus, der auf ihn zuflog und nun stattdessen Aang traf. En-Die zögerte keine Sekunde, sondern sprang über den Luftbändiger hinweg und tippte ihm auf die Schulter. Als nächstes wandte er sich Sokka zu, doch bevor er bei ihm ankommen konnte hörte er jemanden hinter sich. "Hast du mich etwa vergessen?", fragte Leila und ließ ihre Hand auf ihn niedergehen. Doch sie traf ins Leere. Der Schatten hatte beschleunigt und sich außer Reichweite gebracht. Nun standen sich die beiden gegenüber. Sie wechselten kurz einen Blick, dann rasten sie aufeinander zu. Ihre Geschwindigkeit ließ es aussehen, als würden sie ab und zu verschwinden und woanders wiederauftauchen. "Toph, jetzt! Schnapp ihn dir!", rief Sokka, doch das Mädchen sah aus, als wäre es verwirrt. "Ich...ich kann nicht!", rief sie. "Sie bewegen sich zu schnell, ich kann ihre Vibrationen nicht wahrnehmen!" Inzwischen hatten sich die beiden auf einen Platz beschränkt, wechselten jedoch andauernd den Platz, während sie versuchten, hinter den anderen zu kommen. ‚Ich muss sie wohl austricksen, solange sie noch nicht ernst macht‘, dachte der Schatten und sein Mantel löste sich von ihm. Blitzschnell fuhr er hinter sie und das Mädchen drehte sich instinktiv um, doch En-Dies Mantel verblieb an derselben Stelle und tippte ihr auf die Schulter. "Raus!", rief En-Die grinsend. "Hey, das ist unfair!", beschwerte sich die Blutsaugerin. "In einem echten Kampf ist es auch nicht immer fair", meinte der Schatten und sie seufzte. "Von mir aus." Damit ging es weiter. Sokka stellte für En-Die kein Problem dar, er erledigte ihn schon nach kurzer Zeit. Toph jedoch, und das wusste er, war taffer. Der Schatten beschleunigte auf eine derart hohe Geschwindigkeit, dass sich Ebenbilder von ihm bildeten. Das Mädchen sah zu den verschiedenen Stellen, die die Vibrationen aussandten. "Was ist los Toph? Komm schon! Wer von uns ist echt?", hallte En-Dies Stimme von allen Richtungen. "Oder sind wir es alle?" Plötzlich verschwanden die Ebenbilder, als der Schatten langsamer wurde und auf Toph zukam. Doch die Erdbändigerin reagierte blitzschnell und ließ einen Felsen schräg aus dem Boden schießen, der En-Die in den Bauch rammte. Ächzend brachte er sich in Sicherheit, bevor sie zu ihm gelangen konnte. ‚Ich könnte mich ihr natürlich auf hoher Geschwindigkeit nähern. Aber ich fürchte, dass Toph so einen Aufprall nicht überleben würde.‘ En-Dies Hände begannen zu leuchten und gleich darauf ließ er eine Plasmabrunst los. Toph spürte die Vibration näherkommen und nutzte die Erde unter ihr wie ein Katapult, um darüber hinwegzuspringen. Darauf hatte En-Die gewartet. Sie sah ihn gerade nicht und konnte deswegen nichts tun. Er trat zurück in den Schatten eines Baumes und versank in eben jenem. Toph kam wieder am Boden auf und sandte ihre Sinne aus, um ihren Gegner zu finden, doch sie erkannte nichts. "Was zum?", stieß sie aus und horchte angestrengt. Sie ließ einen Felsbrocken vor sich aus der Erde wachsen, damit sie bereit war, etwas zu schießen, wenn sie En-Die wieder wahrnehmen würde. Vorsichtig bewegte sie sich um den Brocken herum. Und dann geschah es. Als sie auf der Seite angekommen war, wo der Brocken einen Schatten auf den Boden warf, kamen aus eben jenem plötzlich En-Dies klauenartige Hände und packten ihre Beine. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Der Schatten kam nun vollkommen zum Vorschein und tippte auf ihre Schulter. "Uuuund, du bist raus."
Toph saß missmutig dreinblickend neben dem Lagerfeuer. "Es tut mir wirklich leid", entschuldigte sich En-Die noch einmal. Sie blickte nicht mal in seine Richtung. "Ich wollte dir das Bein nicht verstauchen", versuchte er sie zu beruhigen, doch sie schnaubte bloß. "Toph", meinte Aang nun. "Er hat das doch nicht absichtlich getan." Sie seufzte. "Schon gut. Aber was machen wir jetzt? Ich sollte uns doch durch den Gang ohne Licht führen." Das Team sah sich eher ratlos an. "Können wir darin denn wirklich keine Fackel anzünden?", fragte Katara und En-Die schüttelte den Kopf. "Ausgeschlossen. Der Gang ist verhext. Licht zu machen ist da drinnen unmöglich", widersprach er. "Was, wenn wir drüberfliegen?", fragte Aang nun."Das haben wir besprochen. Dieser Gang führt unter einer der lebhaftesten Städte der Feuernation hindurch. Deswegen müssen wir ihn ja nehmen und können nicht fliegen", meinte Toph. "Wir könnten höchstens warten, bis Tophs Bein geheilt ist", schlug En-Die vor. "Ausgeschlossen!", rief Sokka. "Wir müssen da morgen durch, sonst schaffen wir es nie rechtzeitig bis zum Treffpunkt!" Leila räusperte sich nun. "Ich…ich könnte uns durchführen", meinte sie und alle sahen sie an. "Ich sehe auch bei absoluter Dunkelheit alles", erklärte sie. Die anderen sahen En-Die an. "Das könnte schon funktionieren", meinte der Schatten. "Ich weiß, ich habe schon mal gefragt aber passt Appa da wirklich durch?", fragte Aang nun und En-Die nickte. "Sanchandra hat durchgepasst, er wird auch durchpassen. Obwohl ich bezweifle, dass oben genug Platz sein wird, damit jemand im Sattel sitzen kann. Zumindest hat ihr Giftstachel auch an der Decke geschabt…nein im Sattel kann ganz sicher niemand sitzen." Katara runzelte die Stirn. "Wie bist du damals eigentlich alleine da durchgekommen?", fragte sie und En-Die lachte. "Du willst gar nicht wissen, wie oft ich irgendwo gegengerannt bin. Ich brauchte glaube ich einen ganzen Tag, bis ich auf die andere Seite gekommen bin. Aber ich wollte unbedingt testen, ob mein Plasma da drinnen auch nicht leuchtet, darum…naja…ich habe mir einige blaue Flecken geholt", erklärte er ihr und rieb sich bei der Erinnerung den Kopf. "Schöne Geschichte", murmelte Toph. "Und was ist mit mir? Wie komme ich hinüber, wenn ich nicht auf Appa sitzen kann?" Es war Aang, der ihr antwortete. "Ich werde dich tragen Toph", meinte er und sie sah ihn mit ihren blinden Augen überrascht an. "B-bist du sicher?", fragte sie und er nickte. "Natürlich. Wir werden dich wohl kaum hier zurücklassen", antwortete der Luftbändiger ihr. "Gut, dann ist es beschlossen. Wir brechen morgen auf, sobald die Sonne ihren Höhepunkt erreicht hat."
"Wow. Es ist wirklich stockdunkel", meinte Sokka und seine Stimme hallte in dem Gang nieder. "Willkommen in meiner Welt", meinte Toph. "Es gibt hier nur zwei Abzweigungen, die in Sackgassen führen", erklärte En-Die. "Wenn wir dort nicht falsch abbiegen, werden wir uns kaum verlaufen. Trotzdem sollten wir uns sicherheitshalber zusammenbinden." Gesagt getan. Nach wenigen Minuten hatten sie sich alle ein dickes Seil um die Hüfte gebunden, so dass sie sich gegenseitig nicht verlieren konnten. Leila übernahm die Führung, danach gingen Katara und Sokka. En-Die befand sich in der Mitte und Aang, der Toph Huckepack genommen hatte, ging als letztes, damit Appa, der das Schlusslicht bildete, auch wirklich nachkam. Der Bison brummte ängstlich und unzufrieden. "Ja mein Großer, du magst es nicht unter der Erde. Aber anders geht es nicht", beruhigte Aang seinen Freund, während sie durch den dunklen Gang tappten. Toph klammerte sich an den Jungen. "Toph, du musst keine Angst haben, ich lasse dich nicht fallen", meinte der Avatar nun, da er bemerkte, wie fest sie sich hielt. "Ich…ich habe keine Angst", meinte sie und wurde rot, war jedoch froh, dass niemand das sehen konnte. "Mir gefällt es nur nicht, dass ich momentan überhaupt nichts sehen kann." "Du bist nicht alleine!", ertönte Sokkas Stimme. Aang kicherte. "Das ist nicht witzig Hüpfdohle", grummelte sie. "Tut mir leid, tut mir leid", meinte er. "Du hast recht, es ist nicht schön, wenn man gar nichts sehen kann. Aber vertrau mir, ich bringe dich hier sicher durch Toph." Sie wurde erneut rot und diesmal war es schlimmer als zuvor. "Geht es dir gut? Du bist auf einmal so heiß", stellte der Luftbändiger fest. Tophs Kopf pochte. Sie hatte sich zu sehr aufgeregt, doch zugeben wollte sie das noch lange nicht. "A-alles gut", murmelte sie. "Wartet mal alle kurz!", rief Aang, blieb stehen, setzte sie ab und fühlte ihre Stirn. "Unsinn. Du bist wirklich knallheiß Toph", meinte er. "Katara, gib mir schnell das Wasser!" Das Mädchen gab ihren Wasserbeutel durch und Aang nahm ihn dankend an. Dann legte er beide Hände flach auf Tophs Stirn. "Was machst du denn da?", fragte sie ihn. "Ich werde dich besser fühlen lassen", meinte der Avatar und konzentrierte sich. Er hüllte seine Hände in das Wasser und sorgte mit einer Mischung aus Luftbändigen und Wasserbändigen dafür, dass sie kühl wurden. Toph schloss die Augen, als sich das wohlige Gefühl über ihren Kopf ausbreitete und sich dämmend über das Kopfweh legte. Sie spürte, wie ihr Körper sich entspannte und bald war das Kopfweh verschwunden. "Danke Aang", flüsterte sie und öffnete die Augen wieder. "Du musst mir nicht danken", widersprach Aang, der den Wasserbeutel bereits wieder zu Katara schickte. "Können wir weiter?", fragte Leila von vorne. "Mhm", antwortete Toph und Aang nahm sie wieder Huckepack. So setzte sich die Gruppe wieder in Bewegung und bald hatten sie es geschafft. En-Die schob sich an den anderen vorbei und öffnete die riesige schwere Steintüre. Licht schien von draußen, doch die Tür passierte es nicht. So schnell sie konnten verließen sie den Gang. Appa sprang vor Freude in die Luft, landete auf dem Rücken und streckte alle sechs Beine von sich. Die Sonne verschwand gerade hinter dem Horizont und tauchte die Landschaft in feuriges Rot. En-Die schloss die von außen mit unzähligen Runen beschriftete Tür wieder. "Wir haben es geschafft", meinte Katara erfreut. "Ja, das haben wir in der Tat", meinte der Schatten und wuschelte Leila durch die Haare. "Hey, lass das!", lachte sie. Aang setzte Toph vorsichtig auf einen Stein ab. "Danke Aang", meinte sie leise. "Kein Problem. Geht's dir jetzt wieder besser?", fragte er sie. "Ja", antwortete sie schnell. "Das freut mich. Ich glaube, das war nur die Aufregung, weil du nichts sehen konntest. Aber mach dir keine Sorgen, wenn das Kopfweh zurückkommt, dann sag es einfach und ich helfe dir", versprach er lächelnd. Toph fühlte sich nicht wohl, sie fühlte sich seltsam. War das wirklich noch der Luftbändiger, den sie kannte? Irgendwie benahm er sich...anders. "Ich…ich war hoffentlich nicht zu schwer für dich, Hüpfdohle", versuchte Toph ihn zu veralbern. Doch Aang reagierte nicht darauf, so wie er es sonst täte. Stattdessen meinte er nur: "Ich würde dich jederzeit wieder tragen."
Das Feuer knisterte und spendete Licht und Wärme. Doch die Erdbändigerin wollte all das nicht, sie wollte alleine sein und saß sie in einiger Entfernung auf einem Felsen. Ihre Gedanken kreisten. "Was ist los Toph?", fragte da eine Stimme und das Mädchen wäre fast in die Luft gesprungen. "En-Die! Du weißt doch, dass ich dich momentan noch schlechter spüren kann, als sonst, also erschreck mich nicht so!" "Tut mir leid", entschuldigte sich der Schatten. "Ich frage mich nur, was mit dir los ist. Schon klar, dass du momentan weder gehen noch sehen kannst ist natürlich nervig, aber ich glaube, es ist noch mehr. Was ist da zum Beispiel passiert, als Aang dich durch den Gang getragen hat?" En-Die sah sie fragend an und Toph spürte seinen Blick auf ihr. "W-was soll schon passiert sein? Nichts ist passiert. Warum musst du Aang ins Spiel bringen?" Der fragende Blick des Schatten wich einem Überraschten. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Du magst ihn", stellte er fest und sie wurde rot, woraus er schloss, dass er richtig lag. "W-was redest du denn für einen Blödsinn?", fragte sie ihn schrill und En-Die lachte. "Nana, komm etwas runter, sonst wundern sich die anderen noch", meinte er und sie wurde schnell still. "Es ist doch nichts schlimm daran, ihn zu mögen. Sogar Leila hat gesagt, dass ihr ein gutes Paar abgeben würdet." Toph seufzte. "Denkst du wirklich, dass es das ist, was ich fühle?", fragte sie ihn unsicher. En-Die erkannte das Mädchen vor ihm fast nicht wieder. "Nun, das lässt sich ganz leicht herausfinden", meinte er. "Ich hole Aang schnell her..." Weiter kam er nicht Toph hatte mit ihrem gesunden Fuß drei Steine aus dem Boden schießen lassen, die den Schatten einfingen, wie ein Schnappfalle. "Tu das nicht, tu das bloß nicht! Ich weiß nicht, wie ich mich aufführen werde!", zischte sie und er schmunzelte. "Deine Reaktion gibt mir bereits die Antwort auf deine Frage. Ja, ich denke, dass es das ist, was du fühlst." Toph sah ihn mit ihren blinden Augen groß an. Einige Sekunden vergingen, in denen keiner der beiden weiterredete. "Sag ihm kein Wort!", verlangte sie. "In Ordnung", versprach er. "Entscheide selbst, wann du bereit bist. Aber jetzt nimm diese Felsen endlich weg!"