"Vor vielen zehntausend Jahren lebten die Menschen ohne Angst und Krieg in Frieden und Harmonie. Doch dann griffen die Urwesen, die Elementals an, da sie die Menschen als Bedrohung für ihre Welt sahen. Sie kämpften wacker, doch es war die Zeit vor dem Bändigen und die Menschen hatten keine Chance, sich gegen die gottgleichen Elementarkräfte der Elementals zu wehren. Und so rückten die Elementals immer weiter vor, nicht mal die Geister konnten ihnen Einhalt gebieten. Doch die Menschheit sollte dieser Gefahr nicht allein gegenübertreten. Zum allerersten Mal erhoben sich die glorreichen Armeen meines Volkes, eine schier unendliche Zahl an Schatten rückte vor und stellten sich schützend vor die Menschen. Der Kampf war hart und mit hohen Verlusten auf beiden Seiten. Doch schließlich gelang es den Schatten die Elementals zurück in ihr außerdimensionales Reich zu drängen, wo ihr König schließlich fiel. Sie nahmen die vier Elementarsteine, die Quelle ihrer Macht an sich und brachten sie zu vier uralten Wesen, auf dass sie diese Macht schützen sollten. Die Löwenschildkröten. Damit begann die Zeit des Bändigens. Die erste Schlacht war geschlagen und die Schatten kehrten zurück in die Stadt der Ewigkeit am flammenden Berg. Dort blieben sie als Licht der Hoffnung und schienen über die Welt, auf dass diese Hoffnung niemals erlöschen sollte. So entstand der Spruch ‚Wo Schatten sind, ist auch Licht‘. Und obwohl sie für die nächsten Jahrtausende in das Reich der Mythen und Legenden der Menschen fielen, waren sie doch stets da und hätten die Menschen sie nochmal gebraucht, dann wären sie wiederkommen, um an deren Seite zu kämpfen, oder zu sterben."
"Also habt ihr Schatten den Löwenschildkröten das Bändigen gegeben", meinte Aang staunend. Das ganze Team saß um ein flackerndes Lagerfeuer herum und lauschte En-Die gebannt. Der Schatten lehnte an Sanchandra, in deren goldenen Panzer sich die Flammen wiederspiegelten und den ganzen Zeltplatz des Teams in ein wunderschönes Licht tauchten. "Das war lange vor meiner Zeit oder vor der Zeit meines Vaters. Doch die Legende wurde über all diese Generationen weitergereicht. Jahrtausende nach dieser ersten Schlacht verband sich Raava mit dem ersten Menschen und der Avatar wurde geboren. Die Schatten blieben am flammenden Berg, bis zu der Zeit von Avatar Li-Na. Sie war der erste Avatar, der jemals mit Schatten gesprochen hat. Und seit damals haben die Schatten geschworen dem Avatar zur Seite zu stehen, wann immer er sie brauchen sollte." "Und wie ist das geschehen?", fragte Toph neugierig. "Es war ein Unfall der unsere Schicksale miteinander verbunden hat", begann En-Die zu erzählen:
"Es war ein Tag wie jeder andere und einige Schatten sind an den Fluss gegangen, um zu fischen. Und wie es das Schicksal so wollte befand sich auch der Avatar Li-Na an diesem Fluss, wo sie mit ihren Gefährten Rast machte. Sie waren auf dem Weg zur Feuernation, wo Li-Na das Feuerbändigen lernen sollte. Bei den Schatten geschah indessen ein großes Unglück. Ein kleines Schattenmädchen, nicht älter als zwanzig Jahre, stürzte in den Fluss. Die Schatten mussten hilflos mit ansehen, wie der kleine Schatten langsam davongetrieben wurde. Sie liefen am Ufer entlang und hofften auf eine Gelegenheit, sie herauszufischen. Und es kam, wie es kommen musste. Li-Na hörte die verzweifelten Hilferufe des kleinen Schatten und eilte, obwohl ihre Gefährten ihr davon abrieten, zum Fluss, wo sich ihr dieses Bild offenbarte. Li-Na zögerte keine Sekunde und sprang in die Fluten, um dem kleinen Schatten zu helfen. Ohne Wasserbändigen schaffte sie es, das Mädchen in Sicherheit zu bringen. Der Anführer des Fischertrupps bat den Avatar, mit in die Stadt der Ewigkeit zu kommen, wo sie als erster Mensch seit Jahrhunderten einen Fuß hinsetzte. ‚Seid gegrüßt edle Fremde. Wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet, da Ihr unsere Jüngste gerettet habt‘, begrüßte der älteste Schatten sie. ‚Sagt mir, wie heißt Ihr?‘ ‚Mein Name ist Li-Na‘, antwortete Li-Na."
"Musst du wirklich die Stimmen nachmachen?", unterbrach Sokka seinen Freund. "Och, so klingt es doch viel spannender", verteidigte sich En-Die und alle lachten. "Okay, wo war ich? Ach ja!"
"‚Ihr beherrscht kein Wasserbändigen und riskiert dennoch Euer Leben im Todesfluss?‘, fragte der Älteste nach. Sie nickte. ‚Ich bin der Avatar. Es ist meine Pflicht den Leuten zu helfen, selbst wenn ich dafür selbst sterben muss.‘ Der Älteste verneigte sich. ‚Ihr habt den Dank der Schatten, Avatar. Ihr habt unseren Respekt. Wenn es jemals, egal in welchem Leben etwas geben sollte, wobei wir Euch helfen können, so ruft uns einfach. Wir stehen in Eurer Schuld.‘ Die Schatten verneigten sich vor Li-Na und sprachen diesen Schwur im Namen des flammenden Berges."
En-Die schloss seine Erzählung ab: "Dieses kleine Schattenmädchen und Li-Na wurden für ihr Leben lang Freunde und es gab nichts, was sie nicht gemeinsam machten, keinen Kampf, in den sie nicht zu zweit zogen." "Und darum bist du jetzt hier", meinte Aang. En-Die nickte. "Es ist einer der vielen Gründe", antwortete er. "Dieses kleine Schattenmädchen wurde die erste Botschafterin des flammenden Berges in der Welt der Menschen. Sie war eine sehr schlaue und geschickte Friedensstifterin." Der Schatten schwieg kurz, doch dann schmunzelte er und fügte noch hinzu: "Und sie war meine Ururgroßmutter." Das ganze Team sah ihn mit offenen Mündern an. Naja, Toph sah nicht, aber…naja ihr wisst schon. "Du nimmst uns doch auf den Arm", meinte Katara. "Nein, das ist die reine Wahrheit. Ich denke, dass ich von ihr meine Abenteuerlust geerbt habe", widersprach En-Die grinsend. "Sieh mal einer an. Du hast selbst mir noch nie wirklich etwas von deiner Familie erzählt", meinte Leila. "Es ist auch nicht gerade so, als könnte ich dich ihnen vorstellen. Zumindest nicht mehr als meine Freundin", murmelte der Schatten. "Ich kann mich dumpf an deinen Vater erinnern. Du hast ihn mir vorgestellt, als wir damals in die ewige Stadt zurückkehrten, nachdem du alle Elemente fertigstudiert hattest", erinnerte sich die Blutsaugerin. "Er wirkte ganz nett." "Er war ein engstirniger, alter Schatten", meinte En-Die. "Aber er hat trotzdem nie versucht mich aufzuhalten, als ich sagte, dass ich in die Welt ziehen wollte." "Und deine Mutter?", fragte Toph ihren Freund. "Ich habe meine Mutter nie kennengelernt. Sie starb, als ich geboren wurde", antwortete der Schatten ihr. "Schatten bekommen nur sehr selten Kinder, weil wir fast unsterblich sind. Mir wurde erzählt, dass es eine große Tragödie war, dass gleichzeitig jemand sterben musste, als endlich neues Leben kam." "Entschuldige, ich wollte nicht…" "Schon gut. Du konntest es ja nicht wissen. Aber für heute habe ich genug erzählt. Ich gehe schlafen." Damit stand der Schatten auf und entfernte sich mit Sanchandra einige Meter von dem Lagerfeuer, bevor er sich kopfüber an den Giftstachel des Skorpions hing. "Es ist schon selten, dass er etwas aus seiner Vergangenheit preisgibt", murmelte Sokka. "Ja stimmt. Und was machen wir jetzt?", fragte Aang. "Wie wäre es mit Gruselgeschichten", schlug Leila vor und ihre Fangzähne blitzten im Licht des Feuers auf. "Gute Idee", stimmte Sokka zu. "Ich fange an!"