Aang blickte über die Landschaft und kniff die Augen zusammen. "Ich sehe hier nichts, was einen Geist auch nur ansatzweise wütend machen könnte", meinte er. Sie waren in der vorletzten Nacht von einer alten Frau gefunden worden, die sie in ihre Pension eingeladen hatte. Am Vorabend hatte Hama, so wie sie sich vorgestellt hat, ihnen offenbart, dass sie eine Wasserbändigerin vom Südpol war, die vor langer Zeit in die Feuernation verschleppt wurde. Sie konnte sich als einzige aus dem Gefängnis befreien und lebte seitdem unerkannt unter den Bürgern der Feuernation. Als sie erfuhr, dass Katara auch eine Wasserbändigerin war, machte sie es sich zur Aufgabe, ihr alles beizubringen, was sie wusste. Währenddessen hatten sich Aang, Toph und Sokka im Dorf ein wenig umgesehen und erfahren, dass jeden Vollmond Menschen auf mysteriöse Weise verschwanden. Fest davon überzeugt, dass ein Geist etwas damit zu tun hatte, machte sich Aang nun mithilfe seiner Freunde daran, den Dingen auf den Grund zu gehen. "Vielleicht ist der Mondgeist auch einfach wütend geworden", schlug Toph vor, die hinter ihm stand. Sokka, der eben noch an einer Blume gerochen hatte, stand abrupt auf. "Der Mondgeist ist eine wunderschöne, sanfte und kluge junge Frau! Sie herrscht über den Nachthimmel mit Güte und einer Engelsgeduld!", rief er aufgebracht. "Schon okay Fleischkopf", beruhigte Toph ihn und ging zu Aang. "Was ist denn in den gefahren?", fragte sie ihn leise. "Naja, der momentane Mondgeist war Sokkas erste…Freundin", antwortete dieser und das Mädchen runzelte die Stirn. "Das ist eine lange Geschichte." In dem Moment kam ein Bauer vorbei und ersparte Aang somit weitere Erklärungen. "Hey, Entschuldigung!", rief der Avatar und der Mann drehte sich um. "Ja bitte?" "Wissen Sie irgendetwas über das Verschwinden der Leute hier?", fragte Aang ihn. "Ich persönlich habe keine Ahnung", antwortete der Bauer. "Aber der alte Ding behauptet, dass er einen Geist gesehen haben will." "Ach ja? Und wo finden wir diesen alten Ding?", fragte Sokka interessiert.
Katara und Hama standen auf einer Wiese, die über und über mit Feuerlilien bedeckt war. "Wenn du Wasserbändiger in einem fremden Land bist Katara, dann musst du dir Techniken überlegen, mit denen du auch hier immer ausreichend Wasser zum Bändigen hast. Sieh dir zum Beispiel diese Feuerlilien an. Sie sind nicht nur hübsch, sondern wie alles, was lebt, voll mit Wasser", erklärte Hama ihr. "Ich habe schon mal jemanden getroffen, der Pflanzen kontrollieren konnte, indem er das Wasser darin bändigte", meinte Katara. "Du kannst sogar noch ein gutes Stück weitergehen", meinte Hama und entzog den Blumen ihr Wasser, welches sich in der Luft um sie herum ansammelte. Mit einem einzigen Stoß schmetterte sie es auf einen nahen Felsen, welcher in kleine Scheiben zerteilt wurde. "Das ist ja unfassbar!", rief Katara begeistert. "Aber…um die Blumen ist es schade", meinte sie dann, als sie auf die ausgetrockneten Überreste der zuvor so schönen Feuerlilien blickte. "Ach, das ist doch nur Grünzeug", wehrte Hama mit einer Handbewegung ab. "Manchmal muss man Opfer bringen, um zu Überleben." "Interessante Einstellung", ertönte da En-Dies Stimme. Der Schatten stand in einiger Entfernung und beobachtete die beiden, sein Mantel waberte um ihn herum wie Nebel. "Was meinst du damit?", fragte Katara. "Bitte verzeiht, dass ich einfach so eurer Training unterbreche", entschuldigte sich En-Die, bevor er fortfuhr. "Opfer bringen, um zu überleben. Ich kannte schon ein paar Menschen, die sagten, dass die Starken Opfer bringen, wenn es den Sieg bedeutet. Ich glaube das nicht." Die beiden Wasserbändigerinnen sahen ihn fragend an. "Merke dir Katara: Die wirklich Starken finden einen Weg, ohne Opfer zu siegen", meinte der Schatten. "Wenn du wüsstest, was ich durchgemacht habe, dann würdest du verstehen", meinte Hama. "Vermutlich. Ich würde verstehen, warum du so denkst. Aber meine Meinung ändern würde ich trotzdem nicht", antwortete er ihr. Er pflückte eine der Feuerlilien, die überlebt hatten und betrachtete sie. "Denn wofür du unzählige dieser Blumen geopfert hast…", begann er und die Lilie leuchtete violett auf, als er Plasma aus ihr sog und in seiner anderen Hand ansammelte. Mit einem Knall feuerte den geformten Plasmaball auf einen der Felsen auf der Wiese und pulverisierte ihn. "…habe ich nicht mal eine benötigt." Damit setzte er die Feuerlilie in der Mitte ihrer braunen Schwestern in den Boden. Mit einer Handbewegung verteilte er ihr Plasma auf die anderen, die wieder grün und saftig wurden, während seine Lilie in der Mitte verwelkte. "Ein Opfer zu bringen ist nur dann in Ordnung, wenn man selbst es ist, der sich opfert, um andere zu retten. Nicht wenn man andere opfert, um sich selbst zu retten." Mit diesen Worten drehte sich der Schatten um und ging in Richtung Dorf davon. "Irgendwie hat er schon recht", murmelte Katara. "Vermutlich", stimmte Hama zu. "Aber heute Nacht werde ich dir noch eine ganz besondere Technik zeigen. Sie funktioniert nämlich nur bei Vollmond!"
Aang, Toph und Sokka liefen zu dem großen Berg, der neben dem Dorf lag. Der alte Ding hatte ihnen erzählt, dass er zwar keinen Geist gesehen hatte, doch von irgendetwas dazu gezwungen wurde, zu dem Berg zu gehen. Kurz bevor er in eine Höhle kam ging jedoch die Sonne auf und er konnte fliehen. Mit Schrecken hatte Toph sich daraufhin daran erinnert, in jener Nacht am Lagerfeuer Schreie unter dem Berg gehört zu haben, die sie damals als Einbildung wegen den vielen Gruselgeschichten abgestempelt hatten. Doch nun hatte keiner der drei mehr Zweifel, dass es die Menschen gewesen waren, die von der mysteriösen Kraft in den Berg gebracht worden waren. Sie hatten die Höhle bald erreicht und folgten Toph, die sich problemlos darin zurechtfand, bis sie zu einer eisernen Türe kamen, die die Erdbändigerin kurzerhand eintrat. Dahinter fanden sie viele Leute vor, die an Stangen gekettet waren. Sokka lief zum Ersten und befreite ihn von den Fesseln. "Wer hat euch das angetan?", fragte er entsetzt. "Sie…sie wirkt zwar…wie eine harmlose alte Frau, aber sie ist eine Hexe, die Menschen kontrolliert, wie eine Puppenspielerin", stöhnte der Mann. "Hama!", riefen die drei wie aus einem Munde. "Genau. Die alte Frau, der die Pension gehört." Sokka schluckte. Katara war gerade alleine bei ihr. Toph schien seine Gedanken gelesen zu haben, denn sie meinte: "Ihr beide, lauft zu Katara und helft ihr! Ich hole die Leute hier alle raus!" Aang sah sie zögernd an. "Ich komme nach", versprach das Mädchen und er nickte. "Na schön", gab der Avatar nach und die beiden Jungen liefen los. "Was war das denn eben?", fragte Sokka verwirrt. "Ach das…gar nichts", wehrte sein Freund ab und lief schneller.
Katara stand mit Hama zusammen im nächtlichen Wald und blickte die alte Frau entsetzt an. "Blutbändigen?", fragte sie ungläubig. "Es funktioniert nur, wenn der Vollmond am Himmel steht und deine Kräfte am größten sind", meinte die alte Frau. "So bin ich damals aus dem Gefängnis entkommen." Das Mädchen schüttelte energisch den Kopf. "Nein! Das mache ich nicht!", rief sie erbost. "Du musst!", rief Hama. "Du musst mein Werk fortsetzen und die Feuernation für alles bestrafen, was sie getan hat!" Kataras Augen wurden groß, als sie begriff. "Sie…Sie haben die Leute entführt", flüsterte sie. "Sie haben sie jeden Vollmond verschwinden lassen." Hama grinste. "Kluges Kind", meinte sie. "Sie haben es nicht anders verdient." "Das ist nicht wahr! Das sind doch nur harmlose Bürger hier! Ich werde nicht zulassen, dass Sie sie weiter terrorisieren!" Katara wollte angreifen, doch dann fühlte sie plötzlich, wie ihr Körper sich gegen sie wandte. Sie stand stocksteif da und konnte sich nicht mehr bewegen. Langsam wurde sie zu Boden gedrückt. "Du hättest die Technik lernen sollen, bevor du dich mir widersetzt", meinte Hama höhnisch. Tränen rollten über die Wangen der jungen Wasserbändigerin. Sie konnte nicht fassen, dass sie sich so in der alten Frau getäuscht hatte. Das Gras in ihrem Umfeld verlor Farbe und trocknete aus, als sie alles Wasser ansammelte, das sie finden konnte. Langsam stand sie auf. "Sie sind nicht die einzige, die Kraft vom Mond bezieht", meinte sie wütend. "Mein Bändigen ist stärker, als Ihres. Ihre Technik versagt bei mir Hama!" Damit feuerte sie einen Wasserstrahl auf ihre Gegnerin ab, welche ihn gerade noch aufhalten konnte. Hama entzog einem nahen Baum alles Wasser, so dass dieser in sich zusammenbrach und schleuderte es auf Katara, doch diese ließ es mit einer kunstvollen Bewegung um sich herumrotieren und sandte es dann zurück. Hama tat es ihr gleich, doch Katara hielt den Strahl auf und ließ das Wasser explosionsartig verdunsten. "Katara!", ertönte da eine Stimme in der Nähe und das Mädchen erkannte Aang und Sokka, die angelaufen kamen. Gemeinsam umkreisten sie die alte Frau. "Geben Sie auf Hama! Wir sind in der Überzahl!", meinte Sokka. "Oh nein! Das werde ich ganz schnell ändern!", rief ihre Kontrahentin wütend. Urplötzlich drehten sich Aang und Sokka zu Katara und griffen sie an. "Woah! Vorsicht Katara!", rief Sokka und das Mädchen wich ihm und Aang aus. Geschickt setzte sie ihren Bruder außer Gefecht und fror Aangs Hand dann am nächsten Baum fest. "Tut mir leid!", rief sie. "Ist kein Problem", meinte der Avatar grinsend. "Du musst deine Freunde nicht verletzen Katara! Sie verletzen sich nämlich gleich gegenseitig!", rief Hama. Mit einem gewaltsamen Ruck brach sie Aang von dem Eis los und brachte Sokka in die Luft. Die beiden Jungen flogen aufeinander zu, Sokkas Schwert war auf Aang gerichtet. Doch kurz bevor sie sich erreichten, bekamen sie ihre Körper wieder unter Kontrolle. Verwirrt sahen sie sich um und erkannten, dass Katara Hama mit ihren eigenen Waffen geschlagen hatte. Mit Tränen in den Augen bändigte sie das Blut der alten Frau, die sich nun nicht mehr wehren konnte. Sie kniff die Augen zu, um ihre Tränen zu verbergen, als sie plötzlich eine sanfte Hand auf ihrer Schulter spürte. "Es ist okay Katara, es ist okay", flüsterte Leila ihr ins Ohr. Die Wasserbändigerin öffnete überrascht die Augen und bemerkte, dass die Blutsaugerin neben ihr kniete. Sie drehte sich zu Hama und erkannte, dass En-Die, der in seine Rüstung gehüllt war, sie ihm Fesselgriff hielt. "Du kannst aufhören Kleines", beruhigte er sie. "Ich hab sie." Vollkommen fertig ließ Katara von Hama ab. "Wo wart ihr?", fragte Sokka den Schatten. "Wir waren im Dorf und haben euch gesucht, als Toph wie die Wilde auf uns zu gerannt kam", erklärte Leila, während sie weiter über Kataras Kopf strich. "Sie rief uns zu, wir sollen in den Wald laufen und sie würde die Dorfbewohner holen." In diesem Moment schallten erneut Rufe durch den Wald und das Team konnte Toph sehen, die mit den Dorfbewohnern zu ihnen lief. "Ich bin so schnell wie nur möglich gekommen. Zum Glück musste ich es ihnen nicht lange erklären", meinte sie. Einige Männer nahmen En-Die die alte Wasserbändigerin ab. "Dafür wirst du sehr lange sitzen Hama", meinte einer von ihnen. "Mein Werk ist vollbracht", meinte diese grinsend. "Herzlichen Glückwunsch Katara! Du bist eine Blutbändigerin." Sie wurde abgeführt, während das Mädchen anfing zu weinen. "Ich…ich bin ein Monster", schluchzte sie. En-Die, dessen Rüstung nun wieder zu Stoff wurde kniete sich vor ihr hin und hob ihren Kopf am Kinn hoch, so dass sie ihn ansah. "Du bist kein Monster", meinte er bestimmt. "Aber so eine grausame Bändigungstechnik…", begann sie, wurde jedoch von dem Schatten unterbrochen. "Bändigen kann nicht grausam sein Katara. Gutes Bändigen in den Händen böser Menschen verursacht böse Dinge. Es liegt an dir, wie du eine Technik einsetzt." Sie sah in seine violett leuchtenden Augen, die sie gutmütig anblickten, dann richtete sie ihren Blick auf die anderen, die ihr ermutigend zulächelten. Das Mädchen nickte langsam und flüsterte: "Danke."