Aang saß im Schneidersitz auf der Klippe und meditierte im Mondlicht. Es waren nur noch drei Tage, bis die Invasion in die Feuernation stattfinden sollte und der Avatar konnte vor Aufregung kein Auge zu tun. Albträume hatten ihn die ganze Nacht über wachgehalten, bis er es schließlich aufgegeben hatte, schlafen zu wollen. Nun versuchte er, sich irgendwie zu beruhigen, als er plötzlich bemerkte, dass jemand hinter ihm stand. Mit einem Ruck drehte er sich um und erblickte… "Toph!", rief er überrascht. "Nicht so laut, die anderen schlafen noch", zischte sie und er schlug sich schnell beide Hände auf den Mund. "Was ist denn los?", fragte sie schließlich und kam zu ihm an den Klippenrand. "Ich…ich kann nicht einschlafen", antwortete er und sie grinste. "Hätt ich nie gemerkt", witzelte sie und er zog einen Schmollmund. "Es ist wegen der Invasion, habe ich recht?", fragte sie dann etwas sanfter und der Luftbändiger nickte. "Ich wusste, dass ich dem Feuerlord irgendwann gegenübertreten muss. Ich wusste es immer. Aber jetzt, wo es soweit ist, da weiß ich nicht, ob ich bereit dafür bin", murmelte er. Toph boxte ihm gegen die Schulter. "Du packst das", meinte sie zuversichtlich und er rieb sich die Stelle mit schmerzverzerrtem Gesicht. "Wenn du Angst hast, dann vergiss nicht, dass wir immer bei dir sein werden", fuhr sie fort. "Wir werden dich nicht im Stich lassen." Und damit überwand sie die letzten Zentimeter zwischen ihnen und gab dem überraschten Jungen einen Kuss. Als sie sich voneinander lösten blickten sie glücklich in die Augen des anderen, selbst wenn Tophs Augen nicht funktionieren mochten. "D-du weißt auch, dass ich nie von deiner Seite weichen werde, oder?", fragte das Mädchen und errötete leicht, woraufhin er grinsen musste. "Das weiß ich", antwortete er und umarmte sie. "Du bist wirklich unglaublich Toph", flüsterte er und sie lächelte, erfreut dass sie ihn aufheitern hatte können.
En-Die saß auf Sanchandras Rücken und sah sich die Pläne für Appas Rüstung durch, die Sokka entworfen hatte. "Ziemlich beeindruckend", meinte er und der Wasserstammkrieger grinste zufrieden. "Und du bist dir immer noch sicher, dass du Sanchandra keine verpassen willst?", fragte er selbstgefällig, woraufhin der Schatten lachen musste. Mit seinen Krallen klopfte er gegen den Panzer des goldenen Skorpions, welcher ein metallisches Geräusch von sich gab. "Nichts kann Sanchandras Chitinpanzer durchdringen. Sie war schon damals, als es noch andere gab, der älteste goldene Skorpion. Ihr Panzer wehrt Klingen, Pfeile und Elementarattacken ab", erklärte er und das riesige Tier klackte stolz mit ihren Kieferzangen. "Wenn du meinst", meinte Sokka und widmete sich wieder den Stahlplatten, an denen er gerade arbeitete. "Weißt du, ob Aang bald zurückkommt, ich würde ihm gerne zeigen, wie die Dinger jetzt aussehen?", fragte er dann. "Du bist auf dem Holzweg, wenn du denkst, dass er vor heute Abend zurückkommen wird", antwortete En-Die ihm. "Oder eher, auf dem Steinweg." Sokka sah ihn verwirrt an. "Er ist mit Toph zusammen unterwegs", beantwortete Leila, die gerade mit einem Stapel Feuerholz ins Lager zurückkehrte die unausgesprochene Frage des Jungen. Dann sprang sie zu dem Schatten hoch und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. "Die beiden sind in letzter Zeit ziemlich viel zusammen unterwegs", murmelte Sokka inzwischen und En-Die grinste. "Du merkst aber auch alles, Detektiv Sokka", meinte er und der Junge sah ihn nachdenklich an. "Willst du etwa andeuten…", begann er. "Ich will überhaupt nichts andeuten und wasche meine Hände in Unschuld…wenn ich Wasser berühren könnte", unterbrach sein Freund ihn und widmete sich wieder den Plänen. "Wie lange noch, bis die Flotte hier eintrifft?", fragte Leila nun, um vom Thema abzulenken. "Ungefähr zwei Tage", antwortete Sokka ihr. Das Mädchen nickte, dann steckte sie ihre Finger in den Mund und ließ einen gellenden Pfiff los. Im nächsten Moment wackelte der nächste Baum und eine Schar Fledermäuse erhob sich in die Luft. Über dem Lager sammelten sie sich, wie eine schwarze Wolke und eines der Tiere landete auf Leilas Hand. Die Blutsaugerin flüsterte der Fledermaus etwas zu, dann entließ sie sie wieder in die Lüfte und der ganze Schwarm flog in Richtung Norden davon. Sokka brauchte noch kurz, um sich von dem Schreck zu erholen, dann starrte er Leila mit einem Blick an, der mehr sagte, als tausend Worte. "Du wirst dich einmal in deinem Leben gedulden müssen", meinte das Mädchen schelmisch, dann sprang sie von Sanchandras Rücken und spazierte davon. En-Die blickte ihr noch schnell hinterher, dann entschloss er sich offenbar, dass er auch noch etwas zu erledigen hatte.
Katara ging durch den abendlichen Wald und lauschte den Grillen, die laut zirpten. Über sie flog ein Schwarm Fledermäuse hinweg und verschwand gleich darauf aus ihrem Blickfeld. Die Wasserbändigerin genoss den Moment der Ruhe. Doch lange war er ihr nicht vergönnt, denn gleich darauf hörte sie in einiger Entfernung Stimmen. Vorsichtig duckte sie sich und überlegte kurz, was sie tun sollte, bevor sie sich entschloss, den Geräuschen zu folgen. Sie kam bald an eine Lichtung, wo sie niemand geringeren vorfand, als Toph und Aang. "Etwas höher noch Hüpfdohle!", kommandierte die Erdbändigerin und Aang katapultierte einen Felsbrocken in die Luft. "Noch höher!", rief Toph und der Avatar schnaufte. "Weißt du, mir ist gerade eingefallen, dass du eigentlich gar nicht mehr spüren solltest, wo der Felsbrocken ist, so hoch wie ich ihn inzwischen werfe", meinte er und sie grinste ihn an. "Ich wollte nur abwarten, wie lange du brauchst, um das zu checken", kicherte sie. "Mann Toph, ich stehe hier inzwischen schon seit fünfzehn Minuten!", rief der Luftbändiger frustriert, woraufhin das Mädchen lachen musste. "Tja, ich kann nichts dafür, dass du so langsam bist", neckte sie ihn. Aang sah sie genervt an, doch dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. "Ich kann dir einfach nicht böse sein", meinte er und trat zu ihr. Für einen Moment standen sie sich nur gegenüber, doch dann kamen sie näher an das Gesicht des anderen heran und… "Knack!" Das Geräusch schreckte Katara auf und sie drehte sich instinktiv um. Hinter ihr stand die riesenhafte Gestalt von En-Die, sein Mantel waberte um ihn herum und seine violetten Augen leuchteten ihr in der Dunkelheit entgegen. "Sieh mal einer an, wen man aller im Wald findet", meinte der Schatten und das Mädchen beruhigte sich langsam wieder. "Du hast mir fast einen Herzinfarkt verpasst", meinte sie. "Interessant. Warum das denn? Habe ich dich etwa bei etwas erwischt, das du lieber nicht getan hättest?", fragte er sie und sie trat verlegen von einem Fuß zum anderen. "Nein, gar nicht", murmelte sie und er schüttelte fassungslos den Kopf. "Man beobachtet niemanden heimlich Katara! Erst recht keine Freunde!", meinte er streng. "Ich glaube kaum, dass Toph und Aang so weit gegangen sind, damit sie dann von dir bespitzelt werden können!" Die Wasserbändigerin drehte sich um und erkannte, dass die beiden inzwischen weg waren. "En-Die, was sie da am Ende gerade machen wollten…", begann sie, doch der Schatten brachte sie mit einem Blick zum Schweigen. "Es geht nur sie etwas an und niemanden sonst", meinte er. "Und jetzt komm, bei der Dunkelheit solltest auch du nicht mehr alleine hier herumlaufen. Nicht auszudenken, was für Viecher in diesem Wald hausen könnten", schimpfte er vor sich hin, während er voranging. Katara folgte ihm zögernd. Sie wusste, dass er recht hatte, aber trotzdem wollte sie nun unbedingt wissen, was Toph und Aang hier getan hatten. Sicher nicht nur trainiert, dessen war sie sich sicher. Doch fürs erste konnte sie nichts anderes tun, als hinter ihrem Freund herzugehen, während er sie zurück zum Lager führte.
Die restlichen Tage vergingen wie im Flug. Die kleine Rebellenflotte war wie geplant angekommen und die Krieger hatten gerade dem Vortrag zugehört, der ihnen den Plan erklärte. "Wir sind nicht gerade viele", meinte Hakoda der Vater von Katara und Sokka. "Aber wir werden kämpfen, bis zum letzten! Am Tag der schwarzen Sonne wird Azulon fallen!" Aang, der sich inzwischen endlich wieder seine Haare rasieren hatte dürfen, kam zu ihnen. "Wir werden es schaffen", meinte er und seine Freunde nickten. Während die Kinder weiterredeten begab sich Hakoda zu En-Die, der das Treiben aus einiger Entfernung beobachtete. "Ihr wirkt sehr zuversichtlich", meinte der Schatten, als er den Mann erblickte. "Ich habe Angst", gestand dieser. "Aber ich muss unseren Männern Mut machen." "Ihr fürchtet, dass wir verlieren", erkannte En-Die und Hakoda nickte. "Zumindest haben wir den Avatar und Euch an unserer Seite", murmelte er und der Schatten grinste. "Selbst wenn man nichts mehr hat, kann man noch Hoffnung haben. Und ich glaube, dass wir noch viel mehr auf unserer Seite haben", meinte er. Bevor der Wasserstammanführer fragen konnte, was er damit meinte, ertönte ein lautes Horn, welches durch die Bucht schallte, in der die Flotte angelegt hatte. Alle brachen ihre Arbeiten ab und sahen sich um, um herauszufinden, woher das Geräusch kam. "Pünktlich wie immer", meinte En-Die zufrieden. Auf dem Hang, der in die Bucht führte, tauchte eine Gestalt auf, dann zwei, dann drei und immer mehr, sie alle trugen schwarze Kapuzen. Unzählige berittene Kämpfer kamen über die Kuppe und ritten in die Bucht hinunter. Hakoda sah, dass ein kleines Mädchen sich von der Truppe seiner Kinder löste und ihnen entgegenging. Die Armee donnerte in die Bucht, bis sie schließlich mit lautem Rufen vor ihr zum Halten kam. Das Straußenpferd des vordersten Kämpfers tappte unruhig hin und her. Der Reiter hatte in seiner rechten Hand einen silbernen Stab mit einem Rubin an der Spitze, in der linken Hand hielt er die Zügel eines Tieres, welches Hakoda noch nie zuvor gesehen hatte. Es war ein Pferd mit Fledermausflügeln. Das Mädchen wechselte ein paar Wörter mit dem Mann, dann übergab er ihr den Stab. Mit einem Blick auf seine Krieger erkannte der Wasserstammanführer, dass sie ebenso überrascht waren, wie er. Als er seinen Blick wieder auf das Mädchen richtete erkannte er, dass sie inzwischen auf ihn und En-Die zukam. Kurz vor ihm blieb sie stehen und klackte mit dem Stab auf den Boden. "Hakoda, Anführer der Krieger des südlichen Wasserstammes!", rief sie. "Ich bin Leila die Blutlose, Königin des Nordens!" Der Mann sah sie ungläubig an. Eine Blutlose? Warum hatten seine Kinder ihm nichts von ihr erzählt? "In meiner Stadt herrscht tiefer Friede zwischen den Menschen und den Blutsaugern! Doch die Freiheit, die das Recht aller Wesen sein sollte, wird überall sonst von der Feuernation bedroht! Und darum ziehen wir heute im Namen der Freiheit gegen sie in den Kampf!" Hinter ihr jubelte die neue Armee. "Vor vielen Jahren kämpften wir Seite an Seite mit den Menschen des Erdkönigreiches, um Gaoling zu retten! Lasst uns nun Seite an Seite mit euch kämpfen, um euch zu beschützen!" Hakoda sah sie an. Es bestand gar kein Zweifel, dieses Mädchen war eine Blutsaugerin. Die Art, wie sie sich ausdrückte, wie diese Armee hinter ihr stand, wie sie sich präsentierte…das könnte ein Mädchen nicht. Er streckte ihr die Hand entgegen. "Ich fühle mich geehrt, an der Seite Eurer Krieger zu kämpfen!", meinte er und die Armee des Nordens, wie auch die Krieger der Rebellen jubelten laut. Leila grinste ihn zufrieden an, wobei ihre spitzen Eckzähne aufblitzten. Hakoda drehte sich zu En-Die um, doch der Schatten war verschwunden. "Ihr hattet recht. Vielleicht haben wir ja doch eine Chance."