Ein junger Mann ging an ihr vorbei und sah sie seltsam an. Hatte sie etwa etwas zu laut gesprochen? Nicht das erste Mal das ihr das passierte.
"Hast du ihn gesehen?", fragte Felix noch einmal nach.
Jetzt sehr viel leiser und unauffälliger sprach sie,
"Ja, natürlich. Aber was soll ich machen. Wir stehen auf einem Bahnhof, hier sind zu viele Leute."
Der Zug fuhr ein und sie steuerte auf die Tür zu. Da wurde Felix ungehalten.
"Und jetzt willst du ihn einfach weiter machen lassen?"
Sie reagierte nicht auf ihn.
"Hallo?"
Immer noch keine Reaktion ihrerseits. Langsam wurde Felix wütend und laut.
"Du kannst ihn nicht einfach ignorieren. Komm zurück und kümmre dich darum. Hörst du mir überhaupt zu Kylie? Hey, geh nicht einfach weiter."
Doch sie drückte sich mit den anderen Leuten in den Zug und suchte sich einen Platz. In ihre Sitzgruppe setzte sich noch ein Mann der sofort hinter seiner Zeitung verschwand. Kylie sah sich um, doch Felix war nirgends zu sehen. Die Türen schlossen sich und der Zug setzte sich in Bewegung. Sie schaute aus dem Fenster und sah die Landschaft an sich vorbei fliegen.
"Ich bin dir böse, weißt du das?"
Kurz schaute sie zu Felix der jetzt neben dem Mann mit der Zeitung saß. Dann blickte sie wieder aus dem Fenster.
"Warum hast du das gemacht?", fragte Felix maulend nach.
Genervt schaute Kylie ihn an.
"Nein ehrlich, warum hast du ihn laufen lassen.", hakte Felix noch einmal nach.
Mit aufgerissenen Augen schaute sie auf den Mann hinter der Zeitung. Felix verschränkte die Arme.
"Natürlich hast du jetzt eine Ausrede mir nicht Rede und Antwort zu stehen."
Für kurze Zeit war Stille. An der nächsten Haltestelle stieg eine Frau ein die sich auf Felix setzten wollte. Kylie hob die Arme und rief "Vorsicht!", doch fiel ihr ein das ja nur sie Felix sehen konnte. Sie hatte sich schon so an die ständige Gegenwart von Felix gewöhnt das sie manchmal vergaß das er kein Mensch war. Oder zumindest nicht mehr.
Mit großen Augen und ziemlich verwirrt sah die Frau Kylie an. Auch der Mann schaute jetzt halbwegs hinter seiner Zeitung hervor. Kylie lächelte nur und wischte über den nun leeren Sitz.
"Ähh, ich dachte ich hätte da etwas funkeln gesehen. Ich wollte nicht das sie sich auf eine Scherbe oder ähnliches setzen."
Die Frau ging jetzt ein wenig ängstlich drein blickend ein paar Schritte rückwärts, drehte sich um und suchte sich einen anderen Platz. Der Mann verschwand wieder hinter seiner Zeitung und Kylie ließ sich wieder auf ihren Sitz fallen. Es durchzuckte sie wie ein Blitz als Felix direkt neben ihrem Gesicht auftauchte und fragte,
"Was war das denn?"
Zum Glück hatte der Mann nichts von ihrem Zucken mitbekommen.
"Du solltest dich unauffälliger verhalten.", belehrte Felix sie.
Leise flüsternd maulte Kylie,
"Dann hör auf mich so zu erschrecken."
"Aber ich liebe es so wenn du zuckst als hättest du einen Zitteraal berührt.", sagte Felix und lachte ein wenig. In solchen Momenten wünschte sie sich sie könnte ihn berühren um ihm einen Klaps auf den Hinterkopf zu geben. Nach einer ganzen Weile des Schweigens war sie endlich angekommen. Als sie aus dem Zug raus war ging sie gleich zur Bushaltestelle. Der Bus war zum Glück leer, mit dieser Linie fuhren nicht viele Leute. Sie steuerte einen Sitz sehr weit hinten im Bus an. Jetzt konnte sie sich mit gediegener Stimme auch wieder mit Felix unterhalten.
"Endlich wieder zuhause." sprach Kylie mit freudiger Zufriedenheit in ihrer Stimme.
"Glaub ja nicht das jetzt wieder alles gut ist. Ich bin immer noch sauer auf dich."Doch sie überhörte das Gemecker von Felix und schaute auf ihr Handy.
"Ich hab' einen verpassten Anruf."
"Etwas wichtiges?"
"Und eine verpasste Nachricht."
Etwas verwundert fragte Felix,
"Wie hast du das nicht mitbekommen?"
Wie beiläufig sagte Kylie,
"Du weißt doch das ich mein Handy immer auf lautlos habe."
Kylie's Blick wurde merkwürdig und sofort hielt sie sich das Telefon ans Ohr. Besorgt fragte Felix nach,
"Was ist denn los?"
Doch Kylie würgte ihn mit einem "Schhh" ab. Gespannt saß Felix da und wartete auf eine Reaktion von ihr. Dann nahm sie das Handy vom Ohr.
"Und?", fragte Felix ungeduldig.
"Das war Mira. Sie hat mich wohl versucht auf jede erdenkliche Weise zu erreichen. Es klang dringend, zumindest wenn man von ihrer Stimme ausging. Warum sie mich sprechen will hat sie nicht gesagt."
"Mira? Die Totenflüsterin?"
"Hör auf. Du weißt das sie es hasst wenn du sie so nennst."
Verwirrt schaute Felix aus dem Fenster.
"Hey, war das nicht gerade deine Haltestelle?"
"Neuer Plan. Ich bin zwar hundemüde, aber wir fahren jetzt zu Mira."
Mit dem Bus in der Innenstadt angekommen steuerte Kylie auf einen kleinen Hellseherladen zu. Das kleine Glöckchen über der Tür kündigte an das Besuch den Laden betreten hatte.
"Hallo?", rief Kylie sofort. "Mira, bist du da?"
Doch niemand antwortete. Der Laden blieb still.
"Vielleicht ist sie nicht da.", bemerkte Felix der auf dem Stuhl an einem runden Tisch saß.
"Ach das ist doch Quatsch. Warum sollte sie ihren Laden offen lassen wenn sie gar nicht hier ist."
"Vielleicht ist sie entführt worden."
"Das hilft mir nicht weiter Felix.", sagte Kylie und stoppte beim durchsuchen des Ladens abrupt vor einem Vorhang neben dem eindeutig stand "Betreten verboten".
"Kannst du dich hier vielleicht mal nützlich machen."
Kylie deutete auf den Vorhang. Felix stand auf und wanderte gemächlich in dessen Richtung, doch nicht ohne eine kleine Ansprache zu halten.
"Du meinst nützlich machen im Sinne von, wiedermal die Privatsphäre anderer Leute verletzten um zu gucken was die denn da so treiben oder zu überprüfen ob die Lage auch ungefährlich ist, weil den guten Felix niemand sehen und auch nichts verletzten kann."
Mit verschränkten Armen antwortete Kylie nur kurz und knapp.
"Ja."
Mit einem Lächeln trat Felix durch den Vorhang der sich nicht ein Stück bewegte. Felix ging einfach durch den Vorhang hindurch. Geduldig wartete Kylie. Da kam Felix Kopf durch den Vorhang.
"Das solltest du dir mal ansehen."
Als sein Kopf wieder verschwunden war zog Kylie den Vorhang auf und bereute es zugleich nicht vorsichtiger gemacht zu haben. Unten am Vorhang waren viele Glöckchen befestigt die nun lauthals kund gaben das jemand kam. Da hätte sie sich auch gleich mit einem Megaphon ankündigen können. Und weil es jetzt eh egal war schritt Kylie ohne besondere Vorsicht den Gang hinunter der zu drei Räumen führte. Bei allen Räumen waren die Türen offen. Vor dem mittleren stand Felix und kratzte sich am Kopf.
"Was ist los?", fragte Kylie.
"Ich verstehe es nicht.", Felix stemmte die Hände in die Hüfte, "Eben war sie doch noch da."
Da drehte Felix sich um und rief auf einmal,
"Kopf runter."
In den elf Jahren die sie Felix schon kannte hatte Kylie gelernt das es meist besser war auf das zu hören was er ihr zurief. Also duckte sie sich schnell und etwas gläsernes zerschellte an der Wand, das als Scherben auf ihren Kopf hinunter regnete. Kylie schaute in den Raum neben sich aus dem das Geschoss geflogen kam und sah in die weit aufgerissenen Augen von Mira die mit Glasfiguren bewaffnet in der Tür stand. Gerade holte sie noch einmal aus, als sie dann doch inne hielt und erschrocken fragte,
"Kylie?"
"Ja Mira, ich bin's."
"Was machst du hier?"
"Du hast mir verpeilte Nachrichten auf mein Handy gesprochen. Ich musste doch sehen ob alles in Ordnung ist."
Wenig später saßen die beiden auf der Couch und Felix in einem Sessel. Miras Hände lagen auf ihrem Schoß und zitterten. Zwar kannten sich Kylie und Mira nicht so gut um sich als Freunde zu bezeichnen, doch gut genug das Kylie jetzt besorgt fragte,
"Was ist denn los?"
Zuerst sah Mira ziellos in der Gegend herum, bis sie dann mit der Sprache rausrückte.
"Weißt du Kylie, ich glaub ich hab Scheiße gebaut."
Verwirrt fragte Kylie nach,
"Was hast du denn getan um solche Angst zu haben?"
"Naja. Du weißt ja das ich mit bestimmten Hilfsmitteln mit der anderen Seite kommunizieren kann. Und irgendwann … ach, ich weiß auch nicht. Ich dachte das es an der Zeit wäre einen nächsten Schritt zu machen."
"Oh Mira, was hast du getan?"
Mira stand auf und ging aufgeregt im Raum auf und ab.
"Ich hab mich da ein wenig eingelesen, in so ein altes Buch. Das Thema war … Geisterbeschwörung."
Entgeistert stand Kylie auf.
"Mira! Sag mir das du nicht im entferntesten etwas in der Richtung getan hast."
Mit einem traurigen Blick in Kylie's Richtung war die Frage schon beantwortet. Kylie sank wieder zurück auf das Sofa.
"Ok. Ok. Stück für Stück. Was ist passiert, der Reihe nach."
Mira setzte sich wieder neben Kylie und atmete einmal durch bevor sie anfing.
"Ich spielte schon lange mit dem Gedanken etwas mehr aus meinen Fähigkeiten zu machen. Und eines Tages lag in meiner üblichen Post ein dickes Paket. Als ich es auspackte kam ein ziemlich alter Wälzer zum Vorschein. Ich blätterte darin herum und fand viele interessante Zaubersprüche."
Kylie sah sie verwundert an.
"Das verstehe ich nicht. Von wem kam dieses Buch denn?"
"Das weiß ich nicht genau. Jedenfalls stand kein Absender auf dem Paket. Ich dachte es käme vielleicht von einem meiner Kunden die nichts damit anfangen konnten."
"Moment, warte mal. Du hast von einem unbekannten ein dickes Zauberbuch bekommen und wunderst dich nicht einen Moment, sondern probierst gleich ein paar Sprüche aus? Ernsthaft Mira?"
Mira legte den Kopf kurz in ihre Hände.
"Ja ich weiß das war dumm."
Als Kylie das ernsthafte Bereuen in Miras Augen sah ließ sie es gut sein.
"Was für einen Spruch hast du denn ... ausprobiert?", fragte Kylie.
"Ich dachte eigentlich das es ein ganz harmloser wäre. Irgendwas mit einem andersweltlichen Beschützer. Beschützer sind doch was gutes oder?"
Mira lächelte Kylie an, doch als sie sah das im Gesicht von Kylie nicht eine Spur eines Lächelns zu bemerken war legte sie ihres wieder ab.
Plötzlich stand ein zwei Meter großer, muskelbepackte Kerl in der Tür. Kylie blickte zu ihm und sagte,
"Entschuldigen sie, aber sie haben hier keinen Zutritt."
Felix schaute zur Tür.
"Vorsicht! Das ist nicht wie du denkst!", sagte er.
"Mit wem redest du Kylie?", fragte Mira.
Bevor Kylie richtig verstand kam der riesige Kerl auf sie zu, packte sie mit einer Hand am Hals und hob sie ein Stück hoch. Kylie röchelte und versuchte sich aus seinem Griff zu befreien. Mira war total verwirrt und konnte nur beobachten wie Kylie über dem Boden schwebte und versuchte nach Luft zu schnappen.
"Kylie, du machst mir Angst. Hör auf damit!"
Kylie schlug und trat auf den Kerl ein, doch sie schlug nur Luftlöcher. Erst als Felix ihn von hinten ansprang und ihm am Hals hing ließ er von Kylie ab und versuchte jetzt Felix los zu werden. Kylie brauchte noch einen Moment bevor sie wieder richtig bei Sinnen war, doch dann nahm sie Mira an die Hand und keuchte,
"Wir müssen weg hier."
Mira ließ sich mitziehen. Beide stürmten aus dem Laden und liefen ein paar Straßen hinunter, bis sie bei einer kleinen Gasse angekommen waren und sich dort versteckten. Keuchend lehnte sich Mira an die Wand.
"Was war das gerade? Hatte das was mit mir zu tun?"
Kylie schaute noch immer vorsichtig um die Ecke um Ausschau zu halten nach diesem Mann.
"Ich weiß es nicht, aber hier sollten wir vorerst sicher sein. … Mira?"
Von keuchenden Geräuschen alarmiert drehte sich Kylie um und starrte auf den massigen Kerl der Mira gerade, mit nur einer Hand am Hals, hoch hielt.
"Mira!", schrie Kylie entsetzt und wollte ihn anspringen, doch sprang durch ihn durch und landete hart auf dem Boden.
"Was … ?"
Kylie konnte es sich nicht erklären warum dieser offensichtliche Geist andere angreifen konnte. Normale Geister waren darauf beschränkt sich von der Lebensenergie der Lebenden zu nähren, konnten aber nicht offensiv Schaden zufügen. Da Kylie ihn nicht angreifen konnte besann sie sich wieder auf ihre Raffinesse zurück.
"Was willst du von ihr?", schrie sie ihn an.
Kurz hatte sie seine Aufmerksamkeit, doch nicht für lange. Schnell schaute er wieder weg.
"Was bringt es dir sie umzubringen?"
Sein Blick wanderte jetzt abwechselnd auf Kylie und wieder zurück zu Mira.
"Sag mir was du willst und ich werde dir Helfen. Was es auch ist."
Jetzt sah er nur noch auf Kylie. Sie hatte seine Aufmerksamkeit und durfte sie nicht wieder verlieren. Die nächsten Worte waren entscheidend. Ihm fest in die Augen schauend sagte sie,
"Versprochen."
Es funktionierte. Langsam ließ er Mira herunter und ließ ihren Hals los. Sofort holte die tief Luft, ließ sich zu Boden sinken und fing an heftig ein und aus zu hecheln. Kylie stürzte zu Mira,
"Alles in Ordnung?"
Doch Mira konzentrierte sich nur darauf wieder Luft zu bekommen.
"Hey, du sagtest du wirst mir helfen. Halte dein Versprechen!", fuhr der massige Kerl sie an. Kylie stand auf und sah ihm fest in die Augen.
"Was willst du?"
"Wieder nach Hause. Ich will wieder nach Hause. Hier gehöre ich nicht her."
Der Blick von Kylie wurde sanfter.
"Du bist nicht freiwillig hier?"
"Nein. Ich gehöre in die Anderswelt, das weiß ich. Aber aus irgendeinem Grund bin ich plötzlich hier. Und wohin ich auch versuche zu gehen, immer wieder lande ich bei dieser Frau. Ich dachte sie wäre es die mich hier festhält."
Ängstlich war Miras Blick, als Kylie kurz zu ihr herüber blickte.
"In gewisser Weise stimmt das auch. Sie war es die dich hier her brachte."
"Was!", schrie der Kerl und ballte seine Hände zu Fäusten.
"Beruhige dich!", entgegnete Kylie ihm mit fester Stimme. "Sie hat dich zwar hier her gebracht, aber sie ist auch die Einzige die dich wieder zurück bringen kann."
Der Kerl lockerte seine Fäuste und wurde wieder ganz aufmerksam. Kylie schaute sich um und versuchte die Lage einzuschätzen. Das wichtigste war jetzt erst mal diesen Geist wieder auf dem Wege zurück zu schaffen wie er gekommen war. Er hatte recht. Er gehörte hier nicht her, so wie jeder andere Geist.
"Ich denke wir sollten wieder alle zurück in den Laden gehen."
Kylie guckte ein wenig böse zu Mira rüber.
"Dann wirst du dieses Buch holen und ihn wieder zurück schicken."
Kleinlaut erwiderte Mira,
"Und wenn ich nicht weiß wie das geht?"
"Du … !", fing jetzt wieder der Kerl an wütend zu werden.
"Schluss jetzt!", schrie Kylie, deutete zuerst auf Mira und dann auf den Kerl, "Du wirst dich zusammenreißen und du wirst dich jetzt endgültig beruhigen. Zusammen finden wir einen Weg."
Wieder im Laden angekommen kramte Mira aus einer Ecke ein altes Buch und klappte es auf.
"Hier ist das Ritual … und jetzt?"
"Durchsuche das Buch von vorne bis hinten. Irgendwo muss doch so etwas wie ein Umkehrspruch oder ein Auflösungs- Irgendwas geben."
"Ich finde nichts … "
Mira schrie auf als plötzlich neben ihr Bücher aus dem Regal flogen.
"Hey! Ruhig.", versuchte Kylie den Kerl zu beruhigen, doch der wütete weiter im Geschäft herum.
"Was geschieht hier? Kylie, bitte mach irgendwas!", flehte Mira ängstlich.
Genervt schaute sich Kylie nach Felix um, doch der war nirgendwo zu sehen.
"Ach Felix, wo bist du nur wenn ich dich brauche. OK! Jetzt ist Schluss! Siehst du nicht das du ihr Angst machst. Wir sitzen morgen noch hier, wenn ihr beide nicht langsam mal die Nerven behaltet. Beruhigt euch. Keiner wird hier ausflippen und keiner wird eine Panikattacke bekommen, verstanden?"
Während Mira nur scheu mit dem Kopf nickte, schnaubte der Kerl verächtlich, setzte sich aber jetzt sehr viel beruhigter an den Tisch.
"Gut.", sagte Kylie und setzte sich zu den beiden an den Tisch.
"Jetzt wird gemacht was ich sage. Blätter das Buch durch, Seite für Seite, und ihr werdet beide darauf achten ob es einen "zurück-schick-Zauber" oder ähnliches gibt."
"Ich kann das verdammte Buch nicht lesen.", sagte der Kerl und war in begriff sich gleich schon wieder aufzuregen. Kylie sah ihn streng an und deutete ihn mit den Händen wieder runter zu kommen. Als er weder wütender noch aufbrausender davon rannte fragte sie nach.
"Warum kannst du es nicht lesen?"
"Es ist für mich wie … unscharf. Es muss ein Zauber oder ähnliches sein der das Buch vor Einblicken von Andersweltlern beschützen."
"Ok Mira, damit bleibt alles an dir hängen."
"Mir?", fragte Mira mit schwächelnder Stimme nach. "Aber ich weiß nicht … ich kann nicht … "
Kylie nahm Mira an ihre leicht zitternden Hände.
"Sieh mich an.", Mira schaute Kylie ängstlich in die Augen. "Ich glaube an dich. Du schaffst das! Ich vertraue dir voll und ganz und weiß das du das kannst."
Mit einem kräftigen Schlucken schluckte Mira ihre vorherrschende Angst herunter. Sie nickte.
"Lass uns anfangen."
"Gut so Mira."
Es dauerte fast eine Stunde den dicken Wälzer Stück für Stück durch zu schauen, doch ungefähr in der Mitte des Buches stockte Mira plötzlich. Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht.
"Ich glaube ich hab's … ", flüsterte sie zuerst nur, doch rief dann ganz aufgeregt, "Ich glaub' ich hab's!"
Kylie griff nach dem Buch und zog es zu sich.
"Wirklich, zeig her."
Den Kerl konnte jetzt nichts mehr auf seinem Stuhl halten ging aufgeregt hinter Kylie auf und ab.
"Die Entlassung eine andersweltlichen Dieners."
"Diener?", schrie der Kerl, doch Kylie würgte ihn mit einem "Schhh" ab und las weiter.
"Alles was wir brauchen sind vier weiße Kerzen, ein weißes Tuch, einen … einen … argh."
Kylie rieb sich die Augen.
"Langsam geben wohl meine Augen auf. Kein Wunder, ich bin jetzt schon seit 24 Stunden auf den Beinen. Mein Körper braucht Schlaf."
Sie schob das Buch wieder zu Mira zurück. Die las sich alles ganz genau durch.
"Das habe ich alles hier im Laden!", sagte Mira freudig und zugleich erleichtert.
Schnell huschte sie durch den Laden und hatte in Windeseile alle Sachen auf dem Tisch gestellt. Kylie half alles anzuordnen und nach wenigen Handgriffen glich der Tisch einem kleinen Altar. Nachdem Mira die Kerzen angezündet hatte fragte sie,
"Und jetzt?"
"Du musst den Spruch aufsagen.", erinnerte sie Kylie und drückte Mira den riesigen Wälzer in die Hände.
"Ach ja … … "
Eine ganze Weile standen alle drei so da. Dann schaute Kylie ganz genau Mira an. Ihre Augen waren glasig und ihre Hände die das Buch hielten zitterten leicht. Gerade wollte Kylie etwas sagen da ging der Kerl einen bedrohenden Schritt auf Mia zu. Kylie schritt schnell zwischen sie und ihn, beugte sich leicht herunter und packte Mira an den Schultern.
"Was ist denn los."
"Ich habe Angst Kylie."
"Aber wovor denn, gleich ist doch alles vorbei."
"Und was wenn nicht? Was ist wenn es nicht klappt?"
"Darüber machen wir uns Sorgen sollte es soweit sein, verstanden? Konzentriere dich auf den nächsten Schritt und nicht schon auf die drei übernächsten die noch kommen oder vielleicht auch nicht. Du sagst jetzt den Spruch auf der da steht, bedankst dich höflich und alles wird wieder sein wie vorher. Ok?"
Mira nickte und wischte sich mit einer Hand an den Augen herum. Dann räusperte sie sich.
"Der du standest in meinem Dienst,
nun etwas von der Belohnung siehst.
Der du arbeitetest so ehrenvoll,
gehst nun von mir ohne Groll.
Gehe heim und weg von mir,
in die Anderswelt, nur nicht hier.
Ein Abschied für Heute nicht für immer,
doch für Morgen und für nimmer."
Kylie sah auf den Kerl. Nichts passierte. Sie sah besorgt auf Mira die gleich ängstlich fragte,
"Was ist los?"
Der Kerl ballte die Fäuste und fing heftig an zu brüllen, da sprang die Tür des Ladens auf und ein heftiger Wind wehte umher der alle Bücher aus den Regalen räumte und alles was leicht genug war umher wirbeln ließ.
"Was passiert hier?", rief Mira gegen den Sturm an.
Nach einer Lösung suchend tippte Kylie auf das Buch.
"Ließ es nochmal vor."
Mira nickte mit dem Kopf, doch bevor sie ein Wort sagen konnte erfasste ein Windstoß das Buch und schlug es ihr aus den Händen. Sogleich hob sie es wieder auf und suchte nach der richtigen Seite, doch es gelang ihr nicht. Auch schon ohne den Sturm im Laden wäre es schwierig genug gewesen die richtige Seite wieder zu finden. Das aber nach jeden Blatt das sie umschlug der Wind sie um zwei Seiten zurück blätterte machte es nicht leichter. Da durchzuckte Kylie ein Geistesblitz.
"Bedanken …"
Sie griff Mira am Arm und schrie laut,
"Du musst dich bedanken!"
"Ich bedanke mich vielmals für deine Arbeit.", schrie Mira in den immer heftiger werdenden Sturm hinein.
Mit einem mal war der Wind komplett verschwunden und alles was noch in der Luft war knallte zu Boden.
"Hat es geklappt?", fragte Mira mit leicht freudiger Aufregung in ihrer Stimme.
Genaustens sah sich Kylie um. Ging ein paar Schritte im Laden herum, doch nirgends war eine Spur von dem Kerl zu entdecken.
"Ich denke schon."
Sofort ließ Mira das Buch fallen und umschlang Kylie.
"Danke, danke, danke! Du hast mich gerettet!"
Jetzt fiel auch etwas von der Anspannung von Kylie ab und es legte sich ein leichtes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie klopfte Mira auf den Rücken und sagte,
"Ich würde ja nicht sagen das ich dich gerettet habe, aber wenigstens ist jetzt alles wieder beim Alten."
"Dank dir Kylie.", sprach Mira überglücklich, "Wenn du nicht gekommen wärst … ich will mir gar nicht ausmalen was dann passiert wäre."
Langsam ließ Mira Kylie wieder aus ihrer Umarmung. Kylie sah sich um,
"Puh, das wird eine ganz schöne Aufräumaktion."
Dann fiel Kylies Blick auf das Buch. Sie ging hin und hob es auf.
"Und was machen wir hiermit?"
"Ich werde es aufbewahren.", sprach Mira mit fester Stimme.
Gar nicht so begeistert fragte Kylie,
"Bist du dir sicher?"
"Ja. Wenn einer weiß wie viel Schaden das Buch anrichten kann, dann ich. Also wer wäre wohl besser geeignet ein Chaos verbreitendes Zauberbuch sicher aufzubewahren als ich?"
Irgendwie erschien Kylie diese Argumentation als logisch und übergab Mira das Buch.
"Ich kenne schon den perfekten Ort an dem ich es verstecke und niemand heran kommen wird.", sprach Mira freudig.
"Ich vertraue dir Mira.", sagte Kylie, aber mit einer leichten Angst die in der Stimme mit klang.
Noch einmal umarmte Mira die leicht verunsicherte Kylie und sprach,
"Du brauchst keine Angst haben Kylie."
Auf irgendeine Weise beruhigte es Kylie schon. Es schien als ob Mira dieses mal wirklich wusste wovon sie sprach.
"Pass auf dich auf.", jetzt klang Kylie deutlich fröhlicher.
Mira winkte mit einer Hand Kylie hinterher, als diese ihren Laden verließ. Erst jetzt als Kylie bei helllichtem Tag, ohne Sorgen, an der frischen Luft stand merkte sie wie müde und kaputt sie doch war. Sie würde ohne Umwege nach Hause zurück kehren. Zuhause angekommen ging sie durch die Haustür und wollte eigentlich ihr Bett ansteuern, als sie den halbdurchsichtigen Felix auf dem Sofa liegen und sich nicht bewegen sah. Sie rannte auf ihr zu.
"Felix! Alles in Ordnung?"
Mit kleinlauter Stimme sprach er,
"Der Kerl hat mir ganz schön zugesetzt Kylie …"
"Hier, nimm etwas von meiner Energie."
Kylie hielt ihm den Arm entgegen und zeigten mit der Handfläche auf ihn. Felix tat es ihr gleich, doch berührte ihre Hand nicht. Aus der Hand von Kylie floss ein bläulich-weißer Strahl der sich zu Felix Hand hinüber schlängelte. Nach kurzer Zeit schien es Felix als könnte er wieder richtig Atmen und setzte sich auf.
"Ich danke dir Kylie. … Kylie?"
Er blickte zu ihr hinüber und sah sie, gegen die Lehne gelehnt, schlafen. Er hätte sie gerne richtig hingelegt oder ihr zumindest eine Decke drüber gelegt, doch leider ging das nicht. Stadtessen sagte er nur,
"Gute Nacht Kylie, schlaf gut.", und war verschwunden.
Die Bahnhofuhr schlug eins als Kylie mitten in der Nacht die Rolltreppe zum Steig drei hochfuhr. Nur ein übereifriger Geschäftsmann der in sein Handy redete und ein besoffener Jugendlicher der sich gerade an einer Säule lehnte um nicht umzufallen, waren noch auf dem Bahnsteig. Und dieser mürrisch aussehende Mann der am Rande einer Sitzbank saß. Kylie steuerte die Bank an und setzte sich auf die andere Seite an den Rand und kramte ein Buch aus ihrer Tasche.
" … immer nur lesen, lesen, lesen …", war das einzige was sie von dem Gemurmel von der anderen Seite der Bank verstand. Kurz blickte sie auf, sah aber das der Mann wohl mit sich selbst sprach. Wieder vertiefte sie sich in ihr Buch. Dann wurde aus dem Gemurmel des Mannes ein aufgeregtes Gerede.
"Immer nur mit euch selbst beschäftigt. Habt nicht mal einen Blick für das was um euch herum passiert. Dumm, einfach nur dumm diese Leute."
Wieder sah Kylie von ihrem Buch auf und fragte vorsichtig,
"Entschuldigung, meinen sie mich?"
Kurz sah sie der Mann an, schnaubte und sah dann wieder weg. Für einen kurzen Moment war es still, doch bevor Kylie ihre Nase wieder in ihr Buch stecken konnte regte sich der Mann wieder auf.
"Natürlich du. Und er und er und ihr alle!"
"Was habe ich denn damit zu tun?"
"Du schaust auch nur in dein Buch. Einer Fantasiewelt. Das das wirkliche Leben so viel mehr bereit hält als du nur zu glauben wagst kommt dir dabei nicht in den Sinn."
Kylie hielt das Buch etwas höher das er den Einband sehen konnte.
"Aber sehen sie mal, in diesem hier geht es um Geister und Gespenster. Das gibt es doch in Wirklichkeit gar nicht."
Der Mann lachte abfällig.
"Komm mal näher Kindchen. Ich will dir etwas verraten … "
Langsam rückte Kylie näher an den Mann heran.
"Komm näher … oder hast du vor mir etwa mehr Angst als vor deinen Gespenstern."
Noch einmal rutschte Kylie dichter an ihn heran.
"Siehst du, Geister gibt es wirklich."
"Auch Quatsch. Woher wollen sie das denn wissen?", fragte Kylie sehr argwöhnisch nach.
"Ich habe schon viele gesehen!", sprach er mit einer ausladenden Armbewegung und ließ einen Arm hinter der Lehne verschwinden. Genau so das er auf den Rücken von Kylie zeigte ohne das sie etwas davon merkte.
"Dann können sie mir ja sagen ob die Abbildung hier in dem Buch, die von einem echten Geist ist.", entgegnete sie ihm spöttisch.
Neugierig sah er in das Buch und sah nur in einen schwarzen Spiegel.
Mit fester Stimme sprach Kylie,
"Dinef Ceitvas Ussanto."
Erschrocken blickte der Mann sie an und erkannte die Falle,
"Du bist ein Seelenfänger!", rief er, doch es war zu spät.
Er wurde bereits in den Spiegel gezogen. Als er vollkommen eingezogen und verschwunden war klappte sie das Buch zu und sah sich um. Der Geschäftsmann redete immer noch in sein Handy und der Junge war an die Säule gelehnt eingeschlafen. Froh steckte Kylie das Buch in ihre Tasche und ging auf den richtigen Bahnsteig an dem der Zug kam der sie nach Hause brachte.