Wir haben Zwei Leben und das 2. beginnt, wenn man merkt, dass man nur Eins hat.
Eigentlich war mein Leben im Moment so was von Normal.
42-Jährige-, Alleinerziehende- , motivierte Frau, ständig finanzieller Druck im Nacken, Vielleicht noch einen Job, wollte meinen Kindern auch etwas bieten können.
Hatte im Monat ca. nur noch 5 Tage frei. Das schaffe ich schon!!
Wie immer, geht alles irgendwie auch rum. Ging auch alles gut, bis zu jenem Sonntag im August.
Es sollte ein schöner, entspannter Tag mit meinem Freund werden.Schwimmen, Sauna, Abends noch essen gehen und danach sind wir noch in die Stadt spazieren. Plötzlich schoss mir dieser Unsagbare Schmerz von 0 auf 100 in wenigen Sekunden in den Kopf.
Ich konnte es gar nicht fassen, es ging alles so schnell, ich hatte Ausfallerscheinungen im rechten Arm, meine Zunge wurde taub, sah doppelte Bilder und dazu kam eine extreme Nackensteifigkeit. Ich spürte wie es in meinem Körper arbeitete.
,,Ich glaub' ich muss jetzt sterben!'' sagte ich zu meinem Freund.
Ab da an, war alles um mich herum nur noch weit weg und fern. Irgendwie schleppte ich mich auf eine Bank und versuchte diese stärksten schmerzen zu veratmen und auszuhalten.
Das schlimmste war in diesem Moment dass viele Leute vorbei gelaufen sind und gesehen haben ,,dieser Frau geht es sehr schlecht.'' Sie haben nur geschaut, es hat kein Einziger mal gefragt, bzw. Hilfe angeboten.
Das hat mich sehr enttäuscht, da ich selbst immer für andere da bin und einen sozialen Beruf ausübe. Mein Partner holte in dieser Zeit das Auto, keine Ahnung wie ich rein gekommen bin.
Auf einmal kam dieses ständige erbrechen dazu. So schlecht ging es mir noch nie in meinem Leben. Wir fuhren dann in bekannte Notaufnahme,ich war fast apathisch.
Wichtig war das diese Schmerzen etwas gedämpft wurden, was dann auch kurzfristig durch Infusionen gelang. Aber weg waren Sie nicht. So lag ich schläfrig, tagelang in meinem Schlafzimmer herum. Ich war froh wenn ich nichts hörte und sah, einfach nur liegen in frieden und schlafen.
Zwischen durchkam der Hausarzt, seine Diagnose lautete:
Migräne bzw. Gastroenteritis.
Ich hatte nie zuvor Migräne. Zum Glück reagierte mein Partner nach 4 Tagen, hat mich in die Neurologie gefahren und alles weitere veranlasst.
Weil selber ist man ,,Zu nichts mehr in der Lage.'' Danach ging alles ziemlich schnell, professionelle Diagnostik in kurzer Zeit fand statt. Von CT über Hirnwasserpunktion.
Es wurde eine Hirnblutung festgestellt.
Oh man dachte ich, das heißt nichts Gutes und ich musste mich dieser Situation hingeben und vertrauen, auch mit dem Gedanken das ich sterbe bzw. ein schwerer Pflegefall sein werde.
Aber irgendwie hat man gar keine Angst mehr. Ich befand mich schon in einer anderen Bewusstseinsstufe. Hier war es unheimlich friedlich und schön!
Ich wurde dann Zeitnah in eine Spezialklinik verlegt, die ein geplatztes Aneurysma im Stammhirn (Arteria Basilaris) diagnostizierten.
Oje,wusste nicht das ich so etwas in meinem Kopf hatte. Musste mitschwingen, egal wie, Hauptsache diese starken schmerzen hören irgendwann auf.
Es wurde schon auf mich gewartet, auf dieser Neurochirurgischen Intensivstation.
Es war ca. 18 Uhr, die Narkose Damen waren auch gleich da. Sie fragten mich noch:
,,Ist das Roter oder Schwarzer Nagellack auf ihren Füßen?''
,,Die haben Sorgen dachte ich..''
Ab da an war ich weg, in einer unendlichen Weite.
Am nächsten Nachmittag, viele Stunden später, erwachte ich.
Um mich herum viele weiße Kittel und das ständige piepsen verschiedener Monitore und Perfusoren.
Die Ärzte sagten zu mir ,,Sie können sehr froh sein, dass Sie noch am Leben sind.''
Ich wusste gar nicht was los ist. Die kommende Nacht war einfach furchtbar für mich, ich war unheimlich unruhig, hatte ständig das Gefühl ich müsste mir alle Kabel rausreißen und weglaufen.
Ich drehte mich im Bett hin und her, ich durfte ja gar nicht aufstehen.Ich habe kaum geschlafen, ich glaube das waren die Nachwehen der Beatmung.
Am nächsten Morgen kam ein junger Gutaussehender Pfleger ins Zimmer und erzählte mir etwas von Bergsteigen, ich solle das unbedingt mal ausprobieren.
Dann kam ein für mich besonders schönes Ereignis:
Nach einer Woche ohne Essen, das erste halbe Brötchen mit Marmelade.
Mit Blick aus dem Fenster ins grüne Krankenhausgelände, die Sonne blinzelte durch die Blätter.
Dieser Moment war plötzlich so wertvoll und einzigartig.
Eigentlich war ich eher auf Bio getrimmt und plötzlich musste ich täglich 16 Tabletten einnehmen. Ich wurde gewaschen, hatte 14 Tage absolute Bettruhe.(Wegen Gefahr einer erneuten Blutung / Schlaganfall)
Ich musste auf die Bettpfanne. Normalerweise bin ich ein sehr aktiver Mensch, war aber total platt, hab viel geschlafen. Der Schlaf war das Größte und wichtigste für mich und ist es heute immer noch.
Zwischendurch hatte ich viele Schwere Phasen. Hatte das Gefühl das ich eine Glocke auf dem Kopf habe und meine Wahrnehmung war auch anders.
Ich wusste nicht wie es mit mir weiter geht, beruflich und im Allgemeinen.
War teilweise auch sehr Weinerlich.
Als ich so da lag, kam mir die Erkenntnis, dass das Leben nicht nur aus Materiellen Dingen besteht und man die Lücken nicht mit irgendwelchen Konsumgütern wie Kleidung, Essen oder Alkohol füllen kann, sondern das man einfach nur ,,IST.'' und sollte den Moment und Augenblick genießen. Weil das alles nichts ist, wenn man krank ist.
Man muss an Gott glauben und vertrauen, dass sich alles zum bestmöglichen entwickelt!
Zum Glück sind dann auch meine Eltern (wohnen weiter weg) für einige Wochen gekommen.
Sie haben sich um meinen jüngeren Sohn gekümmert, den das alles auch sehr mitgenommen hat.
So konnte ich mich auf meine Genesung konzentrieren.
Meine Kinder sind für mich sowieso die größte Motivation und ich wollte unbedingt ''Mein altes Leben'' zurück.
Aber das brauchte alles Zeit und Geduld, die ich nie hatte.
Aufmeine Fragen wann ich wieder Arbeiten könne, schauten mich die Ärzte entgeistert an und sagten: Sie gehen vorerst gar nicht mehr Arbeiten!
So wurde mir eigentlich erst wieder bewusst < Ich bin schwer Krank.
Ab jetzt ging es leider nur Schritt für Schritt voran. Der Gedanke das ich jetzt einen 1 cm großes Platinkörbchen im Kopf habe der das Aneurysma ausfüllt und für immer verbleibt war etwas ungewohnt für mich.
Wäre ein Relativ neues Verfahren sagten Sie.
Die fast 14 Tage auf der Intensivstation gingen doch zügig rum. Alle Schwestern, Pfleger und Ärzte waren unheimlich nett zu mir und ich hatte nicht das Gefühl das Sie sich verstellten.
Durfte keinen Fern sehen, lag da, habe gelesen und viel geschlafen. Dauernd kam jemand ins Zimmer. Ich war seit neustem auch bei Studien mit drin weil das Thema Aneurysma weiter erforscht wird.
5%haben eins und wissen es gar nicht.
Vor diesem Ereignis, hatte ich manchmal eine innere Eingebung das mit mir bald etwas schlimmeres passieren wird. Dieses Gefühl kann man nicht beschreiben.
Auf jeden Fall sagte ich zu meiner Kollegin ca. 4 Wochen vorher: ,,Ich glaube ich werde bald sterben''.
Spürte auch immer unbewusst die Traurigkeit meines Sohnes.
Dieses Gefühl war jetzt aber weg.
Dann kam der große Tag der Verlegung auf die Normalstation.
Ich war ganz aufgeregt, ich war im Zimmer mit einer älteren Dame die einen Hirntumor hatte. Sie wurde am selben Tag noch Operiert und ich hatte meine Ruhe im Zimmer.
Also wagte ich mich das erste mal alleine aufzustehen, mein Ziel war, vom Bett zum Tisch (ca. 3m).
,,Uii''gar nicht so schlecht. Der Kreislauf war Stabil, von da aus zum WC.
Meine Muskeln in den Beinen waren echt schlapp geworden und haben sich auch zurückgebildet. Fühlte sich irgendwie komisch an.
Dann habe ich es geschafft. Was für eine Erlösung das erste mal alleine, unabhängig von anderen auf das WC gehen zu können.
Ich war mehr auf den Füßen als ich durfte also gab es auch Ärger von Schwestern und Arzt.
Es waren 30 Grad, ganz schön heiß wenn man die ganze Zeit im Bett liegen muss.
Auf Intensivstation merkte man es durch die Klimaanlagen nicht.
Und so ließ ich zum dritten mal Pfannenkuchenrezepte und die Story über Lady Dianas Tod.
Ich bekam Besuch, es wurde viel nach mir gefragt und Grüße ausgerichtet. Das fand ich irgendwie schön, stand ich mal im Mittelpunkt.
(War aber teilweise nur wegen Neugier der Leute)
Mein Freund hat sich auch sehr gut um mich gekümmert und mir immer frischen Ingwertee gebracht.
Zwischendurch ging es mir immer wieder sehr schlecht, starke Kopfschmerzen, ständig das Gefühl dieser Glocke auf dem Kopf. Wie eine schwere Leere .
Ich war schnell bei zu vielen Informationen überfordert und konnte es nicht gleich alles filtern.
Dann hieß es ich muss noch in Reha. Ich dachte mir: oh noch mal so lange von Zuhause weg.
Ich war ja schon fast drei Wochen im Krankenhaus.
Diese vielen Tabletten alle 4 Stunden entsprachen nicht meinem Bio-Leitbild.
Aber was sollte ich machen. Ich musste schnell wieder Gesund werden.
Dann kam der Tag der Entlassung, ich freute mich riesig.
Als ich heim kam, wollte ich am liebsten in der Wohnung gleich alles machen. Haushalt,wie immer.
Ich durfte mich aber nicht anstrengen, nicht schwer heben und durfte 3 Monate kein Auto mehr fahren.
War mir alles zu viel, brauchte viel Schlaf. Das Einkaufen war die Hölle → Reizüberflutung pur.
Meine Eltern haben mir geholfen und haben sich um meinen Sohn gekümmert.
Der ältere Sohn wohnte schon seit einiger Zeit bei seinem Vater.
Dann kam das warten auf den Reha Termin, nach 2 Wochen ging es los nach Konstanz.
Schmieder-kliniken haben einen sehr guten Ruf. Wir kamen an und ich war an der Pforte direkt überfordert mit diesen ganzen Zetteln und Infos.
Die Schwester war von mir als Neuzugang ziemlich genervt obwohl Sie mit mir nur 15 Minuten Arbeit hatte.
Fragen ausfüllen, na toll das fängt ja gut an dachte ich mir.
Abends als mein Freund wieder heimgefahren ist und ich zwischen Rollstuhlfahrern in diesem Speisesaal saß, war ich plötzlich so verloren und traurig.
Ich bin in mein Zimmer gegangen. Ich war auf einem Emotionalen Tiefpunkt und dachte das halte ich nicht mehr aus und schaffe das alles nicht. Ich habe viel geweint.
Am nächsten Tag ging es gleich los mit vollem Programm. Ich musste mich nach jeder Anwendung ausruhen und schlafen, selbst wenn es auch nur 30 Minuten waren.
Es war alles sehr anstrengend für mich und ich war sehr einsam ohne meine Lieben.
Hatte teilweise eine Riesen Glocke auf dem Kopf. Bin am Bodensee entlanggelaufen, denn Bewegung löst Blockaden. Ich lief jeden Tag ein Stück mehr.
Wow. Übung macht den Meister und so gewöhnte ich mich langsam an alles.
Hatte mir vorgenommen mich nur auf mich zu konzentrieren. Einmal setzte sich Robert im Speisesaal neben mich. Zufällig hatte er das Zimmer neben mir.
Junger sympathischer Mann, der ein Glioblastom (Bösartigste Form eines Hirntumors, vor 4 Monaten Diagnostiziert)
Wir verstanden uns gut, hatten fruchtbare Gespräche und haben noch heute Kontakt zueinander.
Am schönsten fand ich das Schwimmbad im Keller der Reha-Klinik. Da war ich ziemlich oft und konnte so erst mal begreifen, was da eigentlich mit mir passiert ist.
(Kann bis heute noch nicht fassen, was für ein Glück ich hatte.)
Manchmal war ich ganz allein, dann bildete ich mir ein es sei einfach mein Schwimmbad.
Ich gab mir mühe und war sehr ehrgeizig. Ich merkte langsam auch Erfolge, ich konnte schon länger am Stück schwimmen und spazieren gehen.
So gingen die 5 Wochen ziemlich schnell herum. Ich musste mich ja wieder auf's Berufsleben vorbereiten. Wusste zwar selbst nicht wie es gehen sollte aber mein Eiserner Wille war da. Ich war voller Pläne und Zuversicht als die Reha-Maßnahme zu Ende war .
Dann holte mein Freund mich endlich ab. Ich war noch 2 Wochen Zuhause und dann durfte ich endlich wieder Auto fahren.
War auch ungewohnt, so viele Reize und Eindrücke für mein Gehirn. Was normalerweise automatisch abläuft, kostete mich extreme Anstrengung.
Hatte zwischendurch immer wieder Tiefpunkte und Gefühlsschwankungen, es sind viele Tränen geflossen aber ich wollte ja in '' Mein altes Leben zurück. ''
Inder Wiedereingliederung, die 5 Wochen dauerte, bin ich herzlich Empfangen worden. Von vielen Kollegen, vom ganzen Haus und ich glaube so viele Umarmungen wie in dieser Zeit, hatte ich mein ganzes Leben noch nicht bekommen.
Das hat mir sehr gut getan. Trotzdem war es nicht leicht für mich und ich war sehr erschöpft zwischendurch. Die Koordination aller Dinge, laute Geräusche fielen mir sehr schwer und ich bin auch heute noch viel Geräuschempfindlicher und schreckhafter.
Mein Chef schaute mich skeptisch an und ich merkte seine Zweifel die ich auch teilen konnte.
Hatte einen MRT-Kontrolltermin. Ärzte waren sich nicht sicher ob das Aneurysma völlig verschlossen war. So stand wieder ein Termin im Krankenhaus mit Hirnangiographie an, dessen Ergebnis sehr entscheidend war. Zum Glück war alles Positiv.
Das alle ist jetzt genau 1 ½ Jahre her. Seit dem Arbeite ich wieder 100%.
Leute die ich lange nicht gesehen habe, würden mir nie anmerken das ich schwer krank war und mein Leben auf der Kippe stand.
Es ist ein Wunder geschehen. In dem Moment als ich dachte ''Ich glaube ich muss jetzt sterben.'' war Gott bei mir. Er hat mich getragen, auf mich aufgepasst und mich begleitet durch die schwere Zeit und mir Mut gemacht.
Ich bin seither so dankbar, hab keine Angst mehr vor dem Tod, ich vertraue in die Situation, ins Leben und gebe gerne meine Erfahrungen an andere weiter.
Kranke Menschen, für die ich jetzt noch mehr Verständnis habe.
Ich Lebe jetzt mein Zweites Leben und das besteht aus den kleinen Momenten wie: ein Sonnenaufgang, das glitzern des Wassers , die Wolken, das Grüne der Natur, die Stille usw.
Ich möchte mich bedanken bei meinem Freund, meinen Eltern und meiner Schwester die in dieser Schweren Zeit für mich aber vor allem für meinen Sohn da waren.
Das werde ich euch nie vergessen.
Größten Respekt und dank erhält die Neurochirurgische Intensivstation der Uniklinik Heidelberg (Kopfklinik). Was hier tagtäglich geleistet wird ist einfach sagenhaft und nicht bezahlbar.