Seit Freitag Nacht ist mir bewusst, dass wir mal wieder mehr auf Klischees und Verallgemeinerungen setzen sollten. Freitag Nacht saß ich bei Wein und Chili mit einer Handvoll Bekannter zusammen und wir diskutierten über Dieses und Jenes. In einem Nebensatz, ganz unscheinbar, eine leere Worthülse könnte man behaupten, passierte es mir, dass ich mich zu einer Generation rechnete, der ich, wie viele Bücher, Zeitschriften, Aufsätze und Filme es mir schon vorher gleich getan hatten, einen Buchstaben verpasste und dieser oder eben meiner Generation mit diesem einen Buchstaben eine ganze Menge von Attributen verlieh. Eine medienbegeisterte Generation, die sich Gleitzeit wünscht und eine Führungsposition ohne Verantwortung im eher kreativen Bereich. Eine Generation die auf flache Hierarchien und veganes Bananenbrot setzt. Ganz unschuldig und unbedarft zählte ich mich also zu dieser Generation, obwohl mir vollkommen bewusst war, dass ich so gut wie keines dieser Klischees erfülle. Den Satz kaum beendet schrie sofort einer hysterisch auf. Ein Lehrer. Mhhm… und wie die so ticken das weiß ja nun mal jedes Kind. Sind ja nicht umsonst die unbeliebteste Kundengruppe eines jeden Dienstleisters. Na, er wies mich jedenfalls darauf hin, das ich das ja so nicht einfach sagen könne. Das sei ja eine Verallgemeinerung der aller schlimmsten Sorte. Ich könne ja nicht einfach einer ganzen Generation so einen Stempel aufdrücken. Ich entgegnete ihm, dass meine Generation daran vielleicht hart gearbeitet hätte und die sich ihren Buchstaben vielleicht verdient hätten. Ganz der Lehrer lies er meine weindurchtränkten Argumente natürlich nicht gelten. Ich war müde und das Weinetikett las sich interessanter. Dennoch dachte ich den nächsten Tag über meine unbedarfte Verallgemeinerung noch nach. Natürlich, in Zeiten von 'Diversity', 'Uniqueness' und 'Individuality' will kein Mensch was von Verallgemeinerungen, Vorurteilen oder Klischees hören. Und ich stimme auch jedem aus tiefstem Herzen zu, der behauptet, dass es ganz furchtbare Pauschalisierungen gibt, die bestimmte Gruppen an den Rand der Gesellschaft treiben. Dennoch glaube ich, alle Individualität mal hin oder her, viele Menschen wollen auch Teil einer Gruppe sein oder eben als Teil dieser Gruppe durch Missachtung der dort geltenden Schablonen hervorstechen. Hat ja auch irgendwie was mit Erwartungshaltung zu tun. Ein klischeebehafteter Arbeitgeber angenommen, sieht mein Geburtsjahr und senkt sofort die Erwartungshaltung, Pluspunkt für mich. Und manche Klischees möchte man doch auch ganz einfach bestätigt wissen. Wenn ich mir mal einen Mercedes kaufen sollte, möchte ich doch ganz eindeutig auf "Deutsche Wertarbeit" setzen dürfen ohne enttäuscht zu werden. Wenn ich nach Italien in den Urlaub reise, möchte ich von Pizza-essenenden Südländern ein 'Ciao Bella' hinterhergerufen bekommen. Und wenn ein US-Amerikaner nach Deutschland kommt, empfange ich ihn liebend gern im Dirndl und serviere ihm Sauerkraut und Weißbier, damit auch seine Urlaubserwartung nicht enttäuscht wird. In diesen Fällen entspricht das Klischee ja schon eher einer Werbung. Man pflegt und hegt das Klischee und trägt es in alle Welt hinaus. Es ist ein Markenzeichen. Nun, das sind die schönen Klischees, die eigenverantwortlichen Klischees, die, ohne die noch nicht mal der beste Witz funktionieren würde. Das Problem sind die fremdbestimmten Klischees, die Klischees von Feinden und Gegnern. Die Klischees von Unwissenden, Skeptikern und ja natürlich, manchmal auch von mir. Das wusste ich bereits vor Freitag Nacht. Selbstermahnung reicht nicht immer, manchmal braucht es eben einen Lehrer, der einen darauf aufmerksam macht, dass man mal wieder ein objektivierendes Arschloch ist.