Kapitel 2
Teo parkte sein schwarzes Range Rover vor dem Kindergarten und wartete wie die anderen Eltern, draußen vor der Tür auf die Kinder. Da sah er einen fremden Mann an der Wand lehnen. Er hatte sein Handy in der Hand und war völlig abgelenkt. Teo ging auf ihn zu und sprach ihn an. „Guten Tag.“ Der Mann sah auf. Er war gut gekleidet. Er trug eine teure Hose und ein dazu passendes weißes Hemd. Er hatte braune Haare, die an seitlich kürzer geschnitten waren. Nun sah er Teo mit seinen dunkelgrünen Augen an. „Hallo.“ „Matteo Ericson. Ich habe Sie hier noch nie gesehen.“ Teo reichte dem Fremden die Hand. Dieser schlug ein. „Dean Lewis. Ich wohne auch erst seit drei Tagen hier.“ „Tochter oder Sohn?“, fragte Matteo. „Weder noch. Ich hole meine Patentochter ab.“ „Verstehe. Dann haben Sie keine Kinder?“ Dean steckte sein Telefon ein und stieß sich von der Wand ab. „Nein. Ich bezweifle, dass ich einen guten Vater abgeben würde. Außerdem sind mir die Kinder von meinen Freunden lieber.“ „Wollen Sie denn keine Kinder?“, fragte Teo überrascht. „Es klingt herzlos, wenn ich jetzt nein sage, nicht wahr?“ Teo wollte etwas erwidern aber in den Moment ging die Tür auf und Nala kam auf ihn zugestürmt. Er fing sie auf und wirbelte sie einmal um seine eigene Achse. Daraufhin quietschte Nala. Sie schlang beide Arme um Teo. „Wo ist Mummy?“ „Sie muss noch arbeiten Süße. Deswegen darfst du heute bei mir mitfahren.“ Teo verlagerte Nalas Gewicht auf seine linke Seite und wandte sich erneut zu Dean. „Man sieht sich dann bestimmt“, sagte er und reichte ihm die Hand. Dean nickte und schlug ein. Kurz darauf kam ein kleines Mädchen auf ihn zu gerannt. Sie hatte rote, kurze Haare und viele Sommersprossen auf der Nase. Teo trug Nala zu seinem Auto und setzte sie in das Kindersitz, welches er von Ana bekommen hatte. Nalas Rucksack legte er auf den Beifahrersitz. Er lief um sein Wagen und setzte sich hinters Steuer. Die ganze Fahrt über, erzählte Nala, was sie den ganzen Tag im Kindergarten gespielt hatte. Teo hörte aber nur mit einem Ohr zu. Irgendwas an Dean Lewis war merkwürdig. Aber vorerst würde er das für sich behalten. Als er vor dem Diner parkte rief Nala: „Mummy ist da!“ In dem Moment stieg Ana aus ihrem Wagen und kam auf Teos Range Rover zu. Teo schaltete den Motor aus und kurz darauf öffnete Ana die Autotür. „Hallo Spätzchen.“ „Hallo Mummy. Wir haben ein neues Mädchen im Kindi.“ „Ach wirklich? Wie heißt sie denn?“, fragte Ana, während sie ihrer Tochter aus dem Wagen half. „Keira. Aber sie ist sehr schüchtern.“ Nala sah ihre Mutter sehr ernst an. „Hm. Vielleicht kannst du ihr ja helfen, sich hier einzugewöhnen“, schlug Ana vor. „Ich habe mit ihr schon gemalt“, sagte Nala stolz. „Wie die Mutter, so die Tochter“, sagte Teo lächelnd. Ana sah zu ihm rüber. Er hatte Nalas Rucksack in der Hand. „Ich danke dir Teo.“ „Gerne doch. Ich verbringe gerne Zeit mit der kleinen Prinzessin.“ „Und ich mit dir, Teo!“ „Ich gehe mit Nala hoch und ziehe sie um. Hast du jetzt Pause oder Feierabend?“, fragte Ana Teo. „Ich hab ein paar Ordner mitgenommen und gehe sie zuhause durch.“ „Verstehe. Dann lass dir drinnen von Lilian etwas zum Mitnehmen zubereiten.“ „In Ordnung.“ Teo ging vor Nala in die Hocke. „Bis bald dann.“ „Bye, bye.“ Nala winkte und lief zur Haustür. Ana nahm Teo den Rucksack ab. „Du warst wirklich meine Rettung.“ „Ich bin immer für euch da. Das weißt du.“ „Und dafür bin ich dir sehr dankbar.“ Ana wollte schon gehen, als Teo sie am Handgelenk festhielt. „Noch was. Die anderen Kinder hatten alle einen Elternbrief in der Hand. Schau in Nalas Rucksack.“ „Okay. Danke.“ Ana lief zur Haustür und schloss auf. Nala raste die Treppen hoch. Oben öffnete Ana die Wohnungstür und Nala wollte schon in ihr Zimmer rennen. „Nala, Hände waschen nicht vergessen.“ „Ja Mummy.“ Ana schloss die Tür, zog ihre Schuhe aus und ging ins Wohnzimmer. Sie öffnete Nalas Rucksack und nahm den Brief daraus. Bevor sie es lesen konnte, tauchte Nala auf. „Mummy, die Einladung ist nicht wichtig. Du brauchst sie nicht zu lesen.“ „Komm mal her Süße.“ Nala trat zögernd auf ihre Mutter zu. Ana legte den Brief zur Seite und hob ihre Tochter auf ihr Schoß. Anschließend nahm sie den Brief wieder in die Hand. Sie faltete es auseinander und sofort stach ihr ein Wort ins Auge. Vater-Kind-Tag. Jetzt verstand Ana, wieso Nala nichts von der Einladung wissen wollte. „So, so. Im Kindergarten gibt es also ein Vater-Kind-Tag. Warum hast du mir das nicht erzählt?“ Nala schwieg. Manchmal wünschte sich Ana, dass ihre Tochter nicht so klug wäre. „Warum haben die anderen Kinder einen Daddy und ich nicht?“ Diese Frage war wie ein Schlag ins Gesicht. Nala hatte sie noch nie nach ihrem Vater gefragt. Ana blieb für eine Sekunde die Luft weg. Wie sollte sie ihrer Tochter erklären, dass ihr Vater sie verlassen hatte, noch bevor sie auf die Welt gekommen war? „Nala, du hast auch einen Daddy, aber er…“ Die Türklingel unterbrach sie. „Ich komme gleich wieder, okay?“ Nala nickte und rutschte von Anas Schoß runter. Ana eilte zur Tür und zu ihrer Überraschung stand Teo vor ihr. „Was ist los?“ „Ich muss bei dir etwas ausdrucken. Meins hat den Geist aufgegeben…Alles in Ordnung?“ Ana schüttelte den Kopf. „Im Kindergarten gibt es einen Vater-Kind-Tag und Nala hat nach ihrem Vater gefragt. Ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll.“ Panik schwang in ihrer Stimme mit. „Alles klar. Beruhige dich jetzt und komm mit.“ Teo ging voraus ins Wohnzimmer und sah Nala auf dem hellblauen Sofa sitzen. „Na wen haben wir denn da?“, fragte Teo breit grinsend. „Teo!“ Nala sprang auf und umarmte ihn. Teo hob sie hoch. „Ich habe gehört, dass es ein Fest im Kindergarten gibt und ich nicht eingeladen wurde.“ Nala sah ihn verwirrt an. „Was ich sagen möchte Prinzessin, ist, dass ich unbedingt auf diese Feier möchte, aber leider fehlt mir ein hübsches, kleines Mädchen, dessen Name mit N anfängt.“ In Nalas Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Du kannst doch mit mir hingehen!“, rief sie. „Wirklich? Du würdest mit mir zu so einer Feier gehen?“, fragte Teo ehrfürchtig. „Ja!“ Ana stand hinter Teo und sah zu, wie er mit ihrer Tochter umging. „Dann haben wir ein Date. Du musst dich ganz hübsch anziehen.“ „Mach ich!“ Nala sah zu ihm runter. „Wann ist denn unser Date?“ Das war Anas Stichwort. Sie faltete den Brief erneut auseinander und las es durch. „Diesen Sonntag. Es beginnt um zehn Uhr und um zwölf Uhr dreißig kommen die Mütter dazu.“ „Das hört sich doch super an.“ Teo verschwieg, dass er bis Montag ein wichtiges Bericht abgeben musste. Aber das würde er schon schaffen. Er sah zu Ana rüber und merkte wie sehr ihr das bedeutete. Er setzte Nala ab. „Prinzessin, spiel doch ein bisschen in deinem Zimmer. Ich muss mit deiner Mummy reden.“ „Okay.“ Nala rannte aus dem Wohnzimmer. Ana sah Teo an. „Ich danke dir. Wirklich, ich weiß nicht, wie ich mich jemals dafür revanchieren kann.“ Tränen stiegen ihr in die Augen. Teo zog sie in seine Arme. Er war ein großes Stück größer als sie. „Hey, du brauchst dich für nichts zu revanchieren. Ich liebe Nala, wie mein eigenes Kind und du bist wie eine Schwester für mich.“ Und das, obwohl er ihre Vergangenheit nicht kannte. Wer Nalas Vater war. Selbst ihren richtigen Namen kannte er nicht. „Trotzdem danke. Das würde nicht jeder machen.“ „Ich bin auch nicht jeder. Und jetzt reiß dich zusammen, bevor deine Tochter dich so sieht.“ Ana löste sich von ihm und nickte. Sie nahm aus ihrer Hosentasche die Packung Taschentücher raus und wischte sich die Tränen fort. „Du wolltest doch etwas ausdrucken.“ „Ja, wollte ich.“ Teo lief zum Drucker und fuhr Anas Laptop hoch. Seinen Stick lege er neben ihr Laptop. Ana fragte sich manchmal, warum Teo nicht erneut heiratete. Seit seine Frau verstorben war, hatte er sich auf keine neue Beziehung eingelassen. Teo war nun dreißig Jahre alt und Mary war eine gute Freundin von Ana gewesen. Sie war eine reizende Frau und vor vier Jahren, kurz nachdem Nala auf die Welt gekommen war, war sie bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Damals war Ana eine große Stütze für Teo gewesen. Mary war einfach zu früh gestorben. Aber im Gegensatz zu anderen Leuten, drängte Ana Teo nicht zu irgendwelchen Dates, aus denen sowieso nichts werden würde. Teo würde schon wissen, wann die richtige Zeit für ihn kommen würde. „Möchtest du irgendwas Trinken?“ „Eine Cola, wenn du eins da hast.“ Ana verdrehte die Augen. „Als ob du das nicht wüsstest. Du deponierst doch immer welche bei mir.“ „Meckere nicht so rum.“ Er öffnete die Datei und klickte auf Drucken. Während er seine Dateien ausdruckte ging Ana in die Küche und holte für Teo eine Cola. Als sie zurück ins Wohnzimmer ging, war Teo mit seiner Arbeit fertig. Sie reichte ihm sein Glas. „Ich muss wieder in das Diner. Bleibst du hier oder kommst du mit?“ Teo leerte sein Glas und stand auf. „Ich komme mit.“ „Okay, ich hole Nala.“ Gemeinsam gingen sie runter ins Diner. Auf halbem Weg kam Ronny ihr entgegen. „Ana, wir müssen Jackson anrufen. Ein Waschbecken tropft.“ „Warum kommst du mir nicht mit guten Nachrichten?“, seufzte Ana. „Sorry.“ „Gut, ich rufe dann mal Jackson an.“ „Er wird sich freuen“, sagte Ronny grinsend. Jackson war schon seit Jahren in Ana verliebt. Aber es war nur eine einseitige Liebe. Kopfschüttelnd drückte Ana Nala einen Kuss auf die Stirn. „Süße, setz dich doch an einen Tisch. Lilian bereitet dir etwas zu essen zu.“ „Okay Mummy.“ Nala lief zu einem freien Tisch und setzte sich hin. „Ronny, kannst du dich darum kümmern?“ „Klar.“ Ana lief ins Büro und wählte die Nummer von Jacksons Klempnerei.
Schon nach fünfzehn Minuten reparierte Jackson das Waschbecken. Ana stand hinter ihm. „So, das wars dann“, sagte er und stand auf. Jackson war nicht besonders groß. Vielleicht gerade mal ein Meter fünfundsiebzig. Er trug eine Brille, war schlaksig, hatte blonde Haare, die ihm in die Stirn fielen und einen drei Tage Bart. Er putzte seine Hände an einem Lappen ab und sah, mit seinen bernsteinfarbenen Augen, Ana lächelnd an. „Danke Jackson. Wie viel schulde ich dir?“ „Zwanzig Dollar.“ Ana zog eine Augenbraue hoch. „Warum gehst du mit dem Preis runter?“ „Es war ja nicht viel zu machen“, sagte er und packte seine Werkzeuge zusammen. „Na schön.“ Ana holte aus ihrem Geldbeutel zwanzig Dollar raus und reichte es Jackson. „Ehm, Ana?“ „Ja?“ „Ich wollte dich fragen, ob du Lust hast, am Samstag mit mir essen zu gehen?“ Es tat Ana leid, ihm immer einen Korb zu geben, aber Jackson ließ nicht locker. „Es tut mir leid, aber es geht nicht. Ich muss den Karaoke Abend vorbereiten.“ „Dann vielleicht wann anders.“ Ana erwiderte daraufhin nichts und öffnete Jackson die Tür. „Bis dann Jackson“, rief Ronny hinter der Theke. Jackson winkte ihr zu und verließ dann das Diner. Kurz darauf kam Ronny hinter der Theke hervor. „Und, was hat er gesagt?“, fragte sie leise. „Was wohl? Er hat mich zum Essen eingeladen.“ „Und du hast ihm wieder einen Korb gegeben“, stellte Ronny fest. „Ich sehe ihn einfach nicht so, wie er mich sieht. Verstehst du?“ „Klar. Du bist immer noch nicht über einen anderen hinweg“, sagte Ronny beiläufig und Ana zuckte heftig zusammen. Ihre Freundin hatte zwar keine Ahnung aber dieser Satz versetzte sie unter Schock. Anscheinend bemerkte es Ronny. „Um Gottes Willen. Ana, geht es dir gut? Du bist leichenblass.“ Ronny führte ihre Freundin ins Büro, weg von den Kunden. „Ana, du hast eiskalte Hände!“ „Mir…mir geht es gut“, brachte Ana mühsam hervor aber vor ihrem inneren Auge tauchte nur ein Bild auf. Eine Person. Nalas Vater. „Ich hole dir ein Glas Wasser.“ Ana hielt ihre Freundin fest. „Mir geht es gut. Ich muss den Karaoke Abend vorbereiten.“ „Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?“ Ana zwang sich zu einem Lächeln und nickte. „Okay. Dann geh ich wieder an die Arbeit.“ Zögernd verließ Ronny das Büro. Als die Tür zu war, holte Ana einmal tief Luft. Ich liebe dich, Claire. Hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf sagen. Sie schob die Erinnerungen beiseite und machte sich an die Arbeit. Das Skyline Diner war für seine Karaoke Abende bekannt.