Kapitel 3
Die Woche war eintönig verlaufen. Es war Samstagabend und das Diner war voll. Zwar war die Saison vorbei, in der die Touristen kamen, aber es waren immer noch welche dabei. Ana hatte einen Babysitter für Nala eingestellt, da auch sie arbeiten musste. Sie trug ihre hellblaue Hose, ein schwarzes T-Shirt, dessen Kragen weiß war. Sie hatte ihre Haare zu einem hohen Zopf gebunden. Lilian war in der Küche beschäftigt und Ana half ihr. Ronny, Nick und Celine kellnerten. Miguele kümmerte sich um die Musik. „Ich kündige kurz den Karaoke Abend für eröffnet und bin gleich wieder da“, sagte Ana zu Lilian. „Mach doch die Eröffnung.“ „Nein, wir haben zu volles Haus. Bin gleich wieder da.“ Ana zog ihre Schürze aus, wusch sich die Hände und trat raus. Sie trat zur selbst konstruierten Bühne, nahm das Mikrofon, welches Miguele ihr reichte. „Hallo und Herzlich Willkommen. Ich freue mich wieder so zahlreiche Gesichter zu sehen. Außerdem bin ich gespannt, wer heute die Eröffnung macht?“ Es war eine Frage in die Runde. Keiner meldete sich. „Hm, heute sind aber viele schüchtern“, fuhr Ana fort und lief durch die Runde. „Ich mache die Eröffnung!“, hörte Ana eine bekannte Stimme sagen. Sie drehte sich lächelnd herum. „Dann also Jackson. Wieso nicht? Viel spaß auf der Bühne.“ Sie reichte ihm das Mikrofon und trat zur Seite. Jackson sang jedes Mal um Ana zu gefallen. Aber er hatte keine Ahnung, dass sie die Songs die er sang, überhaupt nicht mochte. Heute aber überraschte er sie, in dem er Hold back the River von James Bay sang. Sie hatte aber keine Zeit zuzusehen und eilte zurück in die Küche. Drei weitere Bestellungen waren eingegangen. Sie zog sich wieder die Schürze an, wusch sich erneut die Hände und hantierte mit Lilian in der Küche. Es gefiel ihr währenddessen Musik zu hören. „Heute singt Jackson aber etwas ganz anderes“, bemerkte Lilian. „Das war bestimmt Ronny.“ Jacksons Stimme war gar nicht mal so übel. Zwar sang er ab und zu schief aber niemand buhte ihn aus. Ein gutes Zeichen. Lilian öffnete das kleine Fenster und rief: „Bestellung für Tisch vier!“ Kurz darauf tauchte Nick auf und nahm die Bestellung entgegen. Der Abend verlief wie sonst auch, nur etwas stressiger. Aber es war schön, so viele schöne Stimmen und Lieder zu hören.
„Das ist also das beste Diner auf der ganzen Welt?“, fragte Dean und sah sich in dem Retro eingerichteten Diner um. „Ja, es gibt nichts vergleichbares, als das Skyline Diner“, antwortete Peggy. „Außerdem ist heute Karaoke Abend“, fügte Peggys Ehemann John hinzu. „Na dann wollen wir doch mal sehen.“ Die drei setzten sich an einen freien Tisch weiter hinten. Kurz darauf kam ein Kellner. „Hallo Peggy, John.“ Der Kellner begrüßte Dean mit einem Nicken. „Hallo Nick. Ich wusste nicht, dass du heute arbeitest“, sagte Peggy. „Heute haben wir volles Haus und Ana hat mich gebeten auszuhelfen.“ „Wie geht es Ana denn?“, fragte diesmal John. „Sie steht total unter Stress.“ „Kein Wunder auch“, seufzte Peggy. „Also, was kann ich euch bringen?“ Dean sah sich die Karte an. „Für mich Menü fünf“, sagte Peggy. „Ich schließe mich an. Was ist mit dir Dean?“ „Ich nehme Menü sieben.“ Als Dean aufsah, bemerkte er, wie Nick ihn anstarrte. „Ist was?“ „Äh, nein. Ich meine, das ist das meist nicht gewählte Essen auf der Karte. Wegen der Kombi meine ich. Ana nimmt es aber nicht aus der Karte, weil sie es als Einzige bestellt. Sie sind der Erste, von dem ich diese Bestellung entgegennehme.“ Dean runzelte die Stirn. „So schlimm hört es sich doch nicht an. Da sind meine Lieblingsspeisen vorhanden.“ „Okaaay. Was möchtet ihr trinken?“ Die drei Gäste gaben ihre Bestellungen und Nick lief hinter die Theke. Er klopfte an die Scheibe. „Bestellung für Tisch fünf.“ Lilian nahm den Zettel entgegen. „Na sieh mal an, da hat jemand doch so einen komischen Geschmack wie du“, sagte sie an Ana gewandt. „Was meinst du?“ „Menü sieben wurde bestellt.“ Nachdem die Bestellung fertig war, nahm Nick sie entgegen und brachte sie zu Tisch fünf. „Das willst du essen?“, fragte John und sah auf Deans Teller. Darauf waren Pfannkuchen, Kartoffelsalat und Zaziki. Als Beilage war noch Schokoladensauce. „Ja.“ Mehr sagte er dazu nicht. Peggy sah Dean misstrauisch zu, aber er aß es und verzog dabei nicht mal das Gesicht. „Da kann ich echt nichts mehr dazu sagen“, murmelte Peggy. „Darf ich fragen, ob es auch wirklich schmeckt?“, fragte Nick. „Es schmeckt sogar sehr gut. Wer hat es zubereitet?“ „Ana. Naja dann wünsche ich einen guten Appetit und genießt den Abend.“ Nick zog sich zurück und bediente die nächsten Kunden. „Ihr hattet recht, es ist wirklich ein großartiges Diner.“ Peggy und John sahen sich gegenseitig an. „Ja, schade nur, dass niemand mehr singt.“ Peggy sah zur Bühne. „Das können wir doch ändern.“ Dean stand auf und lief zur Bühne. Er sprach kurz mit dem Mann der für die Musik zuständig war, dann nahm er das Mikrofon entgegen. Dean hatte lange nicht mehr gesungen. Vor allem nicht vor so vielen Menschen. Die Musik ertönte und er sang Demons von Imagine Dragons. Der Mann am Mischpult legte noch ein Chor in den Hintergrund. Dean hatte eine warme und volle Stimme. Außerdem war er sehr talentiert. Er machte Imagine Dragons Konkurrenz. Die anderen Gäste sahen ihm zu. Er war der Highlight des Abends.
Als Ana das Lied erkannte, hielt sie mit ihrer Arbeit inne und als dann auch noch die Person anfing zu singen, erstarrte sie. Das Tablett, welches sie in der Hand gehalten hatte, viel auf den Boden. Lilian zuckte zusammen und sah zu Ana. „Um Himmels Willen. Ana was ist los?“ Sie trocknete ihre Hände an ihrer Schürze und lief zu ihr. „Diese Stimme“, flüsterte sie. „Was ist damit?“ „Ich kenne sie.“ „Vielleicht hat die Person schon einmal hier gesungen. Komm setz dich hin.“ „Nein, ich muss sehen, wer das gesungen hat!“ Als sie aus der Küche stürmte, war niemand mehr auf der Bühne. Sie sah sich im Diner um. Aber sie konnte ihn nirgends sehen. Aber es war seine Stimme gewesen! So eine Stimme hatte sonst niemand. Lilian kam ihr hinterher. „Teo, gut das du da bist. Bring sie lieber hoch. Ich glaube sie ist etwas überarbeitet.“ Ana wusste nicht, wann Teo aufgetaucht war, aber sie schüttelte den Kopf. „Teo, er war hier! Ich habe seine Stimme wieder erkannt.“ „Komm mit, jeder sieht uns an.“ Sie ließ sich von ihm aus dem Diner führen, die Treppen hoch und in ihre Wohnung. Er gab Sally, der Babysitterin ihr Geld und verabschiedete sich von ihr. Als sie weg war, führte Teo Ana ins Wohnzimmer. Sie setzte sich hin und starrte Teo an. „Teo er war hier. Ich habe ihn gehört“, sagte sie leise, um Nala nicht zu wecken. „Wen denn?“ „Nalas Vater.“ Teo starrte sie an. „Was?“ Ana nickte. „Aber als ich draußen war, war er nicht da.“ „Vielleicht hast du dir das nur eingebildet.“ Ana schüttelte ihren Kopf. „Nein, so eine Stimme wie seine, hat niemand auf dieser Welt.“ Zum ersten Mal, erzählte sie etwas über Nalas Vater. „War er denn ein Sänger?“, fragte Teo vorsichtig. Erneut schüttelte sie ihren Kopf. Und diesmal ließ sie die Erinnerungen zu. „Ich habe ihn in einer Karaoke Bar kennengelernt.“
„Los Claire, ab auf die Bühne mit dir!“, drängte Brooke und schob sie auf die Bühne zu. „Brooke, hör auf damit“, zischte sie. Bevor sie auf die Bühne gelangte, stand ein Typ darauf. Claire atmete erleichtert durch. Er lächelte sie an. Oh Mann, was für ein Lächeln das war. „Na, da hast du aber Glück gehabt“, brummte Brooke. Claire hörte nur mit halbem Ohr zu. Ihre Aufmerksamkeit galt im Moment nur dem Typ auf der Bühne. Er trug schwarze zerschlissene Jeans und ein weißes, lockeres T-Shirt. Er hatte braune Haare, die ihm in den Nacken fielen. Auf dem Monitor blinkte ein Titel auf. Just a dream. Das war ein Duett. Ohne einen Partner da oben, würde er sich blamieren und das, nur weil er ihr helfen wollte. Die Musik ging an und er fing an zu singen. Und als der Part für eine weibliche Stimme kam, kletterte sie ohne lange zu überlegen auf die Bühne, stellte sich hinter das zweite Mikrofon und übernahm die weibliche Stimme. Während sie ihren Part sang, lächelte er sie an. Claire hätte niemals gedacht, dass sie soviel spaß dabei haben könnte. Aber mit diesem Fremden zu singen war wunderbar und befreiend. Es gab nichts außer sie und ihn. Als der Song zu ende war, jubelte das Publikum. Claire sah sich um und bemerkte, wie ihre beste Freundin Brooke sie anstarrte. Sie waren hier her gekommen um den bestandenen Examen zu feiern. Obwohl Claire nicht gerne groß feiern mochte, war sie doch froh, dass Brooke darauf bestanden hatte. Sonst hätte sie niemals diesen Typ, mit den dunkelgrünen Augen kennengelernt.
„Ana?“ Teos Stimme holte sie in die Gegenwart. „Was?“ „Du warst wie in Trance.“ Ana fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Ich glaube ich brauche wirklich schlaf.“ „Soll ich heute hier bleiben?“ Sie lächelte matt. „Nein, das brauchst du nicht. Wir sehen uns dann morgen, wenn du Nala abholen kommst.“ Teo musterte sie eine Weile, dann stand er auf. „Also gut. Aber falls du irgendwas brauchst…“ „Ruf ich dich an“, beendete sie seinen Satz. „Bis morgen und schlaf gut.“ Nachdem Teo gegangen war, ging Ana in das Kinderzimmer um nach Nala zu sehen. Sie schlief tief und fest. Ana küsste die Stirn ihrer Tochter und sah sie eine Weile an. Es tat ihr weh, dass sie ohne Vater aufwachsen musste. Auch sie hatte keinen kontakt mehr zu ihren Eltern. Nicht seit jenem Tag. Sie hatte zu keinem aus ihrem alten Leben mehr kontakt. Jeder hatte sich von ihr abgewandt. Selbst ihre damalige beste Freundin Brooke. Ana stand auf und verließ leise das Kinderzimmer. Sie ging in das kleine Badezimmer und duschte kalt um ihren Kopf wieder klar zu bekommen. Sie hatte sich getäuscht. Er hatte nie vorgehabt nach Arkansas zu gehen. Er wollte schon damals nach Europa. Zwar mit ihr zusammen, aber er hatte sich doch dagegen entschieden. Ohne ein weiteres Wort war er gegangen. Sie schüttelte den Kopf und versuchte die Erinnerungen zu verdrängen. Nach einer Weile ertrug sie die Kälte nicht mehr und stieg aus der Dusche. Sie wickelte sich in ihren Bademantel und ging in ihr Schlafzimmer. Dort zog sie die Vorhänge zu und zog sich an. Danach legte sie sich schlafen. Aber sie bekam kein Auge zu. Stattdessen starrte sie die Decke an. Er war es nicht. Das war unmöglich er. Sie schloss die Augen.