Kapitel 9
Einige Tage waren nun vergangen. Es war Freitagabend und Ana musste wieder den Karaoke Abend vorbereiten. Sie war im Diner. Nala saß an einem Tisch mit ihrer besten Freundin Liah und spielte mit ihr Barbie. „Ana!“ Nick kam auf sie zu. „Was gibt’s?“ „Ich bin mit der Website fertig, schaust du sie dir an?“ „Klar.“ Beide liefen ins Büro. Nick setzte sich auf den Schreibtischstuhl und Ana sah ihm über die Schulter. Er hatte die Homepage in den Farben des Diners gestaltet. Die Speisekarte, Preise, Öffnungszeiten, besondere Aktivitäten, wie der Karaoke Abend waren angegeben. Sowohl auch die Adresse und wie sie zu erreichen waren. Nick hatte sogar Fotos hinzugefügt. „Wer hat denn die Fotos gemacht? Die sind ja richtig professionell.“ „Eine Freundin von mir. Wie findest du es?“ „Das ist super geworden. Du kannst die Seite online stellen.“ Nick lächelte und stellte die Seite online. „Fertig.“ Ana klopfte ihm auf die Schulter. „Das hast du klasse gemacht.“ Ana ging zur Kasse, die sie verschlossen in ihrem Büro hielt und nahm hundert Dollar raus. „Hier. Wie abgemacht. Wann möchtest du denn Urlaub nehmen?“, fragte sie und reichte ihm das Geld. „Danke Ana. Wäre es nächste Woche okay?“ Sie lächelte. „Klar. Ich überarbeite den Arbeitsplan einfach und fertig. Brauchst du noch etwas?“ „Nein.“ „Gut, dann ab an die Arbeit.“ Nick nickte und verließ das Büro. Ana setzte sich auf den Schreibtischstuhl und öffnete die Datei mit den Arbeitsplänen. Sie strich Nick aus dem Wochenplan und überlegte, wie sie die Stunden füllen könnte. Montag und Dienstag hatte Celine vormittags frei. Aber da war sowieso nicht viel los. Montag bis Mittwoch arbeitete Ronny nur vormittags. Bei Lilian änderte sie nichts. Statt Nick würde sie dann einfach kellnern und das Bürokram würde sie dann abends nach Ladenschluss erledigen. Sie druckte die Datei aus und ersetzte sie durch den anderen Plan an der Pinnwand. Außerdem mailte sie den Dienstplan an alle. „So das wars. Jetzt noch den Karaoke Abend planen“, sagte sie zu sich selbst und wählte Miguels Nummer. „Hi Miguele, hier ist Ana.“ „Hallo Ana, ich wollte dich auch anrufen.“ „Wieso, ist etwas passiert?“ „Leider. Ich muss morgen nach Washington.“ „Was? Du weißt schon, dass morgen Samstag ist?“ „Ja es tut mir auch schrecklich leid, aber entweder du lässt es einmal aus, oder du suchst dir einen anderen DJ.“ „Miguele, das kannst du nicht bringen.“ „Um ehrlich zu sein, schon. Wir haben keinen festen Vertrag. Ich bin also zu nichts verpflichtet.“ Ana sah rot. „Also gut, aber weitere Auftritte kannst du dir dann hier auch sparen. Mit so einer Frechheit muss ich nicht umgehen. Viel Glück mit deiner neuen Arbeitssuche!“, zischte sie ins Telefon und legte dann auf. In dem Moment kam Ronny rein. „Wow, du siehst aus, als würdest du gleich explodieren. Was ist los?“ „Miguele wird nicht mehr auftreten. Wir brauchen einen neuen DJ.“ Ronny sah sie entgeistert an. „Du willst mich doch auf den Arm nehmen.“ „Nein. Du kennst nicht zufällig jemanden, der sich damit auskennt?“ „Das hier ist Hot Springs, denkst du wirklich, dass wir eine große Auswahl haben werden?“ „Irgendjemand muss sich damit auskennen.“ „Vielleicht lassen wir es ausfallen, bis wir jemanden gefunden haben“, überlegte Ronny laut. „Nein! Das Skyline Diner ist für seine Karaoke Abende bekannt. Ich werde es nicht ausfallen lassen, nur weil einer so inkompetent ist.“ Ana lief an Ronny vorbei, aus dem Büro und hielt nach Nick Ausschau. „Wo ist Nick?“, fragte sie Ronny. „Er bedient gerade deine Tochter und den gutaussehenden Arzt.“ Ana sah prompt zu Nala. Ronny hatte recht. Nick stellte ein Glas Orangensaft vor Nala ab und einen Kaffee vor Dean, der neben Nala saß. Ihm gegenüber, neben Liah, saß ihr Vater Tommy. Nala sah zu Dean auf und lachte über das, was er gesagt hatte. „Anscheinend mag Nala ihn“, sagte Ronny. Ana hingegen versuchte regelmäßig weiter zu atmen. Nicht hyperventilieren. Bleib ruhig. „Ich geh mal wieder an die Arbeit. Soll ich dir Nick schicken?“ „Nein, ich geh hin.“ „Okay.“ Ronny ging zu den neuen Gästen und Ana lief auf ihre Tochter zu. „Hallo Tommy, Doktor Lewis.“ „Hey Ana, wie geht’s dir?“ „Gut und dir Tommy?“ „Auch. Ich habe gerade Nalas neuen Freund kennengelernt.“ Er deutete auf Dean. „Neuer Freund?“ „Ja Mummy! Dean und ich sind jetzt Freunde“, sagte Nala strahlend. „Wundert mich eigentlich auch nicht. Sie findet schnell Freunde“, warf Tommy ein. „Ana?“ „Hm?“, sie sah Nick fragend an. „Übrigens, Dean war es, der Menü sieben bestellt hat. Du weißt schon, das was so eklig klingt.“ „Hab’s schon verstanden“, murmelte sie. „Kannst du mitkommen. Ich brauch deine Hilfe.“ Dann wandte sie sich an die anderen. „Viel Spaß noch.“ Danach lief sie los und Nick folgte ihr. „Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Nick, als sie allein im Büro waren. „Was meinst du?“ Ana nahm eine Dekoglas in die Hand und sah es an. „Du bist so, wie soll ich sagen, als würde gleich eine Apokalypse ausbrechen und du bist die Einzige, die davon weiß.“ Ana überlegte kurz. Er hatte eigentlich recht. Es kam dem sehr nahe zu. „Wegen Miguele“, sagte sie schließlich. „Was ist mit ihm?“ Ana legte das Glas auf die Seite und setzte sich hin. „Er kommt morgen nicht. Er kommt überhaupt nicht mehr. Aber wir brauchen dringend einen DJ. Kennst du jemanden, der das übernehmen könnte?“ Nick setzte sich Ana gegenüber. „Naja, ich habe einen Freund, der kennt sich damit aus, aber ich weiß nicht, ob er das machen würde.“ „Sag ihm, er bekommt dafür fünfzig Dollar.“ Nick starrte sie an. „Soll ich ihn jetzt anrufen?“ „Ja. Ich geh raus, dann kannst du in ruhe telefonieren.“ Ana stand auf. „Ich will ihn aber kennenlernen. Wenn er zusagt, soll er heute noch vorbei kommen.“ „Okay.“ Ana verließ das Büro und ging zur Theke. Ronny schenkte gerade zwei Gläser Cola ein und stellte sie anschließend auf ein Tablet. Kurz darauf kam Celine und nahm es entgegen. Ana setzte sich auf einen Barhocker. Sie sah geistesabwesend zu ihrer Tochter. Sie hatte so viel Spaß. Sie drückte Dean ihre Lieblingspuppe in die Hand. „Nala mag ihn“, stellte Ronny fest, als sie Anas Blick bemerkte. „Nala mag jeden“, murmelte Ana. „Aber niemanden, dem sie ihre Puppe geben würde.“ Warum musste Ronny so aufmerksam sein? Ana seufzte und sah Ronny an. „Kannst du mir einen Kaffee einschenken?“ „Kommt sofort.“ Ronny nahm eine Tasse und ging zur Kaffeemaschine. Nala durfte sich nicht so sehr an Dean gewöhnen. Sie hatte es selbst am eigenen Leib erfahren, wie es war, wenn Dean einfach verschwand. Außerdem musste sie auch mit ihm reden. „Hallo Ana!“ Sie zuckte zusammen, als Megs schrille Stimme neben ihr ertönte. Ana wandte den Blick von ihrer Tochter ab und sah Meg an. Sie setzte sich neben Ana und winkte Ronny zu. „Kannst du mir auch einen Kaffee bringen?“, fragte sie Ronny, als diese Anas Kaffee vor ihr abstellte. „Klar.“ „Sag mal Ana, seit wann erlaubst du denn deiner Tochter mit Fremden zu sprechen?“, fragte Meg und schielte zu Dean. „Er ist kein Fremder“, murmelte Ana und nahm ihre Tasse in die Hand. „Was?“, kreischte Meg und Ana verschüttete ihr Kaffee über ihre Hand. „Verflucht“ zischte sie. „Meg, was kreischt du denn so?“, fragte Ana und nahm eine Serviette. „Du hast gesagt, dass du ihn kennst!“ Jetzt erst bemerkte Ana ihren Fehler, fasste sich aber schnell. „Dr. Lewis ist Nalas Arzt“, erklärte sie sachlich. Meg zog eine perfekte Augenbraue in die Höhe. Meg war an sich eine perfekte Frau. Lange Beine, üppige Oberweite, kein Gramm zu viel, volle Lippen, die sie heute knallrot geschminkt hatte. Schokobraune Augen, mit dichten Wimpern, eine gerade Nase (die war sicherlich gemacht) und lange, blonde Locken. Sie trug wie immer stylische Klamotten. Heute trug sie ein knielanges, schwarzes Lederrock und ein bauchfreies schwarzes Top mit einem Reißverschluss vorne. Darüber trug sie einen roten Blazer, die sie aber jetzt auszog. „Ich habe gehört, dass er Single ist“, sagte Meg und schmachtete ihn an. Ana verdrehte die Augen. „Hey Ronny, ich bringe Nala ins Bett.“ Ana stand auf und ließ ihre Tasse stehen. „Kommst du wieder?“ „Ja, Sally ist gerade gekommen“, sie deutete zur Tür. „Alles klar.“ Ana lief auf ihre Tochter zu. „Spätzchen, schau mal wer gekommen ist.“ In dem Moment trat Sally neben Ana. „Ich möchte noch nicht gehen“, quengelte Nala. „Es ist schon spät, Süße.“ Nala schob die Unterlippe vor, stand aber auf. Dean reichte Nala ihre Puppen. „Danke.“ „Gerne. Schlaf gut Nala.“ „Gute Nacht.“ Sally nahm die Puppen von Nala und Ana nahm Nalas Hand. „Tschüss Liah“, rief Nala über ihre Schulter. Draußen gab Ana Sally die Haustürschlüssel. „Danke Sally.“ „Ich bin gerne mit Nala zusammen“, antwortete diese. Auch wenn Sally es nicht zugeben wollte, wusste Ana, warum sie so gerne auf Nala aufpasste. So konnte sie immer Nick sehen. Ana ging in die Hocke und breitete die Arme aus. Nala umarmte ihre Mutter. „Mummy, darf Dean uns mal besuchen kommen?“ Ana stockte der Atem. Sie blinzelte und räusperte sich, um ihre Stimme wieder zu bekommen. „Mal schauen. Jetzt gehst du aber ins Bett. Ein Kuss für Mummy.“ Nala gab ihrer Mutter einen Kuss und betrat dann mit Sally das Treppenhaus. In dem Moment kamen Tommy und Liah aus dem Diner. „Ihr geht?“ Liah nickte. „Ich muss ins Bett, sagt Daddy.“ „Dann auf Wiedersehen.“ Ana winkte Liah zu und ging dann ins Diner. Meg saß nicht mehr auf ihrem Platz. Sie hatte sich zu Dean gesellt. War auch nicht anders zu erwarten. Die attraktivste Frau, saß neben dem neuen, gutaussehenden Arzt. Ohne sie weiter zu beachten, ging sie zurück zur Theke. „Da bist du ja. Schau mal, was Meg wieder durchzieht.“ Ana sah nicht einmal hinüber. „Das ist mir egal. Ist Nick noch nicht aus dem Büro gekommen?“ Ronny schüttelte den Kopf. „Ich meine es ernst. Der Arme, er weiß nicht, worauf er sich da einlässt“, seufzte Ronny. „Er ist alt genug, um auf sich aufzupassen.“ Sie nahm ein Schluck von ihrem Kaffee und verzog sofort das Gesicht. Kalter Kaffee. Widerlich. „Schau ihn dir doch an, er ist völlig am verzweifeln“, fuhr Ronny unbeirrt fort. „Immerhin hat jetzt Teo seine Ruhe“, murmelte Ana. „Okay, das stimmt auch wieder. Aber sollten wir ihm nicht helfen?“ „Hilf du ihm, wenn du unbedingt willst.“ Ana stand auf und lief an Dean und Meg mit schnellen Schritten vorbei. Dabei spürte sie Deans Blick auf sich. Ohne zurück zu schauen betrat sie ihr Büro. Gleichzeitig verabschiedete sich Nick und legte auf. „Du hast so lange telefoniert?“, fragte Ana verblüfft. „Er steht jetzt vermutlich im Diner“, antwortete er. „Wie alt ist dein Freund eigentlich?“ „Einundzwanzig. Aber er macht echt gute Musik.“ „Das werden wir noch sehen.“ Beide liefen aus dem Büro. Ein Junge stand an der Tür und sah sich um. Er trug schwarze, zerschlissene Jeans, ein graues T-Shirt und um seine Hüfte hatte er ein schwarz-rot kariertes Hemd gebunden. Er hatte lange, braune Haare, die er zu einem Zwiebelzopf gestylt hatte. Seine ganze Erscheinung rief nach Musiker. „Ich schätze, das ist dein Freund.“ Ana deutete auf den Jungen. „Ja, das ist Reed.“ „Komm mit ihm ins Büro.“