Kapitel 17
Nachdem Ana das Diner abgeschlossen hatte, ging sie fix und fertig zurück in ihre Wohnung. Es war bereits spät. Sie öffnete leise die Türe und trat ein. Alle Lichter waren aus. Merkwürdig. Wo war denn Dean? Ana wollte erst nach ihrer Tochter sehen, also ging sie in Nalas Zimmer. Die Tür stand ein Spalt weit offen. Sie öffnete die Türe noch ein Stück und entdeckte auch Dean. Ihre Tochter lag in Deans Armen. Ihr Kopf lag auf seiner Brust und mit seinem linken Arm hielt Dean Nala fest. An seinen regelmäßigen Atemzügen, erkannte Ana, dass auch er tief und fest schlief. Ana lehnte sich an den Türrahmen und beobachtete eine Weile lang ihre Tochter mit Dean zusammen. Beide so zusehen machte Ana wütend. Wütend auf ihre eigene Mutter. Ihre Mutter war schuld daran, dass Nala ohne Vater aufwachsen musste. Ana ging leise zum Fenster und schloss die Vorhänge. Danach hauchte sie Nala einen Kuss auf die Schläfe. Anschließend zog sie die Decke über Vater und Tochter und ging aus dem Zimmer. In ihrem Schlafzimmer zog sie sich ebenfalls um und ging ins Wohnzimmer, mit einer Tasse Tee. Sie setzte sich ans Fenster und sah raus. Gegenüber von ihrem Diner war ein Park. Aber um die Uhrzeit, war es menschenleer. Ana sah hoch zu den Sternen. Es war eine Sternenklare Nacht. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet. Sie hatte vor der Dürreperiode Angst. Ihre ganzen Zutaten für ihre Speisekarte waren biologisch angebaut. Da fiel ihr ein, dass sie noch die Lohnabrechnungen machen musste. Sie stand auf und ging in ihr kleines Arbeitszimmer. Sie holte die Ordner raus und knipste die Schreibtischlampe an. Sie fing mit Lilians Lohn an. Sie rechnete ihre Stunden zusammen plus ihre Überstunden. Sie tippte alles in ihr Laptop ein. Sie musste die Abrechnungen bis spätestens morgen Mittag fertig haben und jetzt musste sie auch Reed auf die Liste setzen. Ana fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und gähnte. Sie wusste nicht wie die Zeit verging und sie sah nur noch Zahlen vor ihrem inneren Auge.
Als Dean aufwachte, wusste er erst nicht, wo er war. Doch dann sah er Nala neben sich liegen. Er sah auf seine Rolex. Es war gerade mal kurz vor sieben, aber seit gestern hatte er nichts mehr von Ana gehört. Langsam stand er auf und verließ leise Nalas Zimmer. Er ging zuerst ins Wohnzimmer, aber da stand bloß eine Tasse mit kaltem Tee. Wo steckte sie bloß? Er ging in die Küche und setzte Kaffee auf. Obwohl das eine kleine Wohnung war, musste er sie erst suchen. Nala hatte mit ihm gestern einen Rundgang gemacht. Er klopfte leise gegen Anas Schlafzimmertür. Als keine Antwort kam, öffnete er einen Spalt weit die Tür. Ihr Bett war gemacht und die Vorhänge waren offen. Er zog die Tür wieder zu und ging in ihr Arbeitszimmer. Dort entdeckte er sie auch. Sie war auf dem Schreibtisch eingeschlafen. Er trat leise hinter sie und sah ihr über die Schulter. Lohnabrechnungen und der neue Arbeitsplan. Sie war völlig überarbeitet. Er ging neben ihr in die Hocke. „Ana?“, er schüttelte sie sanft an der Schulter. Sie brummte etwas, was er aber nicht verstand. „Ana.“ Sie machte keine Anstalten aufzustehen. Also stand Dean auf, schob einen Arm unter ihre Beine und den anderen legte er um ihren Rücken. Anschließend hob er sie hoch. Mit ihr im Arm ging er in ihr Schlafzimmer und legte sie ins Bett. Er deckte sie zu und zog die Vorhänge zusammen. Dann verließ er das Schlafzimmer und ging zurück in die Küche. Er bereitete Frühstück vor. Nachdem er fertig war, schrieb er Ana eine Notiz. Er lehnte es gegen den Krug mit Orangensaft und verließ die Wohnung. Sein Auto stand immer noch auf dem Parkplatz. Er stieg ein und fuhr los. Er musste sich beeilen, denn sonst würde er zu spät zur Arbeit kommen. Sein Telefon klingelte und auf dem Display stand Peggy. Er schaltete auf Lautsprecher. „Was gibt’s Peggy?“ „Stimmt es, dass du bei Ana Davids warst und auf ihre Tochter aufgepasst hast?!“, schrie sie ins Telefon. „Ich bin nicht schwer hörig, Peggy. Du brauchst nicht zu schreien.“ Er konzentrierte sich auf den Straßenverkehr. „Stimmt es, ja oder nein?“, fragte sie mit normaler Lautstärke. „Ja. Ich habe auf Nala aufgepasst.“ „Wie zum Henker hat Ana Davids dir das erlaubt?“, fragte sie überrascht. „Sie hatte niemanden, der auf Nala aufpassen konnte und da Nala mich gern hat, habe ich ihr es angeboten.“ „Trotzdem hätte Ana das niemals zugelassen, wenn sie dir nicht vertrauen würde und sie kennt dich kaum!“ „Peggy ich fahre gerade. Können wir später reden?“ „Ach ja. Stimmt. Wo bist du eigentlich? Ich stehe seit zehn Minuten vor deiner Tür.“ „Was?“, rief Dean überrascht und fuhr rechts ran. „Ja, hallo? Ich musste doch mit dir reden. Also wo warst du? Du stehst doch normalerweise erst jetzt auf.“ „Ich war nicht zuhause.“ „Wo warst du denn dann?“ „Spielt das eine Rolle?“ Dean fuhr wieder los. „Oh. Mein. Gott! Du warst bei ihr! Habe ich recht? Ich habe recht! Verdammt! Du…“ „Peggy ich lege jetzt auf. Bis nachher.“ Gesagt getan. Nun erwartete ihn eine große Hürde. Seufzend fuhr er nachhause.
Ana schreckte aus dem Schlaf hoch und versuchte sich zu orientieren. Wann war sie denn ins Schlafzimmer gekommen? Sie sah auf die Uhr. Acht Uhr dreißig. Sie waren spät dran. Warum hatte ihr Wecker nicht geklingelt? Stimmt ja, sie hatte keines gestellt, weil sie die Lohnabrechnungen gemacht hatte. Ana zog sich einen Cardigan über und ging aus ihrem Schlafzimmer. Sie öffnete die Tür von Nalas Kinderzimmer. Sie schlief noch tief und fest. Aber Dean war nicht mehr da. Stirnrunzelnd lief sie ins Wohnzimmer. Dort war er auch nicht. „Dean?“, rief sie leise. Es kam keine Antwort. Sie lief am Flur vorbei und ja, seine Schuhe fehlten. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in Anas Magengegend aus. Bereute er es? Sie brauchte dringend einen Kaffee. In der Küche blieb sie wie angewurzelt stehen. Der Tisch war gedeckt und Kaffee gekocht. Sie fand eine Notiz auf dem Tisch. Sie nahm es in die Hand und las es.
Guten Morgen Schlafmütze, du bist auf deinem Schreibtisch eingeschlafen und ich wollte dich nicht wecken. Ich muss zur Arbeit und konnte nicht bleiben. Lasst es euch schmecken, Dean.
Ein Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus und vertrieb das mulmige Gefühl. Er hatte sie also ins Bett getragen. Ana ging in das Kinderzimmer um Nala zu wecken. Sie setzte sich auf die Bettkante und strich sanft über Nalas Haare. „Spätzchen, du musst jetzt aufwachen. Wir sind schon sehr spät dran.“ Nala öffnete die Augen und blinzelte ein paar mal. „Guten Morgen, Mummy.“ „Guten Morgen, Spätzchen.“ Ana gab Nala einen Kuss auf die Stirn. Auf einmal richtete sich Nala auf und sah sich um. „Wo ist Dean?“ „Er musste zur Arbeit. Und du musst in den Kindergarten. Los, ab ins Bad mit dir.“ Nala stand auf und verschwand im Badezimmer. Ana suchte inzwischen Klamotten für Nala aus ihrem Schrank raus. Nachdem sie sich fertig gemacht und gefrühstückt hatten, gingen sie aus der Wohnung. Da sie heute unter Zeitdruck standen, fuhr Ana Nala in den Kindergarten. Sie verabschiedete sich und trug in die Liste ein, wann sie Nala abholen würde. Danach fuhr sie zur Bank, erledigte ihre Geschäfte und parkte nach einer Stunde vor dem Diner. Heute musste sie nur im Büro arbeiten, deshalb zog sie sich nicht um. Sie hatte ihre Haare offen gelassen, da ihr Oberteil ein gewagtes Rückendekolletee besaß. Sie betrat das Diner und wurde von Ronny begrüßt. Es war sehr wenig los im Diner. Ana sah auf die Uhr. Bald begann Nicks Schicht. „Ronny, wenn Nick auftaucht, kannst du ihn mir bitte ins Büro schicken?“ „Klar, mach ich.“ Nick war gestern einfach ohne bescheid zu geben, verschwunden und seine Arbeitszeit war noch nicht vorbei gewesen. Ana ging in ihr Büro, hängte ihre Tasche auf und nahm hinter ihrem Schreibtisch Platz. Sie holte den Arbeitsplan raus. „Dann fangen wir mal an.“ Sie fuhr den Computer hoch und öffnete Excel. Zuerst schrieb sie Ronnys Arbeitszeiten auf: Montag bis Mittwoch von sechs Uhr bis dreizehn Uhr. Donnerstag und Freitag von dreizehn Uhr dreißig bis achtzehn Uhr. Dann eine halbe Stunde Pause. Von achtzehn Uhr dreißig bis einundzwanzig Uhr. Samstag vierzehn Uhr bis achtzehn Uhr, eine Stunde Pause, dann von neunzehn Uhr bis zweiundzwanzig Uhr.
Danach kam Celines Arbeitszeiten: Dienstag von dreizehn Uhr dreißig bis achtzehn Uhr dreißig. Anschließend eine Stunde Pause, dann bis einundzwanzig Uhr. Mittwoch bis Freitag sechs Uhr bis dreizehn Uhr. Samstag zwanzig bis zweiundzwanzig Uhr.
Nun kam Nick dran: Montag bis Mittwoch fünfzehn Uhr bis zwanzig Uhr. Donnerstag vierzehn Uhr dreißig bis neunzehn Uhr dreißig. Samstags von sechszehn Uhr bis zweiundzwanzig Uhr. dreizehn Uhr bis achtzehn Uhr mit individueller Pause. Samstag von neunzehn Uhr bis zweiundzwanzig Uhr. Individuelle Pause dazwischen.
Jetzt tippte sie Lilians Namen ein. Lilian arbeitete am Meisten. Montag bis Freitag sieben Uhr bis dreizehn Uhr. Danach von sechszehn Uhr bis neunzehn Uhr. Samstags von zehn Uhr bis zweiundzwanzig Uhr mit individuelle Pause. Aber ihre Arbeitszeiten variierten meistens.
Als nächstes änderte sie Migueles Namen in Reed um. Samstag neunzehn Uhr bis zweiundzwanzig Uhr.
Anas Arbeitszeiten variierten ständig. Aber sie arbeitete an allen Tagen. Es änderte sich nur wo sie arbeitete. Mal kellnerte sie, wie Ronny, Celine und Nick. Mal stand sie stundenlang mit Lilian in der Küche. Und wenn nicht viel los war, war sie im Büro. So wie jetzt. Aber wenn sie den Arbeitsplan so ansah, brauchte sie dringend eine weitere Mitarbeiterin. Lilian brauchte dringend in der Küche Hilfe, aber sie teilte ungern die Küche. Eine weitere Kellnerin wäre auch gut. Aber sie wusste nicht, ob sie zwei entlohnen konnte. Ana band ihre Haare zurück und druckte den Plan aus. Sie stand auf und ersetzte es durch den alten Arbeitsplan. Sie ging zurück und kümmerte sich um die Ein und Ausgaben. Sie nahm ein dickes Ordner aus dem Regal hinter ihr raus und verglich die Ausgaben mit den angekommenen Waren. Außerdem rechnete sie noch Stromkosten dazu. Dieser Monat war sehr gut verlaufen. Die Touristen hatten viel eingebracht. Das Klopfen an der Tür, ließ sie aufschauen. „Herein“, rief sie und Nick trat ein. „Nick, setz dich doch.“ Nick nahm Ana gegenüber Platz. „Ich habe eine Frage an dich. Warum bist du gestern vor Dienstschluss einfach gegangen, ohne jemandem Bescheid zu geben?“ „Es tut mir wirklich leid Ana aber meine Mum hat mir geschrieben, dass zuhause etwas schlimmes passiert ist. Ich bin so schnell wie möglich gegangen aber es war doch nicht so schlimm und dann hab ich vergessen anzurufen. Du weißt, dass ich ein verantwortungsbewusster Arbeiter bin“, erklärte er mit Reue in der Stimme. „In Ordnung, diesmal lasse ich es durchgehen, aber wenn du familiäre Probleme hast, sag es mir. Ich werde dich schon nicht zwingen, hier zu bleiben“, sagte Ana sanft. Nick nickte. „Und jetzt an die Arbeit.“ „Danke Ana.“ Nick stand auf und verließ das Büro. Als nächstes nahm sich Ana die Einkaufsliste vor, die Lilian für sie vorbereitet hatte. Es war eine lange Liste. Sie musste zum Bauer fahren, dann zur Obstplantage, anschließend ins Kräuterladen, danach musste sie eine Bestellung beim Metzger geben. Sie sah auf die Uhr. Es war kurz vor vierzehn Uhr. Ronnys Schicht war bereits zu ende. Celine und Nick kellnerten. Sie wählte die Nummer vom Metzger. Zu ihm würde sie es nicht mehr schaffen. Sie gab die Bestellung durch. Nachdem sie aufgelegt hatte, räumte sie den Ordner auf und fuhr ihren Computer runter. Sie wollte nachschauen, wie es im Diner lief. Sie trat aus dem Büro. Inzwischen war mehr los. Die Berufstätigen aßen hier zu Mittag. Unter ihnen war auch Dean. Er saß in einer Nische. Nick stellte in dem Moment seine Bestellung vor ihm ab. Celine servierte zwei Tassen Kaffee. Ana lief auf Dean zu und setzte sich ihm gegenüber. „Danke für das Frühstück“, sagte sie leise. „Gern geschehen“, gab er ebenso leise zurück. „Hast du Mittagspause?“, fragte sie nun in normaler Lautstärke. „Ja. Das schmeckt echt gut.“ Er deutete mit seiner Gabel auf sein Pasta. „Lilian ist eine klasse Köchin. Eine bessere findet man nicht.“ „Was ist mit dir? Ich erinnere mich noch an dein Essen.“ Ana war sprachlos. Er konnte sich noch an ihr Essen erinnern? „Ich bin auch nicht schlecht“, sagte sie schließlich. „Wie war dein Tag?“, fragte sie schnell, um das Thema zu ändern. Dean stöhnte auf und ließ seine Gabel sinken. „Frag nicht. Peggy hat mich ausgequetscht wie eine Zitrone. Sie ist heute Morgen vor meiner Tür aufgekreuzt und wollte wissen, wie du mir Nala anvertrauen konntest.“ „Was hast du gesagt?“, fragte Ana und leichte Panik schwang in ihrer Stimme. „Das Nala mich mag, und weil ich ihr das Leben gerettet habe, du mir vertraut hast. Dann hat sie behauptet, dass ich über Nacht bei dir war, aber das habe ich natürlich bestritten. Sie hat es mir auch geglaubt.“ „Okay. Danke, Dean.“ „Es wäre immerhin merkwürdig. Zumindest für Außenstehende.“ Ana nickte langsam. „Ich muss nachher zur Obstplantage. Ich nehme Nala mit. Willst du uns begleiten?“ „Um wieviel Uhr?“ „Sechszehn Uhr.“ „Da endet meine Schicht. Ich komme gerne mit. Wo soll ich hin?“ „Komm einfach zum Diner. Wir fahren dann mit dem Pick-up.“ „Du kannst ein Pick-up fahren?“ „Klar.“ Sie sah auf ihre Armbanduhr. „Ich muss jetzt los und Nala abholen. Bis nachher.“ Sie stand auf. „Bis später.“ Ana verließ das Diner und ging zu Fuß. Es war Impulsiv von ihr gewesen, Dean einzuladen. Aber sie wollte, dass er und Nala mehr Zeit miteinander verbrachten. Bald mussten sie Nala sagen, dass er ihr Vater war. Auf dem Weg ließ Teo klingeln und Ana rief ihn an. „Was gibt’s Teo?“, fragte sie. „Ich wollte fragen wie es dir geht. Seit gestern habe ich nichts mehr von dir gehört.“ Stimmt. Sie hatte vergessen Teo zu schreiben, aber im Diner war zu viel los gewesen. „Tut mir leid, aber im Diner war es richtig stressig. Mir geht es gut.“ „Das hört man an deiner Stimme. Was ist denn zwischen dir und Dean vorgefallen?“ „Nichts. Aber er war so süß zu Nala. Es wurde gestern sehr spät, als ich vom Diner hoch in die Wohnung gegangen bin und da hab ich beide zusammen schlafen gesehen.“ „Das heißt dann wohl, dass er seine Tochter akzeptiert.“ „Ja, und ich könnte nicht glücklicher darüber sein. Meine Ängste waren völlig überflüssig.“ „Das freut mich für dich, Ana. Du verdienst es glücklich zu sein“, sagte er mit Aufrichtigkeit. „Danke. Ach und Teo, ich brauche dringend eine neue Mitarbeiterin. Du weißt nicht zufällig, wer eine Arbeit sucht?“ „Ich höre mich mal um.“ „Danke. Ich muss jetzt auflegen. Bin jetzt vor dem Kindergarten.“ „Okay, bis dann.“ Ana legte auf und holte Nala ab. Als Nala hörte, dass Dean sie begleiten würde, war sie völlig aus dem Häuschen.