Kapitel 20
Reed starrte sie an. „Ich habe doch gesagt, dass…“ „Ich glaube dir das aber nicht. Es wird unter uns bleiben. Ich verspreche es.“ Ana sah ihn ernst an. Sie hatte so viel für ihn getan. Sie hatte ihn sogar bei sich aufgenommen. Er konnte ihr vertrauen. Ana war anders. „Also gut. Ich hatte dreihundert Dollar bei mir.“ Anas Augen weiteten sich. „Dreihundert… Was hattest du denn mit soviel Geld vor?“, fragte sie ihn überrascht. „Keine Sorge, nichts illegales.“ Ana verdrehte die Augen. „Reed, das habe ich nicht behauptet und auch nicht gedacht. Also, was hattest du mit so viel Geld auf einmal vor?“ Reed schwieg eine Weile. „Du kannst mir vertrauen. Egal was du sagst, es wird unter uns bleiben, das schwöre ich“, fügte sie hinzu. Sie sah, wie Reed mit sich selbst rang. „Also gut, aber du sagst es keinem. Nicht einmal Dean.“ „Warum sollte ich es Dean sagen?“ „Naja, du liebst ihn doch.“ Anas Augen weiteten sich. Egal, darüber würden sie später sprechen. „Ich verspreche, es keiner Menschenseele zusagen.“ „Okay, du kennst doch die Klinik in der Nachbarstadt?“ „Für Menschen mit einer Behinderung?“ Ana dachte an das große Haus, welches wie ein Schloss aussah. „Ja“, antwortete sie schließlich. „Dafür habe ich es gebraucht. Ich muss monatlich dreihundert Dollar dafür zahlen.“ „Warum das denn?“, fragte Ana stirnrunzelnd. „Wegen Abbey.“ „Und wer ist Abbey.“ Reed holte tief Luft. „Abbey. Abigail, ist meine sechszehnjährige Schwester. Sie ist… Abbey, hat eine geistige Behinderung. Sie hat Autismus. Anfangs habe ich versucht, mich um sie zu kümmern, aber mit meinem Vater im Nacken, war das sehr schwer. Ich hatte einfach Angst, dass, wenn Abbey einen Anfall hat, mein Vater ausrasten könnte und sie dabei verletzen würde. Immerhin kann sie nichts dafür. Deshalb habe ich mich umgeschaut und schließlich die Klinik gefunden. Mir ist es sehr schwergefallen, Abbey dorthin zu bringen, aber sie brauchte einen geordneten Tagesablauf, und Menschen, die Beständig sind. Das konnte ich ihr nicht geben, so sehr ich es auch wollte. Sie lebt jetzt seit fast zehn Jahren dort.“ „Aber diese Klinik ist doch sehr teuer, oder nicht?“ Reed schwieg kurz. „Wie gesagt, ich zahle dreihundert Dollar monatlich.“ „Reed, diese Klinik kostet sicher mehr als dreihundert Dollar“, sagte Ana vorsichtig. „Ich schaffe nebenher dort. Freitags, organisiere ich entweder Musikabende, Spielabende oder so etwas in der Art. Die Besitzerin weiß über meine Lebensverhältnisse Bescheid. Deswegen kommt sie mir entgegen.“ „Du hast zwei Jobs?“, fragte Ana verblüfft. „Ana, was glaubst du, wie ich die Klinik bezahlen konnte, bevor du mir ein Job angeboten hast? Ich habe vier Jobs.“ Ana klappte die Kinnlade herunter. „Vier? Du hast vier Jobs?“ „Was glaubst du, wieso ich so selten in die Schule gehe?“ Ana wusste nicht was sie sagen sollte. „Darf ich fragen, was das für Jobs sind?“ „Bei dir im Diner, in der Klinik, dann in Benton als Hausmeister in einer Firma und Barkeeper, auch in Benton.“ „So bringst du das Geld zusammen?“ „Ja. Das was wir von der Hilfe bekommen, versauft mein Vater. Irgendwie muss ich ja die Miete zahlen.“ „Wie zum Teufel schaffst du das alleine?“ „Ich habe ja keine andere Option. Daher war dein Angebot für ein Job im Diner eine Erlösung von einem anderen Job.“ „Was für eins?“ „Spielt keine Rolle. Aber mit dem Gehalt, was ich als DJ bei dir bekomme, reicht dafür aus, dass ich noch ein Job kündigen kann. Also danke.“ „Reed…“ „Ana, lass mich nicht bereuen, dass ich es dir erzählt habe.“ Ana legte ihre nächsten Worte zurecht. „Reed, lass mich erst aussprechen, okay?“ Er nickte zögernd. „Reed, du bist der stärkste Mensch, den ich kenne. Du hast mehr durchgemacht als jeder andere. Ich bewundere dich, dass du das alleine geschafft hast. Aber ich… Reed ich würde dir so gerne helfen. Darf ich dir unter die Arme greifen?“ „Ana, deswegen habe ich es dir nicht erzählt, wie gesagt, ich schaffe das.“ „Das bezweifle ich nicht. Das klingt jetzt vermutlich seltsam, aber ich beneide dich.“ „Du beneidest mich?“, fragte er überrascht. Er sah aus, als könnte er nicht glauben, was sie da gesagt hatte. „Ja, ich wünschte, ich wäre damals auch so stark gewesen, wie du es bist.“ „Damals? Ana du bist die stärkste Person, die ich kenne.“ Ana sah ihn eine Weile lang an und lehnte sich dann zurück. „Du warst so offen und ehrlich zu mir. Deshalb werde ich dir mal, von mir etwas erzählen.“ Sie konnte nicht glauben, dass sie ihr Geheimnis Reed erzählen würde. Sie hatte es vor jedem geheim halten wollen. „Vor meiner Zeit in Hot Springs habe ich in einer Großstadt gelebt. Mit meinen Eltern. Von außen sah es aus wie ein perfektes Leben, aber in unserem Haus, war es einfach nur…unsere Familie war einfach nur kaputt. Meine Eltern waren einfach nur perfekt nach außen. Meine Mom hat einmal im Monat eine Gala geplant. Ich musste mich in so eklig, kitschige Kleider zwängen. Du musst wissen, meine Eltern führen ein großes Unternehmen. Ich weiß nicht, ob du davon gehört hast Daniels & Hastings Company.“ „Warte was? Das ist doch dieses riesige Unternehmen. Aber wenn du die Tochter bist, warum heißt du dann Davids?“ „Meine Eltern sind Susan und Michael Daniels.“ „Krass. Aber du…“ „Ich weiß, ich habe meinen Namen geändert, als ich hier hergezogen bin. Mein Geburtsname ist Claire Daniels.“ „Aber warum hast du deinen Namen geändert?“ „Ich wurde mit zwanzig Schwanger. Während meinem Studium. Mein Vater war so wütend, als er davon erfuhr. Beide wollten, dass ich abtreibe.“ „Du hast es nicht getan.“ „Natürlich nicht. Wie könnte ich ein Leben auslöschen? Da stand ich nun, schwanger und ohne den Vater von Nala.“ „Warte, der Kerl hat dich einfach im Stich gelassen?“, rief Reed wütend. „Er wusste nicht von meiner Schwangerschaft. Er ist damals ohne mich gegangen. Meine Mutter hat uns eine Falle gestellt, so haben wir uns auch getrennt. Und weil ich nicht abtreiben wollte, hat mich mein Vater rausgeschmissen. Meine Mutter hat nichts gesagt. Sie hat es zugelassen. Immerhin wäre ich eine Schande für sie. Also bin ich in ein Bus gestiegen und bin solange gefahren, bis mir mein Geld ausgegangen ist. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war das keine gute Idee. Naja, letztendlich habe ich Teos Mutter getroffen. Sie hat mir ihre Hilfe angeboten. Ich habe sie angenommen, weil ich ansonsten nicht für Nala hätte sorgen können. Teos Mutter hat mir schließlich eine neue Identität besorgt, ich habe meine Haare gefärbt und hier bin ich jetzt.“ „Willst du mir deswegen so sehr helfen?“ Reed sah sie an. „Ich hätte es niemals ohne Hilfe geschafft. Du schaffst es gerade so, aber was ist mit dir? Mit deinem Leben und deinen Träumen?“ „Die müssen warten.“ Ana seufzte. „Lass mich dir helfen, und sie müssen nicht warten. Glaub mir, ich habe lange genug gewartet. Das ist nur verschwendete Zeit und eine Ausrede.“ „Ana…“ „Reed, wenn ich dir meine Hilfe anbiete, heißt das nicht, dass ich dich schwach und unfähig halte. Ich möchte nur, dass du eine Zukunft hast und nicht für andere Leben musst.“ „Wie könntest du mir denn helfen?“ Ana lächelte sanft und legte eine Hand auf seinen. „Angefangen mit den dreihundert Dollar für deine Schwester.“ „Ich kann kein Geld von dir annehmen.“ Er schüttelte sofort sein Kopf. „Lass mich doch ausreden. Ich leihe dir das Geld.“ „Ana, ich weiß nicht ob du etwas verpasst hast, aber ich muss jeden Monat dreihundert Dollar zahlen. Da kann ich es dir nicht wieder zurückzahlen.“ „Ich sagte auch nicht gleich sofort. Wir zwei werden ein Deal machen. Für beide Seiten fair.“ „Ich ahne nichts Gutes.“ Ana grinste. „Du kündigst deine Jobs in Benton. Dafür fängst du im Diner als Vollzeitkraft an. Dadurch steigt dein Gehalt auf vierhundert Dollar. Du wirst natürlich nach der Schule arbeiten. Und sag jetzt nicht nein, ich brauche nämlich Angestellte. In der Klinik wirst du weiterhin arbeiten. Ich vermute, dass dir das auch Spaß macht. So, dass heißt dann für dich, dass du regelmäßig in die Schule gehst. Außerdem werde ich mit einem Kumpel von mir reden, ob es eine bestimmte Hilfe gibt, mit dem man dich unterstützen könnte. Keine Sorge, er wohnt nicht in Hot-Springs“, sagte sie schnell, als sie merkte, dass er widersprechen wollte. „So, dann suchen wir für dich eine eigene Wohnung. Dein Vater bekommt die Hilfe, die ihm zusteht, und du die, die dir zusteht.“ „Das geht?“ „Na klar. Du brauchst nur jemanden, der dich unterstützt. Und ich wäre gerne dieser Jemand.“ Sie sah, wie er nachgab. „Also gut. Abgemacht. Aber wann soll ich dir dann das Geld zurückzahlen?“ „Nach dem Collage“, antwortete Ana ohne zu zögern. „Was?“ „Du machst erst einmal die Schule fertig. Dann das Collage und sobald du eine richtige Arbeit hast und einen regelmäßigen Einkommen.“ „Wie kannst du dir so sicher sein, dass ich das Collage schaffe?“ „Ich bitte dich. Jemand, der solche Hürden schafft, kommt sicher mit dem Collage zurecht.“ Sie winkte mit der Hand. Dann reichte sie es ihm. „Abgemacht?“ Er schlug ein. „Abgemacht.“ „Ach und Reed, ich muss nicht erwähnen, dass du mein Geheimnis für dich behalten musst?“ „Du redest hier mit mir, ich würde dir niemals in den Rücken fallen. Nicht nach alldem was du für mich getan hast und auch tust.“ Sie lächelte und umarmte ihn. „Schlaf jetzt. Ich werde morgen in die Klinik fahren und das Geld bringen, okay?“ „Okay.“ Sie ließ ihn los und ging in ihr Schlafzimmer. Geschafft.
In den nächsten Tagen, klärte Ana, das mit der Klinik und mit der Sozialhilfe für Reed. Sie hatten sogar ein paar Wohnungen angeschaut. Außerdem hatte Ana mit Dean bezüglich Nala gesprochen. Sie hatten sich geeinigt, dass sie es Nala am Samstag sagen würden. Und heute war Samstag. Sie wollten ein Picknick machen und gingen daher in ein Park, wo sie ungestört waren. Es war inzwischen kühler geworden. Daher trug Ana eine dunkelbraune Lederjacke. Auch Nala trug eine blaue Jeansjacke. Trotzdem war es noch schönes Wetter für ein Picknick. „Soll ich sie rufen?“, fragte Ana zögernd. Ihr Herz klopfte wie wild. „Ja.“ Dean und Ana saßen an einem Picknicktisch. „Nala, Süße. Komm bitte her.“ Nala kam angerannt. „Was ist denn?“, fragte sie und sah ihre Mutter an. „Wir müssen dir etwas sagen.“ Nala setzte sich auf die Bank gegenüber von Ana. Ana ging zu ihrer Tochter und setzte sich neben sie. „Süße, du hast mich doch mal gefragt, wieso du kein Daddy hast, erinnerst du dich noch.“ Nala nickte. „Und ich habe dir gesagt, dass du einen Daddy hast, er aber nicht da ist.“ „Ja. Aber das ist nicht schlimm, ich habe ja dich Mummy.“ „Das freut mich, aber dein Daddy ist gekommen.“ Nalas Augen weiteten sich. „Hast du ihn lieb?“ „Ja habe ich. Warum fragst du?“ „Du sollst ihn nicht lieb haben.“ Ana sah ihre Tochter, dann Dean an. Er war kreideweiß. Sie hatten zulange gewartet. Ana bekam ganz kalte Hände. „Warum denn nicht?“, fragte sie ihre Tochter. „Weil du Dean lieb haben sollst“, rief sie. Anas Sorgen verpufften. Und auch in Deans Gesicht kehrte Farbe zurück. „Hör mir jetzt gut zu Nala. Dein Daddy, wollte dich erst kennenlernen und schauen, ob du ihn magst.“ „Und wann kommt er?“ „Nala, dein Daddy ist Dean.“ Nala sah ihre Mutter mit großen Augen an. „Wirklich?“, flüsterte sie. Ana nickte. Sie hatte eine ganz trockene Kehle. Danach sah Nala Dean an. „Nala, dein Daddy war nicht hier bei uns, weil er nicht wusste, wo wir waren. Und ich wusste auch nicht, wo dein Daddy war.“ Dean schwieg immer noch. Er hatte zu sehr Angst, vor Nalas Reaktion. „Das ist nicht schlimm. Er ist ja gekommen, Mummy.“ „Mein kleines Spätzchen“, murmelte Ana und drückte ihre Tochter an sich. Sie sah Dean an. Er sah erleichtert aus. Nala löste sich aus der Umarmung und sprang von der Bank runter. Sie blieb vor Dean stehen. „Heißt das, dass ich zu dir Daddy sagen darf?“, fragte Nala. Dean lächelte leicht. Ana sah Tränen in seinen Augen. „Sehr gern sogar. Darf ich dich umarmen?“ Seine Stimme klang sehr belegt. Nala nickte. Daraufhin stand Dean auf und hob Nala in seine Arme. Sie schlang ihre kleinen Arme um seinen Nacken. Sie hatten die größte Hürde geschafft. Eine Träne löste sich aus Anas Augenwinkel. Sie war so erleichtert und glücklich. Auf einmal fing es wie aus dem nichts, an zu regnen. Aber in Strömen. Ana packte schnell alles zusammen. Nala quietschte vergnügt und gemeinsam rannten sie zurück zum Auto. Bis sie dort ankamen waren sie klatschnass. „Fahren wir zu uns, ich muss Nala umziehen, sonst wird sie krank“, sagte Ana, als sie auf dem Beifahrersitz saß. Nala saß hinten angeschnallt. „Okay, ich habe hinten im Kofferraum auch noch Klamotten, falls ich mal in die Sporthalle gehen sollte“, erklärte Dean. Anschließend fuhr er los. Auf dem Weg klingelte Anas Handy. Teos Nummer. Es war wieder etwas passiert. „Teo, bitte sag mir, dass alles in Ordnung ist“, murmelte sie ins Telefon. „Ana, du solltest so schnell wie möglich ins Diner kommen. Hier herrscht gerade Chaos.“ „Was ist los?“ „Brooke und ihr Bruder sind hier.“ „Ich dachte die wären bereits weg.“ „Sie sind mit Meg gekommen.“ „Wir sind gleich da. Kannst du dann mit Nala hochgehen und sie umziehen, sie ist nass geworden. Wegen dem Regen“, murmelte sie. „Ich will dich nicht alleine lassen.“ „Dean ist bei mir.“ „Okay. Beeilt euch.“ Ana sah auf die Uhr. Es war kurz vor zwanzig Uhr. „Was ist los?“, fragte Dean leise, als Ana aufgelegt hatte. „Brooke und Kevin sind mit Meg im Diner aufgetaucht.“ Er verstand es und fuhr schneller. Auf dem Parkplatz war keiner, bis auf Teo. Er kam sofort mit einem Schirm. Zusammen mit Nala ging er zur Wohnungstür. „Mein schlimmster Traum wird gleich wahr“, murmelte Ana. Sie saßen immer noch im Wagen. „Ich dachte, jetzt würde alles besser werden.“ „Ich bin bei dir. Diesmal bist du nicht alleine. Schau mich an.“ Ana sah Dean in die Augen. „Ich liebe dich. Und nichts auf dieser Welt wird das ändern. Und wenn die Menschen dich hier wirklich kennen, wird es ihnen nichts ausmachen, dass du deine Vergangenheit abschließen wolltest.“ „Ich hoffe du hast recht.“ Sie stieg aus und er tat es ihr nach. Nebeneinander liefen sie zum Diner. Ana straffte die Schultern, und setzte eine gefasste Miene auf. Sobald sie das Diner betrat, wanderten alle Blicke auf sie. Ana sah sich um und begrüßte wie üblich die Gäste. Dann sah sie Meg auf der Bühne stehen. Daneben standen Brooke und Kevin. Hinter dem Tresen, versuchte Ronny Reed festzuhalten. Er sah die drei mörderisch an. Dann erblickte Meg sie. Ein Grinsen breitete sich in ihrem perfekten Gesicht aus. „Willkommen Ana“, sagte sie und durch das Mikro wurde ihre Stimme verstärkt. „Oder sollte ich lieber Claire Daniels sagen?“ Ana zwang sich, nicht zusammen zu zucken und diesmal gelang es ihr. Sie hörte wie die Leute tuschelten. Nicht gerade freundliche Sachen. „Du hast es erfahren“, stellte Ana mit fester Stimme fest. Sie blieb vor Meg stehen. „Dachtest du, du könntest all diese Menschen verarschen?“, fragte Meg. „Das war nie meine Absicht.“ Meg lachte auf. „Nie deine Absicht? Du hast nicht nur die Bewohner, sondern auch deine Freunde belogen.“ „Ich habe niemanden belogen. Außerdem wissen meine Freunde, wer ich einmal war. Wenn du es nicht wusstest Meg, muss das wohl bedeuten, dass du nicht meine Freundin bist. Macht dich das etwa so wütend?“ Ana klang immer noch gefasst, obwohl sie am liebsten weinen würde. „Sieh dir doch mal die ganzen Menschen hier an. Wie sehen ihre Gesichter aus?“, sagte Meg höhnisch. Ana sah jeden an. Einige sahen enttäuscht aus. Andere missbilligend, andere wiederum überrascht. Als könnten sie nicht glauben, dass Ana das wirklich getan haben sollte. „Was genau hast du denn den Leuten erzählt?“, fragte schließlich Ana. „Was für eine Schlampe du bist“, sagte Meg schulterzuckend. Diesmal zuckte Ana zusammen. Das waren Brookes Worte. „Und was genau macht mich dazu?“, fragte Ana. „Nala ist ein uneheliches Kind. Dann bist du auch noch von zuhause weggelaufen. Also wirklich, dieser Mann hier, wollte sogar für dich sorgen.“ Meg zeigte auf Kevin. Dean bebte am ganzen Körper. „Man kann die Wahrheit so leicht verdrehen.“ „Willst du etwa bestreiten, dass Nala unehelich gezeugt wurde?“, fragte Meg. „Nein. Das ist das einzig Wahre an deiner Geschichte. Alles andere wurde dazu gedichtet. Willst du wirklich wissen, was damals passiert ist?“ „Ana“, hörte sie Dean neben sich sagen. Anscheinend wusste Meg nicht, dass Dean der Vater war. „Nein Dean, wenn mein Name schon beschmutzt wird, sollten alle die Wahrheit wissen.“ Ana riss sich von Dean los und lief an Brooke und Kevin vorbei. „Claire, lass es lieber sein“, sagte Brooke leise. Sie ignorierte sie. „Halt dich gut fest Meg, jetzt kommt die Story deines Lebens. Spätestens morgen wird ganz Hot Springs darüber reden.“ Sie sah in die bekannten Gesichter. Mrs. Thrown, Jackson, Sally, Nalas Erzieherinnen. Ihre Freunde. Einfach jeder sah sie an. Reed schüttelte unmerklich den Kopf. Tu es nicht, sagte er im Stillen. „Es stimmt. Als ich schwanger wurde, war ich nicht verheiratet. Und ja es stimmt, dass mein eigentlicher Name Claire Daniels ist. Aber glaubt ihr wirklich, dass ich so dumm wäre, mein Elternhaus zu verlassen, um auf der Straße ein Kind großzuziehen?“ Sie sah Meg an. „Welche Mutter wäre dazu im Stande? Ich wollte mit dem Vater von Nala die Stadt verlassen und ein eigenes Leben aufbauen. Da wusste ich nichts von meiner Schwangerschaft. Meine Mutter hat Wind davon bekommen. Dass ich weggehen wollte. Obwohl ich das nur einer Person erzählt hatte.“ Ana sah Brooke an. „Meiner damaligen besten Freundin Brooke. Jetzt ergibt es Sinn. Du hast meiner Mutter von unserem Plan erzählt. Daraufhin hat meine Mutter mir eine Falle gestellt. Ich sollte denken, dass Kevin“, sie sah Kevin an. „An der Türe wäre und mit mir ausgehen wollte. Ich habe daraufhin gesagt, er solle verschwinden und dass ich nirgends mit ihm hingehe. Ihr vermutet wahrscheinlich, wer eigentlich an der Tür stand.“ Sie hielt kurz inne. Ihre Vergangenheit holte sie mit einem Schlag ein. Sie hatte gedacht, sie hätte damit abgeschlossen. „Glaubst du wirklich, dass wir dir das abkaufen? Hier sind zwei Zeugen und du stehst alleine da“, warf Meg ein. „Ich muss mich nicht rechtfertigen, Meg…“ „Ich kann es bezeugen.“ Anas Blick glitt zu Dean. „Wie ich sehe, habt ihr Meg nicht erzählt, wer der Vater ist“, fuhr Dean fort. Kevin warf ihm einen mörderischen Blick zu. Dean wandte sich zu den anderen. „Ich stand damals an der Tür.“ Jeder hielt den Atem an. Niemand in diesem Raum, außer Ronny, wusste etwas darüber. Ana hatte zwar mit Reed gesprochen, aber nicht erwähnt, wer der Vater war. Sie sah selbst in seinem Gesicht Überraschung. Kaum zu glauben, dass Dean das einfach rausgehauen hatte. „Als ich Ana das sagen hörte, war ich am Boden zerstört, aber ich hatte immer nur das Beste für sie gewollt, also verschwand ich einfach. So wie sie es gewollt hatte. Dachte ich zumindest.“ Ana räusperte sich und fuhr fort. „Nachdem Dean weg war, war ich aufgeschmissen. Ich war schwanger. Meine Eltern waren, sind sehr angesehene Menschen. Ich musste aber es wenigstens meiner Mutter sagen. Das habe ich auch. Sie wollte, dass ich abtreibe. Ich nicht. Welche Mutter könnte ihr eigenes Kind töten? Nach ein paar Tagen hat mein Vater davon erfahren. Er hat mich angeschrien und dass ich nur zwei Optionen hätte. Entweder abtreiben oder enterbt werden. Ich entschied mich gegen das Abtreiben. Mein Vater hat mich nicht nur enterbt. Ich bin auch nicht von zuhause weggelaufen, wie Meg es euch erzählt hat. Mein Vater hat mich rausgeschmissen, meine Mutter hat nichts unternommen. Ich wäre eine Schande für die Familie. Außerdem wollten sie nicht, dass ich dem Image der Familie schade. So, was nun. Ich war auf der Straße. Mein Vater hatte meine ganzen Karten gesperrt. Was macht dann einer in solcher Situation? Sie geht zu ihrer besten Freundin.“ Ana trat auf Brooke zu. „Du hast mich nicht ins Haus gelassen. Erinnerst du dich, was du damals zu mir gesagt hast?“ Brooke schwieg. „Du traust dich nicht. Welch eine Überraschung. Was ist mit dir Kev. Was hast du noch gleich getan?“ „Claire, lass es…“ „Ich sag was ihr gesagt habt. Brooke hat mir eiskalt ins Gesicht gesagt, dass sie keine Schlampe als Freundin hätte und Kevin hat gesagt, dass wenn ich mein Kind abtreibe, er für mich sorgen würde. Aber nur mit Geld, versteht sich.“ „WAS?!“, brüllte Dean. Ana sah zu der Stelle, wo Dean noch gestanden hatte. „Teo, halt ihn fest“ rief Ronny. Was suchte Teo hier? Er sollte doch bei Nala bleiben. Trotzdem kam er noch rechtzeitig und hielt ihn fest. „Tommy und Liah sind bei Nala“, sagte Teo. „Warum musstest du sie auch schwängern?“, brüllte Kevin zurück. „Okay, bevor die zwei sich umbringen. Ich wurde rausgeschmissen, meine angeblichen Freunde haben mir den Rücken zugekehrt und ich war völlig alleine. Esmé hat mir dann geholfen. So bin ich dann als Ana Davids hier gelandet. Nun könnt ihr euch das Maul über mich zerreißen. Für mich ist und war immer meine Tochter wichtig. Und sie hat einen Vater. Er weiß es und wichtiger sie weiß es.“ Ana drückte das Mikro in Megs Hand und sprang von der Bühne runter sie lief an allen vorbei. Aber bevor sie die Tür erreichen konnte hörte sie eine Stimme sagen: „Ihr solltet euch alle schämen.“