Sie riss die Augen auf und sah Coilins Gesicht vor ihrem. Er hob sie an den Schultern fest. „Ganz ruhig Mila. Du bist in Sicherheit.“ Ihr Atem ging schnell, dann schlang sie die Arme um seinen Hals und vergrub ihr Gesicht an seiner Halsbeuge. „Ich war dort“, brachte sie schwer raus. „Du warst ohnmächtig, Mila.“ Sie löste sich von ihm. „Nein, ich war dort! Ich habe alles gesehen.“ Sie versuchte die Tränen weg zu blinzeln aber es gelang ihr nicht. „Ich habe ihn gesehen!“ „Wen?“ „Den Mörder meiner Familie. Anton.“ In dem Moment kam der Rest dazu. „Mila, das ist nicht möglich. Ich habe dich keinen Moment aus den Augen gelassen.“ „Dann erklär mich doch, woher ich weiß, dass er pechschwarze Haare hat und eine krumme Nase, Augen wie eine Katze und eine sehr raue Stimme.“ „Mila, woher weißt du das?“, fragte Mika. „Ich war dort. Ich habe alles gesehen. Wie meine Mutter sich das Leben genommen hat. Wie die Männer sie zu Anton gebracht haben. Das Anton gesagt hat, dass er meinen Vater aus dem Weg geräumt hat und wie er diesen Mann durchbohrt hat.“ „Der Tag an dem Arthane gefallen ist“, murmelte Amon. Jack und Flanna betraten den Raum. „Mila!“ Sofort war er bei ihr und schloss sie in die Arme. „Draußen ist alles sicher“, flüsterte Flanna Niall zu. „Mila, du hast mir eine Scheiß Angst eingejagt“, murmelte er an ihrem Haar. „Ich habe sie gesehen, Jack.“ Er sagte nichts. Tröstete sie nur. Hielt sie. So wie er es immer getan hatte. Niall, Freyja, Amon, Lydia, Mika, Flanna, Ayla, Caitlin und Coilin verließen den Raum. „Was ist mit mir passiert?“, fragte Mila. „Dich hat ein Dolch an der Schulter getroffen. Dann bist du in Ohnmacht gefallen.“ „Es war so merkwürdig. Es war wie eine Erinnerung aber ich war nicht dabei, als das alles passiert ist. Wie ist so etwas möglich?“ „Das fragst du? Mila wir sind in einem Land, wo es Magie gibt.“ Sie nickte bloß. „Sie war so mutig.“ „Wer?“ „Meine Mutter.“ Mila dachte daran, wie sie ohne Furcht, sich den Männern gestellt hatte. „Du sagst nicht mehr Amara“, stellte Jack fest und lächelte sanft. „Ich habe eben zwei Mütter. Hatte zwei.“ „Ich kannte Amara nicht, aber wenn du nach ihr kommst, war sie bestimmt eine großartige Frau.“ „Anton wollte sie nicht töten.“ Jack runzelte die Stirn und sah Mila an. „Wie kommst du darauf?“ „Er hat sie geliebt.“ Jack schwieg. „Sag doch was“, flehte Mila. „Deine Mutter war eine sehr, sehr mutige und stolze Frau. Ihr war der Tod lieber, als wie an Antons Seite zu bleiben.“ „Du hast recht.“ „Mila, es gibt da was, was du wissen musst.“ Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrem Bauch aus. „Was denn?“ „Wir werden gesucht. Die Umgebung zumindest. Vorerst kommen wir hier nicht weg.“ „Ich kann doch Portale öffnen.“ „Das wäre im Moment zu riskant. Coilin ist der Meinung, dass wir uns eine Weile hier verstecken sollten. Für unsere Sicherheit.“ „Verstehe.“ „Hey, findest du nicht auch, dass dieses Palast, wie das von Elsa aussieht?“, fragte er sie und sah sich um. „Ja! Und die Klamotten die, die Krieger hier tragen, sehen aus wie die von den Shadowhunters.“ „Echt krass. Und dann auch noch die Karte.“ „Ja. Vielleicht sind wir nicht die ersten Menschen, die hier her gekommen sind“, überlegte Jack laut. „Oder, die Macher von diesen ganzen Sachen, stammen aus Chandrick.“ „Könnte auch sein“, stimmte er ihr zu. „Komm wir gehen zu den anderen.“ Jack stand auf und reichte ihr seine Hand. Sie ergriff sie und stand auf. „Sag mal Jack, was läuft da eigentlich zwischen dir und Flanna?“ „Ich habe keine Ahnung. Sie ist anders als wie die Mädchen, die ich je getroffen habe.“ „Ihr seht echt süß zusammen aus.“ „Mila, du weißt schon, dass ich am Ende dieses Abenteuers wieder nachhause gehen werde.“ „Wir werden nachhause gehen“, verbesserte sie ihn. „Wenn das so ist, was läuft zwischen dir und Coilin?“ Mila blieb stehen und sah Jack an. „Ich weiß auch nicht. Immer wenn er etwas Gutes macht, bekomme ich Schmetterlinge im Bauch. Er ist anders.“ Sie seufzte als sie merkte, dass sie Jacks Antwort wiederholt hatte. Zusammen verließen sie den Raum und traten zu den anderen. Sie saßen alle auf Stühlen oder Bänken, die nicht zerstört wurden. Mika war als Einziger nicht da. „Wo steckt Mika?“, fragte Mila und in dem Moment kam Mika um die Ecke. „Ich habe eine Barriere um das Schloss errichtet, damit man uns weder hört, noch Licht sieht“, antwortete er und zauberte eine Heizung. Mila lachte auf, als sie die verblüfften Blicke der anderen sah. Sie stellte die Heizung ein und setzte sich auf den freien Platz neben Ayla. „Alles gut bei dir?“, fragte Ayla leise. Mila nickte und zwang sich zu einem Lächeln. Die nächsten paar Minuten sagte niemand etwas. „Gott, diese Stille ist ja unerträglich! Wenn wir schonmal eine Weile hier abhängen werden, könnten wir uns doch ein wenig besser kennen lernen. Immerhin weiß ich gar nichts über euch“, sagte Jack frustriert. „Du willst uns kennen lernen?“, wiederholte Coilin und zog eine Braue hoch. „Ja Schatz, ich würde dich liebend gerne kennen lernen“, sagte Jack sarkastisch. Einige lachten auf. „Okay, dann will ich aber anfangen“, sagte Ayla und sah in die Runde. „Also ich bin 19 Jahre alt. Komme aus Ephesos…“ „Stopp, stopp, stopp. Du machst das völlig falsch. Erzähl uns was du gerne machst. Hobbies und so“, unterbrach Jack sie. „Na schön, ich zeichne sehr gerne und kann es eigentlich auch ganz gut.“ „Ganz gut? Du bist eine Künstlerin!“, rief Caitlin. „Dann mach du doch weiter.“ „Also schön.“ So erzählte jeder was über sich. Mila erfuhr zum Beispiel, dass Flanna wie sie, sehr gerne ausritt. Oder, das Nialls Hauptbeschäftigung früher, Coilin nerven war. Lydia hielt sich zurück und sagte nicht viel über sich. Sie fühlte sich nicht wohl. Erinnerungen quälten sie. „Jetzt bin ich dran“, sagte Jack und stand auf. „Vielleicht wollen wir ja nichts wissen“, gab Coilin zurück. „Lass ihn doch, außerdem kann Jack super Gitarre spielen.“ Mila lächelte ihren besten Freund an. „Mann, ich wünschte, ich hätte meine mitgenommen.“ Mika murmelte etwas und schon lehnte eine Gitarre neben Mila. „Krass.“ Jack nahm es vorsichtig in die Hand. „Spielst du uns was vor?“, fragte Mila. „Wenn die Hoheit Coilin nichts dagegen hat?“, fragte Jack, wartete aber Coilin Antwort nicht ab. Stattdessen setzte er sich hin, positionierte die Gitarre Richtig und sah Mila an. „Was soll ich spielen?“ „Egal was.“ „Also gut.“ Nach den ersten Tönen, erkannte Mila ihren Lieblingssong. „Hold back the river“, murmelte Mila. Dann setzte Jack auch den Text ein. Jack hatte eine gute Stimme. Sehr warm und schön anzuhören. „Er singt?“, fragte Ayla Mila. „Psst!“ Mila sah Flanna schockiert an aber dann grinste sie. Flanna ließ Jack kein einziges Mal aus den Augen. Jack hatte die Augen geschlossen und als er. „Hold back the river, let me look in your eyes“ öffnete er die Augen und begegnete Flannas Blick. Es machte jedem Spaß, Jack zu zuhören. Da sprang Mila auf und zog Ayla auf die Füße. „Komm.“ Während dem Refrain tanzten Ayla und Mila wie kleine Kinder. Seit langem hatte Ayla nicht mehr so viel Spaß gehabt. Da fiel Mila ein, dass Caitlin früher sehr gerne getanzt hatte. Da zog sie, sie auch auf die Beine. Im Gegensatz zu Mila und Ayla, tanzte Caitlin wie ein Profi. Als Jacks Song fertig war klatschten alle. „Hammer!“, rief Mila und ließ sich wieder auf ihren Platz fallen. „Jetzt du“, sagte Jack. „Du spielst auch Gitarre?“, fragte Ayla außer Atem. „Nein aber Keyboard.“ „Und ihre Stimme hört sich Tausend Mal besser an, als wie meine“, fügte Jack hinzu. „Wenn das so ist.“ Mika schnipste mit dem Finger und vor Mila erschien ein Keyboard. „Würde es mit dem gehen?“ „Klar.“ Mila legte die Finger auf die Tasten und durchforstete ihr Gehirn. Dann fand sie ein passendes für Flanna und Jack. „Ich will aber, dass ihr tanzt, ist das klar?“, fragte sie. „Ja Ma’am“, antwortete Jack lachend. Jack sah Mila fragend an. Dann merkte er was sie vor hatte. War of Hearts. So hieß der Song den sie spielte. Niall stand auf und forderte seine Verlobte auf. Sie legte ihre Hand in seine und stand auf. Mila hatte wirklich eine wunderschöne Stimme. Sie war sanft und kräftig zugleich. Jack stellte sich vor Flanna. „Würdet Ihr mir die Ehre erweisen und mit mir tanzen?“ Sie starrte ihn an. Wie von selbst legte sich ihre Hand in seine. Jack legte eine Hand auf Flannas Rücken und in die andere nahm er ihre. Dann tanzten sie. Er wirbelte sie herum und Flanna war eine sehr gute Tänzerin. Bei beiden schien es so, als würden sie schweben. Beide sahen sich in die Augen. Dann tat Flanna etwas, was sie sehr selten tat und bei ihm noch nie getan hatte. Sie lächelte. Ein Grübchen erschien an ihrer rechten Wange. Nun war es um Jack geschehen. Er merkte, dass sie ihm inzwischen sehr viel bedeutete. Er schluckte schwer. Er war so was von am Arsch. Dennoch schenkte er auch ihr ein Lächeln. Mika stand ebenfalls auf und forderte Ayla zum Tanz auf. Sie war eigentlich nicht klein aber neben einem 1,95cm großen Mann, sah auch Ayla klein aus. Coilin ließ Mila nicht aus den Augen. Er würde jetzt auch gerne mit ihr tanzen, aber das ging schwer, wenn Mila spielte. Als das Lied zu Ende ging, wollte sie gleich noch eins spielen. „Ihr braucht euch nicht zu setzen. Ich kenne noch eins.“ „Welches denn?“, fragte Jack. „Den kennst nicht einmal du.“ Dann fing sie an. Obwohl Mila gesagt hatte, dass die anderen weiter tanzen sollten, setzten sie sich hin. Alle hingen an Milas Lippen. Amon runzelte die Stirn. Während Mila mit geschlossenen Lidern spielte und dazu sang. In diesem Song hörte man Schmerz und Liebe. Es war ein sehr emotionales Lied. Mila fiel gar nicht auf, dass sie angefangen hatte zu weinen. Auch hatten die anderen Tränen in den Augen. Während Mila sang, sah sie Amara, ihre leibliche Mutter vor ihrem Auge. Sie lächelte ihr zu. Noch nie hatte Mila sich zu einer Person so nah gefühlt und dennoch so weit entfernt. Als sie den letzten Ton gespielt hatte, öffnete sie die Augen. Es war sehr ruhig. Sie wischte sich mit dem Handrücken, die Tränen fort. „Mila, welcher Song war das?“, fragte Jack. „Ich weiß es nicht. Es kommt mir so vertraut vor und dennoch habe ich es noch nie gehört.“ „Doch hast du.“ Milas Blick wanderte zu Mika. „Wie meinst du das?“ „Das hat deine Mutter immer gesungen.“ Stille. Absolute Stille. „Aber…“ „Frag mich nicht, wie du jedes einzelne Wort genau weißt aber deine Mutter hat dir das am letzten Tag, bevor sie dich fortgeschickt hat, vorgesungen.“ „Woher weißt du das?“ „Ich war dabei. An dem Tag hat sie mich gebeten, auf dich aufzupassen.“ Mila sah jeden an. Niemand konnte sie ansehen. „Ich gehe schlafen“, Lydia war aufgestanden und lief in ein Raum. „Lydia!“ Amon folgte ihr. Mila durfte nicht zusammen brechen. Nicht vor den anderen. „Würdest du es noch einmal singen?“ Die Frage kam überraschend. Und das auch noch von Flanna. „Äh, klar.“ Noch einmal sang Mila das Lied ihrer Mutter. Während dessen zogen sich Niall, Caitlin, Ayla, Mika und Freyja zurück. Übrig blieben Coilin, Jack und Flanna. „Ich war nicht da, als Anton uns überrascht hat“, sagte Flanna, nachdem Mila fertig war. Freyja hat alles versucht aber ich bin weggelaufen. Statt meinen Eltern zu helfen, wollte ich die Heldin spielen und den unteren Ring sichern. Freyja hat mich gebeten zu bleiben und unsere Familie zu schützen aber ich war egoistisch.“ „Das stimmt nicht.“ „Natürlich war es das.“ „Du wolltest dich doch nicht selbst in Sicherheit bringen, sondern den anderen helfen“, sagte Jack so überzeugend wie er nur konnte. Doch Flanna schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hatte bereits geahnt, dass der untere Ring verloren war, dennoch wollte ich hin. Ich kann nicht genau sagen wieso aber wahrscheinlich wollte ich mich in Sicherheit bringen.“ „Was soll ich dann sagen? Ich habe mich überrempeln lassen und dann auch noch in den Dark Forst verbannen lassen. Von meinem eigenen Onkel.“ „Naja seht es doch mal so, jetzt bekommt Anton all das auf einmal zurück. Er hat keine Chance“, sagte Jack. Er war immer der Optimist. „Wieso willst du alles gut reden?“, rief Coilin. Jack versuchte die Geduld zu bewahren. „Wieso frage ich überhaupt. Du hast ein Sorgenloses Leben auf der Erde.“ Jack hatte sich eigentlich immer im Griff. Er ließ nie die Wut über sich gewinnen zu lassen aber nun verlor er die Geduld. „Na schön, dann bemitleide dich doch! Oh ich armer, ich konnte mein Reich mit meinen vierzehn Jahren nicht beschützen. Ich habe mich von einem Mann mit einer großen Armee besiegen und verbannen lassen. Wegen mir leiden immer mehr Menschen. Ich sage es dir ja nur ungern aber die verdammte Welt dreht sich nicht um dich Coilin! Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Manche mehr, manche weniger! Und du kannst über mich sagen was du willst, aber du bist nicht der Einzige der im Leben etwas oder jemanden verliert!“ Er schmiss den Tisch um, der in tausend Stücke zerbrach. Die Gitarre zertrümmerte er direkt neben Coilin. Entsetzen breitete sich in Flannas Gesicht aus und Jack sah das. „Was zum Teufel…“, fing Coilin an aber Jack stürmte aus dem Raum.