Chris
Zusammen mit meinem Team ging ich zu unserem Trainingsraum. An der Tür blieb ich erstaunt stehen.
Der Raum war hell und riesig.
Er war in drei Teile unterteilt, welche jeweils durch einen weißen Raumtrenner getrennt wurden.
Der erste Teil war anscheinend zum Muskelaufbau gedacht.
Es gab verschiedene Geräte und unzählige Hanteln, sowie Matten.
Der zweite Teil diente der Kondition. Hier gab es Laufbänder, verschiedene Utensilien zum Dehnen und hinter einer Tür entdeckte ich sogar eine Schwimmhalle.
Als ich durch die große Tür blickte, öffnete sich auch am anderen Ende der Halle eine andere Tür und ein Junge, ungefähr in meinem Alter schaute heraus. Als er mich entdeckte, lächelte er mich schüchtern an und schloss daraufhin gleich wieder die Tür.
Die Trainingsräume, schienen um die Schwimmhalle herum gebaut zu sein. Ergab Sinn. So konnten sie alle Teams nutzen.
Ich ging wieder zurück zu den anderen, die mittlerweile mit einem jungen Mann sprachen. Ich erkannte ihn nicht.
Trotzdem lief ich schnell zu ihnen hinüber und stellte mich neben Hope. Er stellte sich als Xavier vor.
„Okay, für heute steht nur Muskelaufbau auf dem Plan.
Dort drüben stehen die Geräte.“
Er zeigte zum Teil des Raumes, wo die Trainingsgeräte standen.
„Wisst ihr alle wie die funktionieren?“, er sah uns fragend an. „Ähm, ich glaube es wäre besser, wenn sie es uns noch einmal zeigen“, sagte Kirian.
In den nächsten fünf Minuten erklärte uns Xavier, wie ich von Hope erfuhr stammten seine Vorfahren aus Alt Portugal, wie die einzelnen Geräte funktionierten und wie man sie am effektivsten benutzte.
Es war faszinierend ihm zuzuschauen und ich wusste, dass ich nie so gut sein würde wie er. Als er gegangen war, fingen wir an, an den Geräten zu üben. Nur Neo stand noch in der Ecke und hatte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck.
„Was ist?“, fragte Ash. Es war das erste Mal heute, das er etwas sagte. Neo sah uns der Reihe nach an.
„Leute, warum müssen wir trainieren? Warum müssen wir Muskeln aufbauen? Das ergibt alles keinen Sinn.“
Neo begann im Raum auf und abzulaufen. „Was meinst du?“, fragte Hope. „Na ja, denkt doch mal nach. Wenn wir später OBEN leben, brauchen wir doch keine Muskeln. Da muss noch etwas anderes im Gange sein“, sagte Neo grübelnd. „Trainiert lieber, anstatt hier irgendwelche Verschwörungstheorien zu erfinden.
Es wird schon eine logische Erklärung geben.“ Ash klang genervt.
Ich sah zu ihm, doch er war schon wieder mit Trainieren beschäftigt.
Ich seufzte. Es brachte wirklich nichts, wenn wir hier herumstanden.
Ich nahm mir zwei Hanteln und begann Übungen zu machen.
Nach ein paar Sekunden, begaben sich auch die anderen zu den Geräten.
Neo und Kirian gingen zu den Crosstrainern, während Hope zu mir kam. Sie nahm sich ebenfalls zwei Hanteln, machte jedoch keine Übungen, sondern setzte sich auf den Boden und schob sie hin und her.
Ich sah kurz zu ihr hinüber, drehte mich dann jedoch wieder weg. Irgendwas bedrückte sie. Ich fragte jedoch nicht weiter nach, da ich wusste, dass sie jetzt nicht gestört werden wollte. Sie würde es mir später schon noch sagen.
Nachdem ich meine Übungen mit den Hanteln beendet hatte, ging ich zur Kraftstation. Unglücklicherweise war dort aber Ash und so musste ich mich wieder den Hanteln widmen. Als ich fünf Minuten später erneut wechseln wollte, spürte ich, wie mir jemand von hinten eine Hand an den Rücken legte. Ich zuckte zusammen, sagte jedoch nichts. Die Hand an meinem Rücken war Warm und groß, also konnte sie nicht von Hope stammen. „Halte deinen Rücken gerade“, wies mich Ash an.
Er fuhr mit seiner Hand, bis zu meiner Hüfte hinunter und automatisch stellte ich mich kerzengerade hin. Er nahm seine Hand von meinem Rücken und stellte sich vor mich. Dann hielt er meine Oberarme fest und wies mich an meine Hanteln in Richtung meiner Schultern zu bewegen. Dies Tat ich ohne zu zögern und sah während dessen die ganze Zeit auf seine muskulöse Brust. Unser Trainingsanzug hatte hier auch nicht schlecht mitgespielt. Das dünne Material spannte sich bei jeder Bewegung und ließ seine harten Muskeln erahnen. Plötzlich ließ mich Ash los und ging ohne ein weiteres Wort zu sagen, zurück zur Muskelstation. Was war das denn gewesen?
Zwei Stunden später saß ich wieder am gleichen Tisch wie am Vortag und wartete mit meinem Team auf das Essen.
Wir waren vor ein paar Minuten informiert worden, dass es Essen gab und saßen nun in T-Shirt und Jogginghose am Tisch.
Nur Ash hatte eine teuer aussehende schwarze Flanellhose und ein locker sitzendes weißes Shirt an.
Wie hatte er es geschafft sich in der kurzen Zeit noch Sachen zu holen?
Wir anderen hatten nur unsere Wechselkleidung zur Verfügung gehabt. Kirian und Hope sprachen leise miteinander, während ich mich bis vor kurzem noch mit Neo unterhalten hatte.
Er war, im Gegensatz zu heute Morgen, ganz nett und man konnte sich gut mit ihm unterhalten. Als das Essen gebracht wurde, verfielen wir alle in beschäftigtes Schweigen.
Jeder hatte Hunger und wollte sich nicht mit Gesprächen ablenken.
Das Essen war grandios. Es gab Tagliatelle mit Trüffel.
Na ja, das wurde uns zumindest gesagt.
Nach dem Mittagessen zogen wir alle wieder unsere Trainingsanzüge an und gingen zurück zu unserem Trainingsraum. Nach kurzer Zeit gesellte sich auch Xavier wieder zu uns. In seiner Hand befand sich eine kleine metallene Dose.
„Hey Leute, es gab eine kleine Änderung in eurem Trainingsablauf. Für den Rest des Tages werden alle Teams Kondition trainieren.“
Er sah uns an. „Außerdem erhaltet ihr einen Trainingsplan, welchen ihr strikt einhalten müsst“, fügte er hinzu.
Er holte fünf kleine Metallstäbe aus seiner Tasche und drückte jedem von uns einen in die Hand.
Auf diesen stand in großen Druckbuchstaben FH-Group.
Bevor ich fragen konnte, was das war, betätigte Neo einen Mechanismus an jedem einzelnen unserer Stäbe, indem er das FH Symbol leicht eindrückte.
Der Stab spaltete sich in der Mitte und schob sich auseinander. In dem immer größer werdenden Spalt entstand ein Hologramm. Bei genauerem Hinsehen wurde auf diesem unser neuer Trainingsplan abgebildet.
Wahnsinn! So etwas hatte ich noch nie gesehen. Die einzigen Hologramme, die ich je zusehen bekam, waren Werbeanzeigen und selbst diese waren UNTEN nur selten zu sehen.
Ich probierte die einzelnen Funktionen des Stabes aus und nach einer Weile hatte ich den Dreh raus. Xavier meldete sich wieder. „Wir müssen nun zum Konditions-Training. Dafür werden wir uns alle hinter der Halle treffen. Dort befindet sich eine große Rennbahn. Beeilt euch!“ Wir nahmen unsere Sachen und begaben uns auf den Weg zur Rennbahn.
Als wir dort ankamen, hatten sich bereits die meisten anderen Teams eingefunden. Die Rennbahn bestand aus weinrotem Kunststoff.
Dieser wurde durch weiße Streifen in fünf gleich große Bahnen geteilt.
Um die Laufbahn herum und im Inneren der Bahn war Kunstrasen angelegt. Nach einer kurzen Ansprache von irgendeinem Verantwortlichen, begaben sich alle Teams auf die Rennbahn. Ich war aufgeregt.
Nun würden wir alle zusammen rennen. Auch wenn es kein Rennen auf Zeit war! Ich begann vor Aufregung zu zittern. Hoffentlich würde ich nicht zu schlecht abschneiden.
Doch bevor es losging, mussten wir uns aufwärmen. Danach standen fünf Minuten Ausdauer auf dem Plan und im Anschluss ein Rennen auf Zeit.
Dies mussten wir fünfmal wiederholen. Die ersten Runden waren echt einfach. Ich lief oft Zuhause und hatte dadurch eine recht gute Ausdauer.
Ich mochte das Gefühl, des leichten Brennens in meiner Brust und die anschließende Erfrischung, wenn ich nach dem Rennen eine Flasche Wasser trank. Doch schon nach dem ersten Sprint war ich nicht mehr ganz so fit. Ich kam nur noch langsam voran und dies konnte ich nicht nur meiner fehlenden Kondition zuschreiben.
Außerhalb der Halle war es bullenheiß. Es mussten mindestens 27 Grad herrschen. Der Schweiß lief mir heiß den Rücken hinunter.
Den Anderen ging es genau so.
Alle waren am Keuchen, doch Kirian hatte die meisten Probleme.
Er war so schnell aus der Puste, dass ich mir ernsthaft Sorgen machte. Schon nach den ersten drei Minuten hatte er zu kämpfen gehabt.
Als ich endlich bei der letzten Runde angekommen war, war ich komplett nass geschwitzt. Ich musste stinken, wie ein Schwein. Ich sah nach hinten und erkannte Hope aus dem Augenwinkel. Ich wurde langsamer und ließ mich zurückfallen. Da wir beide extrem erschöpft waren, hatten wir keine Energie zum Sprechen und konnten uns nur anschauen.
„Ich kann nicht mehr! “, konnte ich in Hopes Augen lesen.
Mir ging es genauso, doch ich musste das durchstehen. „Halte durch!“, versuchte ich ihr zu signalisieren und beschleunigte dann wieder.
Gerade als ich durchs Ziel lief, hörte ich hinter mir einen Körper mit dem Boden kollidieren. Kirian war während des Rennens zusammen gebrochen, neben ihm stand ein geschockter Neo. Schnell lief ich zu den beiden hinüber. „I-Ich hab nichts gemacht. Er ist einfach zu-zusammengebrochen.“
Er sah mich mit panischen Augen an. Kirian regte sich wieder und setzte sich langsam auf. Er hielt sich eine Hand an die Stirn und stöhnte gequält.
Neo rannte sofort los, um Wasser zu holen.
„Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du eine so niedrige Ausdauer besitzt.
Geht es dir besser?“, fragte Neo kleinlaut.
Er reichte Kirian eine Flasche mit Wasser, hockte sich dann neben ihn und sah ihm besorgt ins Gesicht.
Doch plötzlich schien er sich wieder gefangen zu haben, denn er setzte einen hochmütigen Blick auf und begann weiter zu rennen.
Ich blieb weiterhin bei Kirian. Gierig trank er das Wasser und setzte sich danach an den Rand der Bahn.
„Ich bin wirklich okay.“, merkte er an. Doch an seinem Gesicht konnte man erkennen, dass er extrem wütend war. Ich runzelte die Stirn.
War zwischen Neo und Kirian etwas vorgefallen, das ich nicht gemerkt hatte? Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass es Kirian wirklich gut ging, begab ich mich auf sie andere Seite der Halle, wo Neo stand. Gerade als ich ihn bezüglich des Vorfalls ansprechen wollte, bemerkte ich seinen Gesichtsausdruck.
Er sah sehr besorgt aus. Da ich ihn nicht stören wollte, ging ich wieder zurück zu den Anderen und ruhte mich aus. Erst als mein Adrenalin nachließ, bemerkte ich, wie erschöpft ich war. Jede Faser meines Körpers brannte.
Nach dem Training, wurden wir von den gleichen Autos, welche uns auch zur Halle gebracht hatten, zurück zu unserer Unterkunft gebracht.
Auf der Fahrt war es sehr still. Kirian strafte Neo mit einem vorwurfsvollen Blick.
Als wir endlich ankamen, hatten wir nur noch eine halbe Stunde Zeit, bis wir wieder beim Abendessen erschienen mussten. Jeder machte sich auf den Weg in sein Zimmer.
Dort angekommen sprang ich sofort unter die Dusche. Das prasselnde, warme Wasser entspannte meine Muskeln sofort und ich konnte endlich wieder entspannt durchatmen.
Nach meiner Dusche zog ich mir frische Sachen an und machte mich für das Abendbrot fertig. Danach ging ich hinunter in den Eingangsbereich und wartete mit den Anderen auf Kirian und Neo.
Seit wir angekommen waren, hatte ich nichts von den beiden gehört.
Gerade als wir losgehen wollten wurde eine Tür aufgeschlagen und ein wütender Kirian stürmte aus dem Zimmer. Ihm folgte ein verdatterter Neo. Auf seiner linken Wange konnte man deutlich einen roten Handabdruck erkennen.
Geschockt zog ich die Luft ein. Hatte Kirian etwa Neo geschlagen?
Aber warum? Wenig später saß ich neben Hope im Auto. Von Neo hatte ich erfahren, dass er sich beim Training daneben benommen hatte und sich deshalb bei Kirian versucht hatte zu entschuldigen. Dies war jedoch komplett ausgeartet und hatte damit geendet, das Kirian Neo geohrfeigt hatte. Na toll. Ich sah mir Neos Wange etwas näher an. Dafür dass Kirian aus unserem Team die wenigsten Kraft hatte, war der Handabdruck beinahe feuerrot.
Das Abendessen verlief mehr oder weniger ruhig. Neo und Kirian ignorierten sich gekonnt und wir anderen diskutierten über die Geschehnisse des heutigen Tages. Hope erzählte, das Josh nach mir gesucht hatte und anscheinend Kontakt zu mir aufnehmen wollte. Merkwürdig.
Was würde er denn von mir wollen, können? Ash hielt sich während des Gespräches im Hintergrund und gab nur ab und zu ein paar Bemerkungen hinzu. Nach dem Essen ertönte wieder einmal das gewohnte Piepen und Theodor Galius erschien an der Treppe
„Einen wundervollen guten Abend, wünsche ich Ihnen.“, säuselte er in sein Mikrofon. „Ich hoffe Sie alle haben das Training gut überstanden und sind fit für den morgigen Tag. Es wird ein ereignisreicher Tag werden.“
Theodor Galius sah sich im Raum um. Er war circa 1,70 m groß und mit seinem hellblauen Anzug erinnerte er mich an einen Komödianten.
Doch der ernste Blick in seinen Augen ließ die Vorstellung daran vollkommen verschwinden.
Er setzte seine Rede fort.
„Sie alle werden Morgen die Chance haben, sich mit der Etikette von OBEN vertraut zu machen. Bitte verhalten Sie sich anständig.
Am Abend werden sie die Möglichkeit haben, ihr erworbenes Wissen im District-Bericht zur Schau zu stellen. Ich bitte um eine angemessene Garderobe. Das war es von meiner Seite aus. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.“
Nach der Ansprache wurden wir alle wieder zurück zu unseren Unterkünften gefahren.
Ich war zu geschafft, um weiter darüber nachzudenken und fiel in meinem Zimmer direkt in mein Bett und schlief, ohne mich umzuziehen, ein.