Chris
Nach dem Frühstück ging ich zusammen mit den anderen zur Laufbahn, da wir angewiesen worden waren, unser Training draußen fortzusetzen.
In der Halle war anscheinend das Lüftungssystem ausgefallen. Dadurch konnte keine Luft mehr ins Gebäude gelangen und nachdem zwei Personen durch Sauerstoffmangel zusammengebrochen waren, hatte man uns nach draußen geschickt.
Hier war es angenehm warm und die Lautsprecher an der Decke simulierten beruhigendes Vogelgezwitscher. Hope und Ich standen am Rand der Bahn und machten Aufwärmübungen. Nach den gestrigen Erlebnissen, war ich jedoch nicht wirklich in der Stimmung, Sport zu betreiben, daher standen wir am Rand und sahen uns auf dem Platz um.
Die anderen Teams hatten sich aufgeteilt. Manche liefen auf der Bahn runden, ein Paar sprangen Seil und andere standen wie wir am Rand und sprachen miteinander. „Wo warst du eigentlich gestern Abend?“ Ich drehte mich zu Hope um.
„Was meinst du?“ „Ach tu nicht so. Ich weiß genau, dass du gestern Abend noch mit Ash unterwegs warst.“ Hope sah mich fragend an. „Was habt ihr beide gemacht?“ „Gar nichts“, erwiderte ich wenig überzeugend. Hope erwiderte skeptisch meinen Blick.
Dann weiteten sich ihre Augen.
„Nein, ihr beide habt doch nicht etwa rumgemacht? Chris, wie kannst du nur!“ Hopes Wangen verfärben sich Pink. Das geschah immer, wenn sie an etwas Schmutziges dachte. „Nein!“, sagte ich schnell. „S- so war das nicht.“
Hope zog eine Augenbraue hoch. Sie wirkte nicht so, als würde sie mir auch nur ein Wort glauben. „Wir haben nur geredet.“ Aus irgendeinem Grund, wollte ich ihr nicht die Wahrheit erzählen. Ich wollte den Tanz mit Ash für mich behalten.
Sie sah mich noch ein paar Sekunden skeptisch an, fragte dann aber nicht weiter nach. Nach dem Mittagessen wurden alle Teams dazu aufgefordert, sich im Trainingsraum von Team 3 zu versammeln. Der Raum war etwas größer als unserer und hatte ein kleines Nebenzimmer, welches ich als Bad vermutete.
Die Wände waren in einem kühlen Bordeaux gestrichen und der dunkle Boden bildete einen schönen Kontrast. Der gesamte Raum wirkte Stilvoll und teuer. „Ich bitte um Ruhe“, unterbrach ein Mann das aufgeregte Geflüster. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Seinen sportlichen Klamotten nach zu schließen, war er wahrscheinlich einer der zahlreichen Fitnesstrainer von FH-Group. Als sich jeder ihm zugewendet hatte, sprach er weiter.
„Für den restlichen Tag, steht etwas ganz besonderes auf dem Plan.“ Er sah jeden von uns der Reihe nach an. „Sie werden spezielles Training für die kommende Ausscheidungsrunde erhalten. Am Abend werden Sie, wie bereits angekündigt, im Ballsaal zum heutigen District-Bericht erwartet.“ Leises Gemurmel kam im Raum auf. „Ausscheidungsrunde?“, flüsterte mir Hope von der Seite zu. „Wieso so plötzlich? Wir haben doch noch gar nichts gemacht.“ Ich runzelte die Stirn. Das fragte ich mich auch. Normalerweise fanden diese Ausscheidungsrunden doch erst nach einem entscheidenden Event statt.
Ohne ein Weiteres Wort, drehte der Trainer uns den Rücken zu und signalisierte uns, ihm zu folgen. Er schlug den Weg in Richtung Eingangshalle ein, doch anstatt durch die dunkelbraune Tür den Trainingsraum zu verlassen, bog er scharf nach rechts ab und ging durch eine andere Tür, die mir bis jetzt noch nicht aufgefallen war. Hinter der gläsernen Tür befand sich ein dunkler, schmaler Gang.
Die Wände waren aus rauem Stein und es war so kühl, das ich Gänsehaut bekam und wünschte ich hätte mir eine Jacke mitgenommen. Nach circa fünfzig Metern endete der Gang an einer weiteren Tür. Der Trainer ging hindurch und wies uns an uns zu beeilen. Trotz der vielen Personen, erschien der Raum auf der anderen Seite der Tür, als wäre er fast leer.
Die dunklen Wände, aus einem mir unbekannten Material, erstreckten sich mindestens zwanzig Meter in die Höhe und auch der Rest des Raumes schien mindestens die Größe eines Fußballfeldes zu haben. Es roch stark nach Rauch und quer durch den Raum waren Utensilien verteilt. Darunter befanden sich mehrere Sandsäcke, schwarze Decken, Holz, Streichholzschachteln, mehrere runde Tische aus Mahagoni mit kleinen Beuteln darauf und weitere Dinge, von denen ich nicht wusste, was sie waren.
Am Rand des Raumes stand Sicherheitspersonal und weiter hinten, konnte ich kleine, Gartenhaus ähnliche, Gebilde erkennen. Der Trainer räusperte sich, um unsere Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. „Heute werden wir Sie auf Ihre erste Ausscheidungsrunde, welche wir PHASE nennen, vorbereiten. Auch vor den nächsten PHASEN, werden Sie spezielle Trainingseinheiten erhalten.“
Ich drehte mich zu Neo, Kirian und Ash um, welche hinter mir standen. „Leute, habt ihr davon gewusst?“ Kirian und Neo sahen genauso überrascht aus, wie ich mich fühlte und auch Ash schien sich nicht ganz wohl zu fühlen. Doch nach längerem Hinsehen bemerkte ich das in seinen Augen ein wissender Schimmer lag. Hatte er von dem Spezialtraining gewusst? Plötzlich fasste mich jemand am Handgelenk und zog mich in Richtung Mitte des Raumes.
Als ich mich gerade beschweren wollte, bemerkte ich, das es Hope war, welche mit strammen Schritten auf einen der Tische in der Mitte des Raumes zuging. „Hope, was ist los?“, fragte ich sie. Erst als wir an dem großen, antik aussehenden Mahagoni-Tisch angekommen waren, drehte sie sich zu mir um. „Nichts Besonderes.“
Sie zuckte unschuldig mit den Schultern. „Wir sollen uns in unsere Teams aufteilen und da du anscheinend zu damit beschäftigt warst Ash anzustarren, habe ich dich mitgenommen.“
Ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen stieg. War es wirklich so auffällig gewesen? „Ash, komm doch zu uns.“ Rief Hope auf einmal. Ich sah auf und sah, wie sie Ash mit einem Zwinkern in meine Richtung zu uns ran winkte. Er stellte sich mit an unseren Tisch und kurze Zeit später stießen auch Neo und Kirian zu uns. Als wir vollständig waren, näherte sich und einer der Security-Angestellten und nickte Ash wissend zu. Es schien, als würden sie sich bereits kennen.
„Guten Tag, Mr. Hunter“, begrüßte der groß gewachsene Man Ash, als er vor uns stehen blieb. Angespannt hielt ich die Luft an, was nicht zuletzt auch an der breiten Statur des Security Mannes lag. Er hatte eine selbstbewusste Aura um sich.
„Hey, Pablo“, sagt Ash zögerlich. Irgendwie wirkte er nicht wirklich erfreut über die Anwesenheit des Mannes. „Was sollen wir jetzt machen?“, fragte Hope an Pablo gerichtet. Er schmunzelte. „Sie werden sich ihre Kindheitserinnerungen wieder ins Gedächtnis rufen und mit deren Hilfe diese Stationen erfolgreich bewältigen.“
Er reichte Hope einen ausgewaschenen Stoffbeutel. „Ich bin nicht dazu befugt Ihnen genauere Informationen zu geben, doch einen Rat kann ich Ihnen geben.“ Er wandte sich ab und sah sich in der Halle um. Nach ein paar Sekunden drehte er sich mit einem Seufzen wieder zu uns um. „Nehmen Sie dieses Training nicht auf die leichte Schulter“.
Dann drehte er sich kopfschüttelnd um und ging zu einer der andern Gruppen. Zurück ließ er fünf verwirrt dreinblickende Augenpaare. „Schau nach was im Beutel ist“, wies Neo Hope an. Mit gespannter Miene beugen wir uns über den Beutel in Hopes Händen und warteten, bis sie ihn mit zittrigen Fingern geöffnet hatte. Kirian zog verwirrt die Stirn kraus. „Puzzleteile? Was sollen wir den mit denen anfangen?“ „Vielleicht will FH-Group unsere Intelligenz testen?“, riet Hope. „Denke ich nicht“, warf Kirian ein. „Dann hätten die sich etwas Schwereres ausgesucht.“ „Lasst uns nicht hier herumstehen und raten, wozu diese Station gut ist, sondern endlich anfangen“, kam es von Ash, der rechts hinter mir stand.
Ich drehte mich langsam zu ihm um. Er hatte sich seit der Begegnung mit Pablo im Hintergrund gehalten. Wusste er etwa etwas? Vielleicht hatte er durch seinen Bruder schon etwas im vornherein erfahren? Ich trat näher zu ihm.
„Warum bist du die ganze Zeit so still? Seit du hier hergekommen bist, hast du nicht mehr als ein paar Sätze gesagt. Verschweigst du uns etwas?“ Jetzt kamen auch die Anderen zu uns. Ash schluckte.
„I-Ich… Es gibt ein paar Dinge, über die euch bis jetzt noch nichts gesagt wurde, aber ich darf euch nichts dazu erzählen“, er vermied den Blickkontakt mit uns und drehte letztendlich seinen Kopf zur Seite. „Es ist eh nicht so wichtig.“ Er log. Diesen ausweichenden Blick kannte ich von meiner Schwester. Sie hatte ihn immer, wenn sie mir etwas verheimlichte. Warum wollte Ash uns nichts erzählen? „Was auch immer es ist, Ash Ich denke du hast deine Gründe warum du uns es nicht erzählst.“
Bei Hopes Worten entspannte Ash sich sichtbar und ein Hauch von Eifersucht schlich sich in meine Magengegend. Neo räusperte sich. „Hope hat recht, lasst uns endlich anfangen. Dieser Pablo scheint seine Worte wirklich Ernst gemeint zu haben.“
Er beugte sich vor und nahm die Puzzleteile aus der Tüte, welche er Hope zuvor entwendet hatte. Zusammen gingen wir zurück zum Tisch und saßen wenige Sekunden später grübelnd vor dem Puzzle. „Das Ganze sieht nicht besonders schwer aus, es sind ja nur vier Teile. Was soll man da falsch machen?“
Selbstsicher nahm sich Neo die einzelnen Teile und begann sie nacheinander zusammenzusetzen. Naja, er versuchte es jedenfalls. Immer wenn es aussah, als hätte er zwei passende Teile gefunden, schienen sie sich auf magische Weise so zu verändern, dass sie nicht mal ansatzweise zusammenpassten.
Ash schnaubte amüsiert. „Tja, anscheinend ist es ja doch nicht so einfach. Lass mich mal ran.“ Er schob Neo beiseite und nahm sich ein Teil um es genauer zu betrachten. „Das ist kein normales Puzzle“, stellte er schließlich fest. „Die Teile verändern sich bei jeder Berührung.“ „Chris“, wies er mich dann freundlich an. „Nimm mal bitte eines der Teile in die Hand.“
Zögernd folgte ich seiner Anweisung. Ich nahm mir eines der Puzzleteile und stellte fest, dass es aus Metall bestand, eine bronzefarbene Legierung hatte, welche nur bei genauer Draufsicht zusehen war und seltsam schwer war. „Gut, nun präge dir die Form ein und nimm es in deine andere Hand“, fuhr er fort. Verwirrt sah ich ihn an. „Mach es einfach“, sagte er mit einem ungeduldigen Grinsen. Ich sah auf das Puzzle Teil in meinen Händen.
Es war relativ dünn und abgesehen von dem metallenen Schimmer, sah es ganz normal aus. Langsam bewegte ich das Metallblättchen von meiner rechten Hand in meine linke.
Als ich wieder in meine Hand sah, bemerkte ich, dass sich die Form des Puzzleteils verändert hatte. Dort, wo vorher Einkerbungen gewesen waren, war jetzt eine glatte Fläche entstanden und auch die anderen Rundungen hatten ihren Platz gewechselt. Auch die weiteren Puzzleteile, die noch auf dem Tisch lagen, veränderten ihre Eigenschaften. Als ich wieder aufsah, bemerkte ich, dass auch die Anderen, Ash ausgenommen, mit gemischten Gesichtsausdrücken auf das Puzzle Teil in meiner Hand starrten. Während Hope und Kirian erstaunt aussahen, hatte Neo die Stirn in Falten gelegt.
„Wie sollen wir das Puzzle lösen, wenn sich die Puzzleteile ständig verändern?“, fragte Neo während er eines der Teile genauer betrachtete. „Indem wir sie nicht verändern“, entgegnete Ash. „Und wie soll das gehen?“ Hope klang verzweifelt.
„Wir können sie ja schlecht, nicht berühren.“ „Das nicht, aber wir können den Mechanismus umgehen.“ Ash nahm mir das Puzzleteil aus der Hand. „Mir ist aufgefallen, dass an jeder Seite der Puzzleteile kleine Knöpfe eingearbeitet sind. Diese verändern bei Betätigung die Form des Puzzleteils. Seht ihr?“ Er kam ein Stück näher und drückte mit einem leichten Klicken etwas an der Seite des Metallblättchens.
Daraufhin erschien auf einer glatten Seiten kleine Einkerbungen und das Puzzleteil besaß nun wieder eine komplett andere Form. „Also müssen wir nur diese Knöpfe umgehen?“, fragte ich staunend. „Genau, wenn ihr genauer hinsieht, könnt ihr die Knöpfe leicht ausmachen.“ „Trotzdem kann man sie leicht übersehen“, erwiderte Kirian skeptisch. „Ich denke wir sollten üben, damit uns genau dieser Fehler bei der Ausscheidungsrunde nicht unterläuft.“ Kirian nahm die Puzzleteile und begann sie vorsichtig zusammenzusetzen. Bei den ersten Versuchen benötigte er einige Anläufe, doch nach einigem probieren hatte er anscheinend den Dreh raus und innerhalb weniger Minuten lag das fertige Puzzle vor ihm.
Ash legte mir sanft eine Hand an den Rücken. Diese leicht Berührung jagte mir unzählige, winzige Stromstöße durch meinen Körper und ich merkte, dass meine Knie weich wurden. Warum reagierte ich nur so stark auf ihn? Er war zwar unwahrscheinlich gutaussehend, mit seinem schwarzen Haar, dass ihm leicht unordentlich in sein Gesicht fiel und ihn dadurch noch verführerischer wirken ließ, seinen langen, dunklen Wimpern und seinen grünen Augen, die an einen wunderschönen Wald erinnern, jedoch hatte er auch etwas Mysteriöses und Unheimliches an sich. Etwas, dem ich nicht trauen konnte. „Jetzt du Chris“, sagte er und schob mich sanft in Richtung der Puzzleteile.
Die nächsten Minuten nutzten wir, um der Reihe nach das Puzzle zu lösen, es zu verändern und wieder neu anzufangen. Als Pablo wiederkam, hatte ich das Puzzle schon viermal erfolgreich fertiggestellt. Ash und Pablo wechselten ein paar Worte, dann führte uns der bullige Security-Angestellte zu der nächsten Station, an dem bereits ein FH-Trainer auf uns wartete.
„Team 4?“, fragte er uns, als wir bei ihm angekommen waren. „Ja, wir sind vollständig“, antwortete Kirian in respektvollen Ton. „Bitte folgen Sie mir.“ Der Trainer begab sich in den hinteren Teil des Raumes und als wir an der neuen Position angekommen waren, erkannte ich, dass die Gartenhäuser, welche ich am Anfang gesehen hatte, keineswegs normal waren. Sie waren circa fünf Meter hoch und die Fassade bestand vollends aus Stein. „Die zweite Station wird zur Feststellung ihrer Handlungen in Notfallsituationen dienen. Rationales denken ist erwünscht.“
Ohne ein weiteres Wort öffnete er die Tür, einer der Häuser und wies uns an hineinzutreten.
Drinnen angekommen setzten wir uns auf die zwei kleinen Holzbänke, welche an der Hinterseite des Raumes platziert waren und der Trainer zog die Tür hinter uns zu. Mit einem Klicken schloss er uns ein.
Im Haus war es dunkel und nur durch den leichten Lichtschimmer, welcher unter der Tür hindurch kam, konnte ich die Umrisse meiner Teamkameraden erkennen.
„Hat der uns gerade etwa wirklich eingeschlossen?“ Kirian klang leicht nervös. Der angespannten Stille nach zu urteilen, waren es die anderen wohl auch. Ich kaute unruhig auf meiner Unterlippe herum. „Hat er nicht gesagt das diese Station dazu dient, unsere Handlungen in Notfallsituationen zu erfassen?“
Hope sah sich skeptisch im Raum um. „Hm, für mich scheint das hier keine Notfallsituation zu sein. Er hat uns ja nur in einem Raum eingeschlossen. Lasst uns einfach abwarten.“ Wie um seine Worte zu bekräftigen, streckte Neo mit einem Seufzer die Beine aus.
„Ich denke nicht, das das alles ist.“ Ich stand von der Bank auf. Durch das geringe Licht konnte ich die Größe des Raumes nur erahnen, doch eines stand fest. Der Raum war von innen wesentlich flacher, als das gesamte Haus. Das bedeutete, dass es über uns noch etwas geben musste.
„Chris hat recht“, meldete sich Ash zu Wort. „Die vorherige Station war auch schwerer gewesen, als sie zu Anfang erschienen war. Es muss doch irgendeinen Hinweis geben.“
Er verschwand in der Gegenüberliegenden Ecke und durch die mangelhaften Lichtbedingungen, konnte ich ihn für einen kurzen Moment nicht sehen. Als er wieder zurückkam, hatte er etwas in seiner Hand. Es waren vier Handtücher.
„Woher hast du die denn jetzt her?“, fragte Neo überrascht. „Die lagen in einem kleinen Regal, aber leider waren die das einzige, das es dort gab.“ Ash seufzte resigniert. „Ich dachte ich würde wenigstens etwas nützliches finden.“ Er war noch damit beschäftigt sich zu ärgern, als Kirian abrupt aufstand. „Leute, riecht ihr das auch?“ Wir sahen ihn verwundert an. „Was meinst du?“, fragte Hope. „Naja, hier riecht es irgendwie nach …“
„Feuer!“, beendete Neo Kirians Satz.
„Es brennt.“ „Aber das kann nicht sein.“ Ash sah sich um. „Ich sehe kein Feuer.“ „Und was wenn das Feuer draußen ist?“ „Das kann nicht sein. Wir würden schon längst Tumult hören.“ Hope ging zur Tür und hockte sich an den Schlitz.
„Ich höre nichts.“ Plötzlich kam mir die niedrige Decke wieder in den Sinn.
„Es gibt kein Feuer“, sage ich aus voller Überzeugung. „FH-Group würde uns niemals solch einer Gefahr aussetzen. Die haben doch alles durchgeplant.“ „Und was ist es deiner Meinung nach dann?“ Kirian sah mich skeptisch an. „Rauch.“ Ich wusste nicht, warum ich mir so sicher war, doch aus irgendeinem Grund erschien mir Rauch wie die einzig plausible Antwort. „Rauch? Wieso sollten die denn Rauch in diesen Raum lassen?“
Neo sah nicht besonders überzeugt aus. Ash schüttelte den Kopf. „Nein, Chris hat recht.“ Er deutete in die Mitte des Raumes. „Wenn ihr ins Licht schaut, könnt ihr die feinen Rauchfäden ausmachen.“ Und tatsächlich. Im schwachen Lichtschein konnte man den Rauch sehen. „Jetzt ergibt es Sinn! Diese Station simuliert eine Notfallsituation.
Feuer wäre zu gefährlich gewesen, doch bei Rauch besteht nur eine geringe Gefahr, das wir und verletzen.“ Neo schüttelte ungläubig den Kopf. „Das ist einfach nur krank.“ Auf einmal wurde Hope von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt und konnte sich nur gerade so an der Wand abstützen, um nicht umzukippen.
„Alles gut?“ Besorgt eilte ich zu ihr. Sie schüttelte den Kopf.
Als sie zu einer Antwort ansetzten, wollte, musste sie erneut kräftig Husten. Nachdem sie sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, versuchte sie es erneut. „Ich habe eine schwache Lunge. Irgendwie setzt mit der Rauch zu.“
Ich streichelte ihr beruhigend über den Rücken, dann legte ich meinen Kopf in den Nacken und schloss kurz die Augen, um mich zu ordnen.
Gerade als ich wieder zu Hope sehen wollte, fiel mir etwas auf. „Ähm, Leute?“ Ich deutete an die Decke. „Ich glaube wir haben ein Problem.“ Die anderen gaben erschrockene Laute von sich, als sie meinem Blick folgten.
Durch winzig kleine Löcher in der Decke drang immer mehr Rauch in den Raum und vernebelte mir die Sicht. Meine Augen brannten. „Schnell, holt die Handtücher“, rief Ash. Mit schnellen Schritten ging Kirian zu den Bänken und nahm die vier Handtücher, welche Ash vorher dort abgelegt hatte. „Ohne Wasser, werden die uns nicht besonders viel bringen.“ Neo klang verzweifelt. „Sie müssen es aber“, antwortete Ash bestimmt.
Erneut wurde Hope von einem Hustenanfall geschüttelt. Diesmal stärker. Schnell rannte Kirian zu Hope und hielt ihr eines der Tücher hin. Dankbar nahm sie es und hielt es sich über Mund und Nase. Plötzlich schimmerte etwas unter einer der Bänke auf. „Ein Wassereimer“, rief ich und rannte zur Bank.
Meine Lunge brannte und ich hatte große Mühe mich auf den Beinen zu halten. Mit dem Eimer in den Händen ging ich zurück zu den anderen. „Wie konnten wir den bloß übersehen!“ Mit raschen Bewegungen tauchte Ash die Handtücher in das Wasser und gab jedem von uns eins. „Ash, was ist mit dir?“ Durch den Stoff des Tuches klang meine Stimme gedämpft. „Ich brauche keins. Ich halte durch.“
Er dreht sich um und machte sich am Schloss der Tür zu schaffen. Nach ein paar Sekunden drehte er sich wieder zu mir um. „Chris, hast du eine Haarklammer?“ Ich fasste mir an den Kopf. Normalerweise trug ich nie Haarklammern, doch da ich mein Pony herausgewachsen ließ, hatte ich die langen Strähnen, welche immer noch zu kurz für meinen Zopf waren mit zwei Haarklammern nach hinten gesteckt. Was für ein Glück! „Bitteschön.“
Ich gab Ash meine beiden Haarklammern. Durch ihr fehlen an meinem Kopf, löste sich mein Pony und umrandete in leichten Wellen mein Gesicht. „Du bist ein Engel.“ In Anbetracht der Situation, war es sehr unpassend, doch trotzdem lösten Ashs Worte ein leichtes Kribbeln in meinem Magen aus. Schnell schüttelte ich den Kopf. Konzentriere dich, Chris! Ash nestelte mit einer meiner Haarklammern am Türschloss herum und kurz dachte ich er würde es nicht schaffen, doch dann öffnete sich die Tür mit einem Klicken und ein Schwall frischer Luft kam herein. Wir hatten es geschafft. Schnell lief ich zu Hope, stütze sie und zusammen begaben wir uns nach draußen.
Als ich über die Türschwelle trat, atmete ich erst einmal tief ein und neben mir spürte ich, dass Hope das Gleiche tat. Ich platzierte sie an der Hauswand und befahl ihr sich auszuruhen. Kurz darauf kam Ash als letzter aus dem Haus und brach neben der Tür in einem Hustenanfall zusammen. „Ash, brauchst du Hilfe?“ Ich lief zu ihm. Nach Luft röchelnd wimmelte er mich mit einer Hand ab und mit einem Seufzen sah ich mich nach Neo und Kirian um. Sie waren als Erstes aus dem Haus gekommen und saßen nun nebeneinander einige Meter entfernt.
„Herzlichen Glückwunsch, Team 4. Sie haben es erfolgreich aus dem Haus geschafft.“ Mit einer Stoppuhr in der Hand trat der Trainer von zuvor zu uns. Ich konnte es nicht fassen. Vor wenigen Minuten hatte er uns noch in einem Haus voller gefährlichem Rauch eingesperrt und jetzt gratulierte er uns?
„Was ist das für ein kranker Scheiß?“, beschwerte sich Neo, der mit Kirian zu uns getreten war. „Wollen sie uns etwa umbringen?“ Der Trainer ignorierte Neos Beschwerden und sah auf seine Stoppuhr. „26 Minuten, das ist die heutige Bestzeit. Sie können die anderen Stationen überspringen und sich direkt in ihr Wohnheim begeben, um sich dort fertigzumachen.“
Mit diesen Worten drehte er sich um und empfing ein anderes Team, welches gerade angekommen war.