„Susi war wunderschön. Ihre strahlenden blauen Augen waren schöner als alle anderen, ihre goldblonden Haare waren gesund und glänzten. Alles, was sie anfasste, gelang und sie beherrschte alles perfekt. Sie war reich, hatte nur Einser in der Schule und war bei allen beliebt. Jeder Junge wollte sie zur Freundin haben, jedes Mädchen wollte so sein wie sie. Aber natürlich war sie kein bisschen eingebildet, so wie die anderen Mädchen in ihrem Jahrgang. Keiner wusste, dass sie eine Hexe war, die Mächtigste von allen. Sie hatte die Gabe, jede andere Fähigkeit zu übernehmen. Natürlich beherrschte sie alles sofort perfekt und niemand konnte sie besiegen.“
Wie oft stolpert man gerade in Fandom-Geschichten auf diese unvergleichlichen, perfekten, wunderschönen und unbesiegbaren, zumeist weiblichen Charaktere, die augenscheinlich nicht einen Fehler haben, bei denen sogar noch der Toilettengang nach Rosen duftet, denn wie könnte es anders sein, wenn sie doch so perfekt sind?
Mary Sues... oder viel häufiger Self Insert Mary Sues, findet man gerade bei weiblichen Autor-chans, die sich selbst in überaus glorifizierter Art und Weise in eine Geschichte einfügen, um ihren unrealistischen Fantraum mit dem Lieblingsstar oder der Lieblingsfigur aus einem Buch oder Anime auszuleben.
Oftmals stellen sie sich in Mary Sue-Form dar, weil sie mit sich selbst unzufrieden sind und gern so perfekt sein wollen wie ihre erdachte Figur.
Das männliche Gegenstück, der Gary Stu, ist oft perfekt gestylt, hat ein gestähltes Sixpack, trägt nur Designerklamotten, fährt ein dickes Auto und ist stinkreich. Er ist clever, witzig und charmant. Er hat an jedem Finger zwei Mädchen und lebt ein promiskuitives Leben, bei dem alle geil auf ihn sind. Doch insgeheim träumt er von der großen Liebe. Wird ein solcher Charakter von einem Mädchen erdacht, ist es oft die Fantasie des vermeintlich perfekten Freundes.
Mary Sues und Gary Stus sind allerdings oftmals auch Charaktere, die zwar äußerlich perfekt erscheinen, denen es aber an der nötigen literarischen Tiefe fehlt. Denn wie soll sich ein Charakter im Verlauf der Geschichte weiterentwickeln, wenn er bereits zu Beginn alles kann und alles beherrscht?
Ein ernsthafter Autor wird sich dem Charakter der Mary Sue eher verweigern, da ihm an der charakterlichen Entwicklung gelegen ist. Natürlich kann es durchaus witzig sein, Geschichten mit Mary Sues zu lesen und natürlich kann sich auch eine solche Figur noch zum wirklich Positiven verändern, aber ich persönlich bevorzuge es, wenn diese am Ende der Geschichte einen zuhöchst zynischen Tod sterben.