Den zweiten Tag nun ist er unterwegs. Sein Weg führte ihn tief in das Gebirge. Vorbei an den fruchtbaren Terrassenfeldern unmittelbar hinter der Stadt. Durch den wilden Bergwald hinan bis zur Baumgrenze. Und noch weiter! In die immerwährenden Nebel. Waberndes Halbdunkel. Kaltes, nacktes Felsgestein. Kaum Sicht. Feuchtnasse, klamme Kleidung. Die beiden störrischen Bergpferde vor dem voll gepackten Karren haben die Nase ebenso voll, wie er. Doch muss er weiter! Seinen Auftrag erfüllen.
Die kaum sichtbare Sonnenscheibe steht bereits tief, als er den Sturmhof erreicht. Ein verfallenes Gemäuer mit dem mehrere Klafter hohen Turm aus schwerem, schwarzem Stein auf einem der zahllosen Gipfel des Nebelgebirges. Bedeckt von grauem, mit Wasser voll gesogenen Moosschwämmen. Leere Fensterhöhlen. In Räumen voller Trümmer vermodern die Reste des Dachstuhles. Welch Trostlosigkeit!
Davor schreckt Vondel nicht zurück. Nicht mehr. Hier gibt es nichts. Weder Schätze. Noch Geister, auch wenn er sich so sicher nicht ist. Es ist nichts weiter, als ein verlassener, toter Ort. Damit kennt er sich aus! Vereinzelte Windböen zerren lustlos an den trägen Nebelfeldern.
Entschlossen nimmt Vondel die Sturmlaterne vom Karren. Mit festem Schritt betritt er das Gebäude. Es ist kalt, nass und leer. So, wie er es unlängst verlassen hat. Zu seiner Rechten führt ein breiter Durchgang in den Turm. Der trübe Kerzenschein kämpft gegen die Dunkelheit an. Eine steinerne Wendeltreppe folgt der runden Turmgeometrie in die Höhe. Wasser tropft von oben herab. Sammelt sich in gemeißelten Rinnen im Steinfußboden und fließt durch kleine Öffnungen ab. In Raumes Mitte steht ein Gebilde auf einem provisorischen Fundament aus Stein. Mannshoch. Durch Segeltuch vor der Witterung geschützt. Mit festem Tauwerk gesichert.
Vondel prüft auf Vollständigkeit und Unversehrtheit. Zufrieden reibt er sich das Kinn. Alles ist, wie es soll! Doch die Zeit drängt. Es bedarf einer letzten Kraftanstrengung, um die Lieferung zu vervollständigen. Entschlossen spuckt er in die Hände und macht sich an die Arbeit.
Im Schweiße seines Angesichtes entlädt er den Karren. Seitenteile, Böden, Abdeckungen sind es. Sitzflächen, Arm- und Rückenlehnen sowie gedrechselte Beine aus verschiedenen Hölzern in unterschiedlichen Größen. Zum Teil mit kunstvollen Schnitzereien versehen. Dies alles buckelt er in den Turm. Manches ist leicht und handlich. Doch vor allem jene tragenden Elemente aus massivem Wehrholz lassen es manches Mal heftig in seinem Rücken krachen. Immer wieder zwingt ihn die Schwere der Arbeit zum Innehalten und Kräftesammeln.
Ein letzter Gang. Zwischenzeitlich aufgekommener Wind zerfetzt die Nebelbänke. In Schleiern jagen sie über den kahlen Boden. Gleichwohl hält er Vondel nicht davon ab, sich eine Truhe voller schmiedeeiserner Beschläge, Scharniere, filigrane Fallriegel- sowie Ringschlössern, Dübeleisen und Holzzapfen aus rotem Eisenholz auf die Schulter zu wuchten. Mit letzter Kraftanstrengung schleppt er sie in den Turm. Deponiert sie vor der nun vollständigen Lieferung. Verhüllt sie mit dem Segeltuch und schlingt mehrfach das Seil herum.
Das Werk ist vollbracht! Erschöpft sinkt Vondel neben der Sturmlaterne auf die Treppenstufe und lauscht dem Pfeifen des Windes durch die verlassenen Räume des altes Bauwerkes. Jene urtümlichen Geräusche lassen ihn gedanklich in die Vergangenheit zurückreisen.