Neben ihr saß Tiara. Selena öffnete die Tür und sah Killian an. „Danke, dass du mir gesagt hast, dass Thea auch im Zimmer ist“, sagte sie sarkastisch. „Es tut mir leid, Selena.“ Sie schüttelte den Kopf und schloss wieder die Tür. Als sie sich umdrehte, starrte Tiara sie mit offenem Mund an. „Er hat dich mit dem Vornamen angesprochen. Wie hast du das geschafft?“, fragte sie verblüfft. „Ich habe es ihm befohlen.“ Thea lachte auf. „Tut mir leid Thea, ich meinte das vorhin nicht so. Es ist schön, dass du auch da bist.“ Selena setzte sich auf ihr Bett. „Ich komm immer noch nicht damit klar“, murmelte Tiara. „Sag mal Tiara, was hast du angestellt, dass du einen so heißen Leibwächter bekommen hast?“, fragte Thea. Selena hielt ihr Lachen zurück, als Tiara rot anlief. „Nichts…“ „Sie hatte einfach Glück“, sagte Selena. Thea sah Selena an. „Und was hat dein Bruder zu dir gesagt?“ Selena verdrehte die Augen. „Er glaubt, ich hätte ihn vor allen blamiert.“ „Und mir erzählt, dass er für Thea schwärmt“, fügte Tiara hinzu. „Ja“, sagte Selena und riss dann die Augen auf. „Was?“, rief sie. „Ich weiß das bereits“, sagte Thea grinsend. „Was?“, wiederholte Selena. „Das sieht doch jeder. Ich meine, für wie blöd hält er mich eigentlich?“, fragte sie. „Genau, sie ist nicht blond, sondern Platin“, sagte Tiara grinsend. „Ist das nicht dasselbe? Aber, warte mal, seit wann weißt du es?“ „Seit wir uns das vorletzte Mal gesehen haben.“ „Verdammt, das sind eineinhalb Jahre.“ Thea nickte. „Und wie sieht es bei dir aus? Gibt es da Jemanden, Sel?“, fragte Thea grinsend. „Nein. Außerdem will ich, dass es so bleibt, wie es ist.“ „Als ob dich noch niemand angemacht hat.“ Thea zog eine Augenbraue in die Höhe. Selena überlegte kurz. „Nein, da fällt mir echt überhaupt nichts ein“, sagte sie wahrheitsgetreu. „Glaub ihr nicht Thea. Jedes Mal, wenn wir irgendwohin gehen, wird sie von allen angestarrt. Nur bemerkt sie es nie.“ Thea lachte auf. „Fakt ist, dass sie einen Bruder namens Alic hat. Jeder respektiert ihn und somit ist Sel für jeden tabu“, erklärte Thea. „Ich hab echt Glück, dass ich keinen Bruder habe.“ „Ist das euer ernst?“ Selena starrte ihre Freundinnen verblüfft an. So hatte sie das nie betrachtet. Sie hatte schon männliche Freunde, die aber auch mit ihrem Bruder befreundet waren… „Du bist so naiv“, sagte Thea und schüttelte dabei lächelnd den Kopf. „Können wir über etwas anderes reden, als wie über mein nicht existierenden Liebesleben?“ Tiara lachte und stand auf. „Du hast ja nichts dagegen oder, wenn ich ein wenig rumschnüffle.“ „Nein, nur zu.“ Tiara lief auf Selenas Schreibtisch zu. Darauf war ein Kalender. Sie nahm es in die Hand und las es durch. „Ach du heilige Scheiße, Sel, machst du das alles an einem Tag?“ Tiara hielt den Kalender hoch. Selena nickte, als ob das ganz natürlich wäre. „Was steht denn drin?“, wollte Thea wissen. „Montag: 8:00 Uhr Frühstück. 10:00 Uhr Übungsstunden SV. Was bedeutet SV?“ „Selbstverteidigung.“ „Okay… Also das geht bis 11:30 Uhr. Dann hast du bis 12:30 Freizeit. Um 13:00 Uhr gibt es Mittagessen. 15:00 Uhr Bogenschießen und im Anschluss reiten. Beides geht bis 17:30 Uhr. Um 17:45 Uhr besuchst du die Schule und liest dort den Kindern etwas vor. Um 18:30 gibt es Abendessen.“ „Dein Kalender ist ja stressiger, als wie meines.“ Thea machte große Augen. „Ich brauche eben eine Struktur. Außerdem ist nicht jeder Tag so.“ „Das ist aber echt viel.“ Tiara legte den Kalender zurück an seinen Platz. Sie fuhr mit der Hand über die vielen Bücher. „Interessierst du dich immer noch für die vier Steine?“ Sie nahm das mit dem Terra in die Hände. „Nicht nur das.“ Selena sprang auf und lief auf ihr Kleiderschrank zu. Sie öffnete es und schob ihre Klamotten zur Seite. Ganz hinten war ein Geheimfach. Sie öffnete es mit einem Schlüssel und zog ein kleines Notizbuch heraus. „Ihr müsst schwören, dass ihr es keiner Menschenseele verratet.“ „Versprochen“, sagte Tiara automatisch. „Du hast mein Wort“, sagte auch Thea. Sie lief auf ihr Bett zu und setzte sich hin. Tiara setzte sich ebenfalls neben Selena. „Haltet mich nicht für verrückt aber ich glaube, es gibt einen fünften Stein.“ „Einen fünften Stein?“, wiederholte Thea. „Sel, es gibt nur vier Elemente.“ Tiara sah ihre beste Freundin stirnrunzelnd an. „Das weiß ich. Aber das ist kein gewöhnlicher Stein.“ Sie schlug die erste Seite auf. Sie hatte sich selbst Notizen gemacht. „In den vier Büchern über die jeweiligen Steine, taucht immer wieder das Wort Luna auf. Auf jeder Seite sieben Mal. In allen vier Büchern. Ich habe das Wort nachgeschlagen und es bedeutet Mond. Daraufhin war ich in der Bibliothek und habe nach Büchern gesucht, die damit etwas zu tun haben könnten.“ Selena beugte sich und zog ein dickes, großes Buch unter ihrem Bett hervor. „Was ist denn das für ein Buch?“, fragte Tiara. Es war in Leder eingebunden und die Seiten waren bereits vergilbt. Die Schrift war schwer zu lesen. „Kannst du das überhaupt lesen?“, fragte Thea. „Ich habe einmal in der Woche Unterricht im die alten heiligen Schriften und daher konnte ich es einigermaßen entziffern. Dieses Buch enthält nur Legenden. Legenden über Portalöffner, noch bevor die erste Portalöffnerin geboren wurde. Versteht ihr nicht, das sind nicht nur Legenden. Das ist unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“ „Und was hat das mit dem Mond zu tun?“, fragte Thea. Selena schlug die richtige Seite auf. „Laut einer Legende, stammen die vier Steine vom Mond. Es viel eines Tages ein großer Stein runter und zersplitterte in vier Teile. Das Ignis Lapis, Caeli, Terra und Aquariel. Doch der Rest von diesem Stein, wurde nie gefunden.“ „Vielleicht existiert er gar nicht“, bemerkte Tiara. „Nein, es existiert. Da bin ich mir sicher.“ „Sel, nur weil es Andeutungen in einem alten Buch gibt, heißt es nicht, dass es wirklich stimmt.“ „Da gibt es noch was.“ Selena schlug das Buch zu. Stattdessen nahm sie einen gefalteten Zettel aus ihrem Notizbuch. „Hier.“ Sie reichte es Tiara. „Wird der fünfte Stein aktiviert, dessen Macht alles überragt. So erwartet man ein neues Schicksal, in den Händen, loyal. Diese Macht, gehalten nur von Eins, kann niemals sein wie einst. Kaum zu wissen, wer es ist, wird euch begegnen bald, gewiss“, las Tiara laut vor. Dann sah sie ihre beste Freundin an, die ihre Hände anschaute. „Woher hast du das?“, fragte Tiara. „Seit meinem achtzehnten Geburtstag träume ich ab und zu von diesem Spruch. An einem Morgen bin ich aufgewacht, und hatte das in der Hand. Das ist meine Handschrift. Ich habe es wohl im Schlaf geschrieben.“ Thea und Tiara starrten sie an. „Wissen deine Eltern davon“, wollte Thea wissen. „Nein! Natürlich nicht. Wenn sie es wüssten, würden sie mir verbieten, darüber etwas herausfinden zu wollen.“ „Und was willst du machen“, fragte Tiara. „Ich will wissen, was es damit auf sich hat aber von hier, werde ich nicht mehr erfahren, als wie jetzt. Ich habe eine Karte gefunden. Dort steht, wo der Mondstein gelandet ist. Da will ich hin.“ „Du spinnst doch! Deine Eltern erlauben dir das niemals!“, rief Tiara. „Sie wird nicht fragen, habe ich recht?“ Thea sah Selena an. „Natürlich werde ich sie nicht fragen. Meine Mom würde ein Herzinfarkt bekommen.“ „Und wie willst du dich hier rausschleichen?“ „Das ist meine kleinste Sorge. Wie überwinde ich Alic?“ „Ganz einfach, er kommt mit.“ Selena und Tiara starrten Thea entgeistert an. „Du spinnst.“ „Wir werden seine Hilfe sicher gebrauchen.“ „Wir?“ „Ich komme mit.“ Thea strahlte bis zu beiden Ohren. „Du willst mitkommen?“, wiederholte Selena. „Ja. Außerdem kann ich Alic am besten manipulieren.“ „Da hast du nicht ganz unrecht. Außerdem könnte er eine gute Ausrede sein“, überlegte Selena laut. „Ihr beide habt sie nicht mehr alle. Wisst ihr eigentlich, über was ihr da redet?“ „Tiara, mach dir keine Sorgen. Außerdem ist da draußen nichts, wovor man sich fürchten muss.“ Zu diesem Zeitpunkt wusste keines der Mädchen, wie sehr sich Selena da täuschte. „Also schön. Aber ich komme mit. Außerdem wird ja Killian dabei sein.“ „Abgemacht.“ Selena legte das Buch wieder unter ihr Bett und brachte das Notizbuch in ihr Geheimfach. „Ich gehe dann mal Alic suchen. Wir wollen ja morgen aufbrechen.“ Thea hatte alles in die Hand genommen. „Morgen schon?“, fragte Tiara. „Ja, ich habe nämlich keine Ahnung, wie lange wir noch hier sind.“ „Das stimmt. Aber warte mal.“ Selena ging zu Thea und richtete ihr die Haare. Sie reichte ihr noch ein rosa Lipgloss. „Naja, das ist eigentlich nicht nötig aber wir gehen auf eine Nummer sicher“, sagte Selena grinsend. „Überlass Alic mir. Du kümmerst dich um die Vorräte und du Tiara, kümmerst dich um deinen heißen Leibwächter.“ „Und wenn alles nichts bringt, dann befiehl es ihm einfach“, warf Selena ein, bevor Tiara etwas sagen konnte. Lachend öffnete Thea die Tür. Killian stand immer noch dort. „Ihr zwei müsst reden.“ Selena trat aus ihrem Zimmer, schubste Killian rein und schloss die Tür hinter sich zu. „Viel Glück“, sagte sie zu Thea und lief den Gang runter.