Mila lief in der Schlossbibliothek auf und ab. Coilin stand vor einem Fenster und sah in die Dunkelheit. „Warum sind sie noch nicht da?“, fragte sie nun zum fünften Mal. Coilin holte tief Luft und drehte sich zu seiner Frau um. „Nun sag doch was!“ Sie lief zu ihm und stellte sich dicht vor ihren Mann. Er legte seine Hände auf ihre Schultern. „Ich weiß es nicht, Mila. Sirius müsste sie schon längst gefunden haben.“ Er sah ihr in die Augen. „Oh mein Gott, es ist etwas passiert! Meinen Kindern ist etwas passiert! Ich bin eine schreckliche Mutter. Ich konnte sie nicht beschützen. Ich…“ Coilin unterbrach sie. „Mila, hör auf. Unseren Kindern ist nichts passiert. Außerdem bist du eine wundervolle Mutter.“ Tränen stiegen ihr in die Augen. Coilin seufzte und schloss seine Frau in seine Arme. Sie schlang die Arme um seine Taille und er stütze sein Kinn auf ihr Scheitel. „Alic und Selena passen aufeinander auf. Das hast du ihnen beigebracht. Es gibt nichts wichtigeres, als die Familie.“ Mila schniefte und löste sich ein wenig von Coilin. „Stimmt. Sie passen gut aufeinander auf und ich würde ja spüren, wenn ihnen etwas passiert. Immerhin bin ich ihre Mutter.“ Coilin nickte und drückte einen Kuss auf ihre Stirn. „Du solltest dich ein wenig ausruhen. Du brauchst dringend schlaf, langsam deckt die Schminke deine Augenringe nicht mehr.“ „Hey!“, sie schlug ihn mit flacher Hand gegen seinen Brustkorb, aber sie grinste. „So etwas sagt man doch nicht und erst recht nicht zu seiner Frau“, schimpfte sie weiter, während er sie aus der Bibliothek führte. Er hatte ein Arm um ihre Schultern gelegt. Bis zu ihrem Schlafzimmer, hielt Mila eine Rede darüber, wie er mit ihr sprechen solle. Coilin ließ es über sich ergehen. Er versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber in Wirklichkeit machte er sich genauso Sorgen um seine Kinder, wie Mila. Falls ihnen etwas zustoßen würde, wäre alles seine Schuld. Wenn er Alic in die Geschehnisse eingeweiht hätte, hätte sein Sohn niemals zugelassen, dass Selena so etwas unternehmen würde. Coilin blieb noch bei seiner Frau, bis diese eingeschlafen war. Danach ging er in den großen Saal. Es schien, als würde Chandrick erneut kurz vor seinem Untergang stehen und es machte ihn so wütend, nicht zu wissen, wer dahinter steckte. „Stör ich?“, die bekannte Stimme riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. Er sah auf. „Niall?“ „Es ist lange her, nicht wahr?“ Das letzte Mal, als Coilin seinen besten Freund und gleichzeitig seinen Schwertkampflehrer gesehen hatte, war am 1. Geburtstag von Alic und Selena. „Seitdem sind achtzehn Jahre vergangen“, stellte Coilin fest und trat auf ihn zu. Nachdem sie sich freundschaftlich umarmt hatten, fragte Coilin: „Was führt dich hierher?“ Niall grinste. „Soll ich wieder gehen und in achtzehn Jahren wiederkommen?“ „So habe ich das nicht gemeint.“ Coilin wusste, wie sehr Niall immer noch unter Caitlins Verlust litt. Sie war eine von vielen gewesen, die durch Antons Handlangern getötet wurde. An dem schicksalhaften Tag, hatte auch Mila ihren tot geglaubten Vater gefunden und wieder verloren. „Ich habe gehört, dass Dämonen ihr Unwesen treiben. Außerdem habe ich herausgefunden, dass deine Kinder da draußen sind“, sagte er vorwurfsvoll. Coilin stöhnte auf. „Das weiß ich. Ich hätte Alic sagen sollen, dass es nicht sicher ist.“ Niall musterte ihn. „Ändern kann man es jetzt auch nicht mehr. Wie geht es Mila?“ „Wie wohl? Sie fühlt sich schrecklich. Sie isst nicht mehr und schläft auch nicht die ganze Nacht durch.“ Niall verdrehte die Augen. „Was hast du erwartet? Sie ist eine Mutter.“ Coilin schwieg eine Weile. „Was geht hier nur vor sich?“, stöhnte er schließlich. „Das kann ich dir leider nicht…“ Ein lauter Knall unterbrach Niall. Beide Männer stürmten zum Fenster und sahen ein Gesicht von einer Frau am Himmel. „Wer zum Teufel ist das?“, fragte Coilin. „Hört mir gut zu, denn ich wiederhole mich ungern. Mondgöttin, komm aus deinem Versteck. Ich werde dich finden und alles und jeden zerstören, der mir in den Weg kommt. Diesmal gehört der Mondstein mir. Weder Luna noch Ambrosius können mich diesmal aufhalten. Wenn ihr also Chandrick behalten wollt, ich möchte nur den Mondstein und die neue Mondgöttin.“ So schnell wie die Frau erschienen war, war sie auch wieder verschwunden. „Wer zum Teufel war das?“, fragte Coilin. Niall sah ihn geschockt an. Kurz darauf ging die Tür auf und Flanna, Mila, Amon und Jack kamen reingestürmt. „Bitte sagt mir, dass das nicht die war, für die ich sie halte!“, rief Mila. Sie steuerte auf ihren Mann zu. Ihr Nachthemd rauschte dabei. „Ich weiß nicht was du meinst“, sagte Coilin ehrlich. „Das war nicht Alekto, bitte sagt mir, dass es nicht Alekto war!“ Mila wandte sich an Niall und stutzte. „Niall?“, rief sie überrascht. „Mila, das war Alekto.“ Mila sank auf die Knie. „Mila!“ Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht und ihre Schultern fingen an zu beben. „Mila, was ist los?“ Coilin kniete sich vor sie und umarmte sie. „Wer ist Alekto?“, fragte Flanna. „Laut der griechischen Mythologie ist sie eine Rachegöttin aber das ist doch nicht möglich. Oder?“, fragte Jack. „Keine Ahnung was griechische Mythologie ist, aber ja, sie ist die Rachegöttin“, bestätigte Niall. „Großer Gott“, entfuhr es Amon. „Ich muss meine Kinder finden!“ Mila löste sich von ihrem Mann und rappelte sich auf. „Sie darf sie nicht finden. Coilin, tu verdammt noch mal etwas. Ich will meine Kinder zurück!“, schrie Mila. Sie war völlig außer sich und zitterte am ganzen Körper. „Liebling beruhige dich.“ „Nein! Ich will meine Kinder!“, Milas Stimme überschlug sich. Noch nie hatte jemand Mila so hysterisch erlebt. Normalerweise behielt sie immer einen kühlen Kopf. Als Coilin nichts sagte, wandte sie sich an Niall. „Bitte tu etwas“, flehte sie ihn an. „Mila, wie soll ich das denn anstellen?“ Als sie merkte, dass auch von ihm keine Unterstützung kam, wandte sie sich an Jack. Sie packte ihn am Kragen. „Unsere Kinder sind in großer Gefahr! Ich will meine Kinder. Tut verdammt noch mal etwas!“ „Mila, du machst mir Angst.“ „Wie könnt ihr nur so ruhig bleiben?!“ „Wenn du uns verraten würdest, was dich so hysterisch macht…“ Mila sah Flanna ungläubig an. „Was mich hysterisch macht?! Alekto will den Tod meiner Tochter! Das macht mich hysterisch!“ „WAS?!“, kam es von allen anderen. „Selena ist die Mondgöttin“, stellte Niall fest. Coilin blickte erst Niall, dann Mila an. „Das ist ein Scherz.“ Mila wandte sich an Coilin. „Ein Scherz? Coilin, ich will meine Kinder! Wenn du nichts unternimmst tu ich es!“ Sie machte sich bereit, ein Portal zu öffnen. „Nein! Mila, das ist gefährlich, vor allem wegen den Dämonen!“ „Mir ist im Moment nichts wichtiger als meine Kinder“, schrie sie. „Woher willst du überhaupt wissen, dass Selena die Mondgöttin ist?“, fragte Coilin und hielt seine Frau fest. „Ich weiß es einfach! Bitte Coilin, ich könnte es nicht ertragen, wenn ihr etwas zustoßen würde.“ Sie fing an zu weinen und brach völlig zusammen. „Ruft jeden, den wir kennen. Vor allem Mika. Wir brauchen dringend seine Hilfe“, befahl Coilin und trug seine Frau aus dem Saal.
Selena starrte immer noch entsetzt in den Nachthimmel. Alic hatte sich neben sie gestellt und eine Hand auf ihre Schulter gelegt. „Das ist nicht passiert, habe ich recht?“, fragte Tiara. „Sie weiß, dass ich existiere.“ „Sel…“ „Oh nein! Was wenn Mom und Dad das gesehen haben?“, rief sie. „Woher sollen sie denn wissen, dass du damit gemeint bist?“, fragte Thea. „Ich…keine Ahnung“, murmelte Selena. „Euer Vater wird mich umbringen“, stöhnte Sirius. Alic sah seinen besten Freund an. „Warum?“ „Weil ich euch doch zurück bringen sollte“, antwortete er und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „So darf das aber nicht passieren“, murmelte Siara, dann schrie sie auf und sank auf die Knie. Sie hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu und stieß erneut einen grellen Schrei raus. Siara presste die Augen zusammen und versuchte gleichmäßig Luft zu holen, während über Tausende von Bildern in ihrem Kopf schwirrten. Sie hörte Sirius‘ Stimme wie aus weiter Ferne, spürte aber seine Hände an ihren Oberarmen. Siara sah die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Eine schreckliche Zukunft! Zwischen den Bildern hörte sie jemanden schadenfroh lachen. Die Zukunft hatte sich verändert. Alles hatte sich verändert. Langsam ließ der Schmerz nach und ihr dröhnte der Kopf. Siara öffnete die Augen und sah in die besorgten Augen von Sirius. „Geht es dir gut?“, fragte er und musterte sie. „Ja“, krächzte Siara. „Ich muss mich kurz hinlegen.“ Sirius nickte und half ihr hoch. Während er sich zu ihrem Zelt führte, sah sie die besorgten Blicke der anderen. Bei Tiara senkte sie ihren Blick. Im Zelt legte sie sich in ihr Schlafsack. „Willst du mir sagen, was los war?“ „Jemand ist in mein Kopf eingedrungen. Ich habe die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf einmal gesehen.“ „Wie ist das möglich?“ „Weiß ich nicht, aber Sirius, die Zukunft hat sich drastisch verändert. Es ist schlimmer geworden.“ Er sah sie nachdenklich an. „Ruhe dich ein wenig aus. Wir reden später darüber.“ Sie sah ihn mit ihren saphirblauen Augen an und nickte schließlich. Er küsste ihre Stirn und verließ das Zelt. Sobald er draußen war, sah er die fragenden Blicke der anderen. „Wir haben ein Problem.“
„Das hat mir noch gefehlt“, stöhnte Damian, nachdem Alektos Gesicht vom Himmel verschwunden war. Jetzt musste er dringend Selena finden, sich bei ihr entschuldigen und mit ihr zusammen Alekto aufhalten. Er packte seine Sachen zusammen und machte sich auf den Weg. „Ich will, dass ihr jedes Mädchen der Truppe gefangen nehmt und sie zu mir bringt!“ Damian blieb stehen, als er die Stimme hörte. Er ging auf die Stimme zu und da sah er sie. Alekto. Vor ihr waren dutzende von Dämonen. „Ich will wissen wer die Neue Mondgöttin ist. Die Männer aus der Truppe könnt ihr töten.“ Innerlich fluchte Damian und rannte so schnell er konnte zurück. Ihm blieb keine Zeit mehr zu verlieren. Alekto wusste, dass es eine neue Mondgöttin gab.