Als der Morgen anbrach, und die Freunde gefrühstückt hatten, sammelten sie ihre Sachen zusammen und brachen auf. Siara hatte sich etwas erholt, aber ihr dröhnte immer noch der Kopf. „Wie lange brauchen wir eigentlich noch zum Mondstein?“, fragte Thea und unterbrach somit die Stille. „Wenn wir uns ranhalten, sollten wir heute Abend das Tal erreicht haben und morgen früh dann den Stein suchen“, erklärte Siara und sah sich die Karte an. „Wir haben es also bald geschafft“, rief Tiara erleichtert. Siara nickte, sah Tiara aber nicht an. Die Stimmung von allen war auf den Tiefpunkt gesunken. Am Nachmittag passierten sie einen Fluss und machten auf der anderen Seite eine Pause, da Siara dringend eine brauchte. Sie setzte sich auf das Gras und sah zum Fluss. Etwas war passiert. Sie konnte nicht genau sagen was, aber etwas hatte die Zukunft stark beeinflusst. Sirius setzte sich neben sie, schwieg aber. Er wusste, dass sie jetzt ihre Ruhe brauchte. „Ich werde mich ein wenig umsehen. Vielleicht finde ich ja etwas Interessantes“, sagte Selena und nahm ihren Bogen. „Sel, sei vorsichtig.“ „Bin ich doch immer, Alic“, erwiderte Selena grinsend und verschwand zwischen den Bäumen. Sie versuchte es niemandem anmerken zu lassen, aber sie hatte schreckliche Angst. Immer wenn sie den Namen Alekto hörte, zog sich ihr der Magen zusammen und ein Kloß schnürte ihr die Kehle zu. Dann war auch noch die Vision, die Luna ihr gezeigt hatte. Selena hatte es noch niemandem erzählt, da sie selbst nicht wusste, wie sie es zuordnen sollte. Aber laut Luna, brauchte sie Damian und dieser war ein verräterischer Arsch. Niemals könnte sie ihm wieder so vertrauen, wie zuvor. Selena massierte sich mit dem Zeigefinger und Daumen ihren Nasenrücken. Sie wollte schon umkehren, als sie ein Rascheln hinter sich hörte. Mit langsamen Bewegungen, legte sie ein Pfeil an die Sehne des Bogens und drehte sich schnell um.
„Ist euch aufgefallen, wie sich Selena seit gestern benimmt?“, fragte Tiara. „Das ist doch verständlich oder nicht? Sie hat erfahren, dass eine Rachegöttin sie töten will“, sagte Thea. „Und, dass sie die Mondgöttin ist“, warf Killian ein. „Ja das stimmt schon, aber ich glaube, dass es noch etwas gibt, was sie bedrückt“, sagte Tiara mit fester Stimme. „Da gebe ich ihr Recht. Ich kenne Sel, sie würde selbst bei so einer Situation plappern, nur um ihre Angst zu verbergen. Aber da gibt es wirklich noch was, was sie uns nicht erzählt“, gab Alic zu und stocherte mit einem Ast in der Erde rum. Thea hatte ihren Mantel und Stiefel ausgezogen und stütze sich auf die Ellenbogen. „Und was könnte das sein?“ Mit einer Hand schirmte sie ihre Augen vor der grellen Sonne. „Keine Ahnung. Das wüsste ich zu gern“, murmelte Tiara. „Vielleicht liegt es an Damian“, überlegte Killian laut. „Du meinst, weil er ohne ein Wort gegangen ist?“, fragte Tiara. „Ja, und natürlich daran, dass sie erfahren hat, dass er die Reinkarnation von Ambrosius ist“, erklärte Killian. „Kann auch sein.“ Thea gähnte und legte sich wieder hin. „Ich rede nachher mit ihr.“ „Das ist eine gute Idee, Tiara.“ Alic trat zum Fluss und füllte die Wasserflaschen mit Wasser auf. Die anderen erholten sich in der Sonne.
„Selena nimm die Waffe runter.“ Diese bekannte Stimme machte sie noch wütender. „Glaub mir, jetzt werde ich erst recht nicht die Waffe runter nehmen“, zischte sie, als Damian aus dem Dickicht trat. Er hielt die Arme über seinem Kopf, so als würde er sich ergeben und dass machte Selena wirklich wütend. „Nimm deine bescheuerten Arme runter“, zischte sie. „Okay.“ Damian verschränkte nun die Arme vor der Brust. „Was willst du hier?“, fragte Selena. Sie nahm den Bogen runter. „Ich habe überreagiert, als ich ohne ein weiteres Wort euch verlassen habe.“ Selena lachte auf. „Und was heißt das jetzt?“, wollte sie wissen. „Naja, ich hatte angenommen, dass ich euch zum Mondstein führen kann.“ „Na klar sicher“, sagte Selena trocken und lief los. „Hey, ihr braucht doch meine Hilfe, also…“ „Stopp! Wer sagt, dass wir noch deine Hilfe brauchen?“ Damian runzelte die Stirn. „Ihr braucht doch Hilfe, um die Karte zu entziffern.“ Selena schüttelte ihren Kopf. „Nein, da irrst du dich. Wie es aussieht, kann Siara die Karte lesen. Daher wissen wir auch schon, wo das Tal ist. Du bist also überflüssig.“ Sie lief weiter. „Kann ich euch trotzdem begleiten?“, fragte er und lief neben ihr her. „Warum?“ „Ich denke, dass ich es verdient habe, den Stein zu sehen.“ Selena blieb stehen und funkelte Damian wütend an. „Vergiss es. Warum sollten wir dich mitnehmen? Du hast uns einfach im Stich gelassen. Du hast MICH im Stich gelassen, Damian und dass auch noch, ohne ein Wort zu sagen! Du rennst lieber vor deinen Problemen weg. Was, wenn du das noch einmal tust?“ „Werde ich nicht!“ „Ich vertraue dir aber nicht mehr!“, schrie sie ihn an. „Verdammt, ich habe dir vertraut. Aber wer einmal mein Vertrauen verliert, dem kann es unmöglich gelingen, es wieder zu bekommen.“ Diese Worte setzten ihm richtig zu. Als Selena zum ersten Mal, ich vertraue dir, gesagt hatte, hatte sich etwas in ihm geregt aber nun hatte er mal wieder alles kaputt gemacht. „Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte! Ich war einfach überfordert, okay?!“, rief er ihr nach. Sie blieb stehen und sah ihn an. „Was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe? Ich fühle mich seit Tagen alleine, denn keiner weiß, wie es mir wirklich geht! Du bist nicht der Einzige, der Probleme damit hat. Eine Rachegöttin will mich töten und ich habe ihre Kraft gesehen! Sobald sie weiß, wer ich bin, bin ich tot!“, ihre Stimme überschlug sich und sie fing am ganzen Körper an zu zittern. Mit wenigen Schritten, war Damian bei ihr und legte die Arme um sie. Ihm fiel wieder ein, was Alekto gesagt hatte. „Lass mich los!“ Selena stieß ihn von sich. „Ich brauche deinen Trost nicht! Und jetzt, verschwinde!“ „Das kann ich nicht.“ Sie fluchte. „Warum nicht?“ „Wegen dem, was Ambrosius mir gezeigt hat und weil du in größerer Gefahr schwebst, als du ahnst.“ Sie starrte ihn an. „Ambrosius hat dir etwas gezeigt?“, fragte sie mit leiser Stimme. „Ja. Er hat mir den Tag gezeigt, an dem Luna und er gestorben sind. Und gestern habe ich Alekto belauscht…“ „Luna hat es mir auch gezeigt“, unterbrach sie ihn. „Dann weißt du doch, dass wir das zusammen machen müssen.“ „Wissen und Wollen ist etwas völlig anderes.“ Damian stöhnte frustriert auf. „Warum bist du so stur?“ „Kannst du mir erklären, wie ich jemandem vertrauen soll, der mich im Stich lässt?“ „Meinst du nicht, dass jeder eine zweite Chance verdient?“ „Die hattest du schon“, konterte Selena. „Alle guten Dinge sind doch drei, oder nicht?“ „Damian, ich kann dir nicht immer wieder eine Chance geben…“ „PASS AUF!“ Damian warf sich auf sie und zog sie mit sich runter. Etwas klatschte an den Baum, welcher noch vor einigen Sekunden, vor Selena gestanden hatte. Damian drehte sich so um, dass er den Sturz mit seinem Körper abfing. „Was zum Teufel…“ „Wir müssen hier weg!“ Sofort war Damian auf den Beinen, nahm Selenas Hand in seine und rannte los. „Wo sind die anderen?“, rief er. „Am Fluss.“ Selena drehte sich um und sah eine Hundeartige Kreatur. „Nicht nach hinten schauen“, schrie Damian. Er sah die anderen am Fluss liegen. „SIRIUS! ERICHTE EINE SCHUTZBARRIERE! SOFORT!!!“ Alle Köpfe drehten sich zu der Stimme um. Sirius war schon auf den Beinen. Als Selena und Damian bei ihnen ankamen, errichtete er sofort eine Barriere. Gleich darauf hörte man etwas daran abprallen. „Was ist hier los?“, fragte Alic und sah zwischen seiner Schwester und Damian hin und her. Selena entriss ihre Hand aus Damians und trat zu ihrem Bruder. „Irgendetwas hat uns angegriffen.“ „Meinst du mit irgendwas, dieses Ding?“, fragte Thea und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Selena sah hin und nickte. „Bist du dir sicher?“, fragte Tiara. „Ja.“ „Und was ist dann damit?“ Tiara deutete in die entgegen gesetzte Richtung. „Wir sind umzingelt.“ Alic zückte sein Rapier und auch die anderen schnappten sich ihre Waffen. „Wie kommen wir hier raus, ohne zerstückelt zu werden“, fragte Thea. „Ihr habt noch eine Chance zu entkommen. Alekto will euch Mädchen lebend aber uns Jungs will sie gleich tot sehen“, sagte Damian. „Was heißt das denn schon wieder?“, wollte Selena wissen. „Sie weiß, dass die Mondgöttin lebt und dass sie einer von euch ist. Und bevor sie ausschließen kann, wer es von euch ist, will sie euch lebendig.“ „Ich dachte, Dämonen tauchen nur nachts auf?“, sagte Tiara mit zitternder Stimme. „Das ist kein Dämon. Das ist doch Schoßtierchen von Alekto“, erklärte Siara. „Ein Schoßtier?“, wiederholte Thea. Siara nickte. „Und was machen wir jetzt?“, wollte Tiara wissen und zuckte zusammen, als das Tier erneut gegen die Barriere stieß. „Meine Barriere wird nicht mehr lange halten.“ „Verdammt, ich hätte mich beeilen müssen“, stieß Damian hervor. „Du wusstest es?“, fragte Selena. „Ich habe Alekto belauscht und mich dann sofort auf den Weg zu euch gemacht.“ „Könnt ihr das besprechen, wenn wir hier entkommen?“, fragte Alic gereizt. „Ich habe eine Idee. Diese Tiere können nicht fliegen“, murmelte Siara und verwandelte sich. „Sirius, zaubere eine Art Untersatz.“ Er nickte und zauberte etwas, was an einen Boot ähnelte. „Steigt ein.“ Sofort stiegen alle ein. „Sirius, kannst du es schwerelos machen?“, fragte sie ihn. „Ja kann ich.“ Er murmelte einen Zauberspruch. Siara zog das Boot etwas in die höhe und flog dann darunter. Sie drückte mit aller Kraft und brachte das Boot zum Fliegen. Thea stieß ein Schrei aus. „Festhalten und nicht bewegen“, rief Siara von unten. „Geht klar.“ „Sirius errichte eine Barriere um uns herum.“ Gesagt getan. Alic sah runter und wurde blass. „Okay, mir wäre es doch lieber gewesen, uns da raus zu kämpfen“, murmelte er. „Schau halt nicht runter.“ Alic sah seine Schwester an. Sie hörte sich immer noch wütend an. Wer könnte es ihr auch verübeln? Damian war wieder aufgekreuzt. Er war ihm zwar dankbar, dass er im richtigen Augenblick gekommen war, aber trotzdem würde er nicht so leicht davon kommen. Er hatte immerhin seine Schwester verletzt. Als das Boot zu sinken anfing, holte dies ihn aus seinen Gedanken. Kurz darauf landeten sie neben einer Höhle.
Sobald sie in Sicherheit waren ignorierte Selena Damian. Sie tat so, als wäre er nicht da. Alic hingegen nahm ihn zu deutlich war. Er ging schnurstracks auf ihn zu, holte aus und schlug ihm mitten ins Gesicht. „Ich sagte, verletzt du meine Schwester, verletze ich dich.“ Daraufhin ließ er ihn stehen und lief zu Thea. Damian schmeckte Blut, aber er hatte es verdient. Wie sollte er das bloß wieder gerade biegen? „Du hast gesagt, dass du Alekto belauscht hast. Was hat sie noch gesagt?“, fragte Sirius sachlich. „Äh…Dass sie weiß, dass die Mondgöttin wieder da ist und dass diesmal niemand sie aufhalten kann.“ „Wo hast du sie gesehen?“ „Ein paar Kilometer südlich von hier.“ „War sie alleine?“ Damian überlegte. „Ich habe nur zwei ihrer Schoßtiere gesehen… Verdammt!“, schrie er und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Sie war nicht alleine! Ich hätte noch bleiben müssen um zu sehen, mit wem sie geredet hat!“ „Dann hätte sie dich erwischt“, sagte Siara, die sich neben Sirius gestellt hatte. Sie hatte sich inzwischen zurück verwandelt. „Ich lasse mich nie erwischen“, sagte Damian und daraufhin lachte Selena auf. Er wusste, an was sie dachte. Ihre erste Begegnung. „Ist doch jetzt egal. Was glaubt ihr, wer bei Alekto war?“, fragte Tiara und klinkte sich in das Gespräch mit ein. „Ich weiß es nicht. Ich habe sie kaum wahrgenommen, weil es so schien, als gehöre sie nicht zu Alekto.“ „Vielleicht ist sie nicht freiwillig dort“, sagte Killian. „Warum sollte Alekto jemanden gefangen nehmen aber nicht töten?“, fragte Damian. „Oh nein. Oh nein! Das darf nicht passieren! Warum habe ich das nicht gesehen? Großer Gott! Wir sind erledigt“, sagte Siara und sank auf die Knie. Die positivste Person unter ihnen, sagte so etwas. „Was ist los?“, fragte Selena alarmiert. „Sie will dich töten, aber die Mondgöttin wird immer wieder geboren. So wie dein Bruder und deine Schwester.“ „Ich habe aber nur Alic.“ „Nein, so meine ich das nicht.“ Als Siara die fragenden Blicke sah, stand sie auf. „In deinem früheren Leben hattest du einen Bruder und eine Schwester. Naja, als Götter ward ihr Geschwister. Selene, Eos und Helios. Selene ist die Göttin des Mondes. Eos ist die Göttin der Morgenröte und Helios ist der Gott des Feuers und Schmiedekunst. Euch kann man nur endgültig töten, indem man euch alle auf einmal tötet. Dann ist eure Wiedergeburt unmöglich“, erklärte Siara. „Heißt das, dass Alic Helios ist?“, fragte Selena. „Nein. Wie soll ich das erklären? Es ist nicht abhängig, als wessen Kinder ihr geboren werdet. Was einzig und allein zählt ist, wer ihr in eurem vorherigen Leben ward. Und falls Alekto Eos gefangen hält, dann sucht sie nicht nur nach dir.“ „Wenn sie Eos hat, wo ist dann Helios?“, fragte Thea. Plötzlich wurden sie von einem Feuer eingekreist. „Sirius, was soll denn das?“, fragte Selena. „Das bin nicht ich.“