„Prinzessin, seid Ihr wach?“, hörte Selena Gwens Stimme fragen. „Ja“, brummte Selena, immer noch nicht ganz wach. „Ihr müsst Euch fertig machen. In einer halben Stunde, treffen sich alle.“ Selena schlug die Augen auf. Verdammt! „Gwen, komm bitte rein“, schrie sie und stolperte aus dem Bett. Sie lief zu ihrem Schrank, während Gwen das Zimmer betrat. „Ihr habt Euch ja noch nicht einmal angezogen!“, tadelte Gwen. Selena ignorierte sie und holte ein Kleid nach dem anderen raus. „Zu lang.“ Sie warf es über ihre Schulter und Gwen fing es auf. „Zu viel Spitze.“ Auch diesen warf sie achtlos über ihre Schulter. „Zu viel Glitzer. Zu schlicht. Das lässt mich dick aussehen. Mit dem seh ich aus wie ein Zwerg. Was zum Teufel ist das?“, frustriert stöhnte sie auf. „Ich hab nichts zu anziehen, Gwen!“ Sie fuhr zu ihrem jahrelangen Kindermädchen um und hielt sie an ihren Oberarmen fest. „Was. Mache. Ich. Jetzt?“ „Beruhigt Euch.“ Gwen machte sich los und hob die Tüte auf, die sie mitgebracht hatte. „Was ist das?“, fragte Selena neugierig. „Eure Mutter hat es geschickt. Und sie richtet aus, dass Ihr Euer Diadem aufsetzen sollt.“ „Okay.“ Selena nahm die Tüte entgegen und sah rein. „Oh, wow“, sagte sie voller Ehrfurcht. „Lasst mich Euch helfen.“ Selena nickte und holte das Kleid aus der Tüte.
„Warum müssen wir immer auf Sel warten?“, fragte Alic gereizt. „Mädchen brauchen eben Zeit, um sich fertig zu machen“, erklärte Thea. „Sie wird sowieso in einem ihrer Tunika Kleidern hier rein stürmen, ohne Diadem. Weil sie mal wieder verschlafen hat. Ist doch immer dasselbe mit ihr.“ Damian sah Alic mit gerunzelter Stirn an. Komischer weise konnte er sich das sogar bildlich vorstellen. Kurz darauf ging die Tür auf und eine wunderschöne junge Frau trat ein. Jeder starrte sie an. Das Kleid war auf dem ersten Blick schlicht, aber wenn man genau hinsah, konnte man sehen wie weich der Stoff sein musste. Das Kleid fiel locker runter. Es war weder aus Spitze noch aufgebauscht. An der Taille war es durch ein Band fester und das Top des Kleides hatte breite Ärmel und einen V-Ausschnitt. Ihre Locken fielen über ihre Schultern bis zu ihrem Kreuz. Sie hatte auf das Diadem verzichtet, stattdessen trug sie eine Stirnkette. Es war dünn und aus winzig kleinen Diamanten. Der Mondstein hing um ihren Hals, ansonsten hatte sie keine Accessoires. „Entschuldigt, ich komme zu spät. Aber Gwen wollte mich nicht gehen lassen, bevor ich diese bescheuerten Schuhe angezogen habe“, sagte Selena gereizt und zeigte ihre hohen Schuhe. Wenn sie diesen Satz nicht gesagt hätte, hätte Damian nicht geglaubt, dass sie Selena war. Sie sah einfach atemberaubend aus. Das Kleid war wie für sie gemacht. „Glaub mir Süße, das warten hat sich gelohnt“, flüsterte Tiara, als Selena neben ihr platz genommen hatte, und deutete unauffällig auf Damian. Selena ließ ihr Blick durch den Raum schweifen und begegnete kurz Damians. „Du stellst jeden hier in den Schatten, weißt du das?“, fragte Thea, die auf ihrer anderen Seite saß. „Danke“, flüsterte Selena. Tiara und Thea trugen ihre Diademe. Selena hatte sich wegen Damian dagegen entschieden. Sie wollte, dass er sie weiterhin als die Selena sah, die sie wirklich war und nicht wie die Prinzessin Selena, die jeder zu sehen glaubte. Wenn sie das jemandem sagen würde, würde man sie komplett für verrückt halten. „Also, fangen wir mal an. Wir wissen jetzt alle, dass wir keine Beschützer mehr sind. Denn meine Tochter hat die Steine zusammengesetzt“, sagte Coilin. „Was noch beeindruckender ist, dass sie das zusammengeschafft haben. Diese lange und gefährliche Reise, haben sie zusammen gemeistert“, sagte Mila und sah ihre Kinder stolz an. „Noch vor zwei Tagen bist du komplett ausgerastet“, murmelte Jack. Flanna stieß ihr Ellenbogen in seine Rippen und brachte ihn zum Schweigen. „Wie auch immer. Jetzt wissen wir, dass Selena die Reinkarnation der Mondgöttin ist und sie hat auch noch den Gott des Feuers und die Göttin der Morgenröte gefunden.“ Selena sah Helios an und entdeckte neben ihm eine wunderschöne Frau. Sie hatte Feuerrote Haare, die ihr bis zu den Hüften reichten. Sie hatte grüne Augen und eine helle Haut. Eos. „Der Mondstein wird in einer doppelgespaltenen Dimension in Sicherheit sein“, fuhr Coilin fort. „Was für eine Dimension?“, fragte Selena. „Eine Geheimkammer, sozusagen“, erklärte Mila. „Und wie erstellt man die?“, fragte Alic. „Das übernehmen Sirius und Mika. Und nur die beiden haben dann den Schlüssel dafür“, antwortete Coilin. „Moment, hängt der Mondstein nicht mit Selenas Lebenskraft zusammen? Luna ist dadurch gestorben“, sagte Tiara. Selena langte an die Kette. „Luna hatte den Mondstein in Stücke geteilt. Aber wir lassen es ganz“, sagte Helios. „Das ist die einzige Möglichkeit, mit der wir alle in Sicherheit wissen können“, ergänzte Mika. „Okay. Wenn mir nichts passiert, könnt ihr die Kette ruhig wo anders aufbewahren.“ „Dann mal los.“ Coilin legte eine Schatulle in die Tischmitte, während Sirius und sein Vater eine Zauberformel murmelten. Selena nahm die Kette ab und legte es vorsichtig in die Schatulle. Ein Loch öffnete sich in der Mitte des Tisches. „Sel, leg die Schatulle rein“, verlangte Sirius. Selena nickte und tat, was man ihr sagte. Kurz darauf schloss sich das Loch. „Das wars?“, fragte Thea. „Ja, wieso?“, fragte Mika. „Naja, ich schätze wir haben uns an heiklere Sachen gewöhnt“, antwortete Thea und zuckte mit den Schultern. Sie trug ebenfalls ein weißes Kleid, aber ihres hatte ein gewagtes Rückendekolleté. Das Kleid war kurz und der Rock fiel locker bis zu ihren Knien. „Und was machen Helios und Eos?“, fragte Selena. „Ich kehre zurück zum Tal. Dort sind viele Schäden passiert. Die muss jemand in Ordnung bringen. Anschließend werde ich wieder in die Schmiedekunst zurückkehren.“ „Ich kehre zurück in die Berge. Jemand muss sich ja um die Morgenröte kümmern“, sagte Eos. „Und diesmal lasse ich mich nicht überrumpeln.“ „Ich bin der Meinung, dass wir allen Dörfern helfen, die unter den Dämonen gelitten haben“, sagte Selena und sah ihre Eltern an. „Sel hat recht. Wir haben gesehen, was einem Dorf und noch wichtiger, ihren Bewohnern passiert ist“, stimmte Tiara ihrer Freundin zu. „Bei vielen wird es dauern, bis sie wieder Ernten können. Außerdem kann es in den kälteren Regionen noch schwieriger werden“, fuhr Thea fort. „Daher sollten mein Dad und ich zurückkehren und auf dem Weg die Dörfer abklappern.“ Als die drei Prinzessinnen merkten, wie sie angestarrt wurden, fragten sie gleichzeitig: „Was ist los?“ „Ihr redet wie echte Prinzessinnen“, antwortete Mila sanft. „Das macht uns alle sehr stolz“, fügte Coilin hinzu. Die Mädchen lächelten. „Was dich angeht Alic“, setzte Coilin an. „Ja?“, fragte Alic zögernd. „Ich will, dass du die südlichen Männer anführst. Ich nehme an, Damian bleibt hier, daher gründet ihr zwei Gruppen. Getrennt klappert ihr die Dörfer ab.“ Damian starrte Coilin entgeistert an. „Du übergibst mir eine so große Verantwortung?“, fragte Alic überrascht. „Ich habe gesehen, wie du kämpfst. Alic du bist besser, als jeder einzelne Mann den ich habe.“ „Danke, Dad.“ „Ich soll was tun?“, platzte es aus Damian. „Wie, was sollst du tun? Du bist ein großartiger Stratege. Im kritischsten Moment, konntest du einen kühlen Kopf bewahren. Der Einzige der das noch kann sitzt neben mir“, antwortete Coilin und sah Niall an. „Hab ich ihm beigebracht“, sagte Niall und die anderen konnten Stolz aus seiner Stimme hören. „Um diese Mission erfolgreich zu meistern, müsst ihr zusammen arbeiten. Schafft ihr das?“, fragte Jack. „Ja.“ „Das schaffen sie locker“, sagte Mila und lächelte beide an. „Ich habe gesehen, wie gut sie zusammen gekämpft haben und Damian mir das Leben gerettet“, fügte sie hinzu. Tiara sollte mit ihren Eltern nachhause gehen, da es auch in der Gegend Verletzte gab. Thea und Tiara würden am nächsten Morgen aufbrechen.
Selena rannte in einem ihrer Tunika Kleider die Treppen runter. „Ich fasse es nicht, dass wir zu spät kommen!“, rief Alic. „Hey, diesmal hast du verschlafen“, sagte Selena und lachte. „Ich hatte gestern noch eine lange Besprechung“, rechtfertigte sich ihr Zwillingsbruder. „Und warum ist Damian dann rechtzeitig da unten?“, fragte Selena und sah den wundervollsten Mann an. „Halt die Klappe“, zischte Alic als sie die anderen erreichten. Selena ging sofort zu ihrer besten Freundin. „Ich werde dich vermissen!“, sagte sie und umarmte sie. „Ich dich auch.“ Dann flüsterte Tiara: „Halt mich auf dem Laufenden, was Damian anbelangt.“ Selena rollte mit den Augen und umarmte Thea. „Pass auf, dass sich ihm keine anderen Mädchen nähern“, flüsterte Thea. „Keine Sorge, ich pass schon auf ihn auf“, sagte Selena grinsend. Thea trat zu Alic. „Ich komme sobald wie möglich zurück. Wehe du schaust auch nur ein anderes Mädchen an“, drohte sie leise. Alic hob abwehrend die Hände. „Niemals.“ „Gut.“ Thea kehrte zurück zu ihrem Pferd und schwang sich drauf. Killian trat zu Jack und Flanna. Er verbeugte sich und sah dann Jack an. „Killian, du hast eine tolle Arbeit geleistet und das auch noch, ohne meine Tochter zu kennen und ohne von hier zu sein.“ Selena und Tiara wechselten einen Blick und sahen dann Killian an. „Was meinst du damit?“, fragte Tiara und stellte sich neben ihren Vater. „Ich komme nicht aus der Gegend. Um ehrlich zu sein, ich stamme nicht einmal aus Chandrick.“ Tiaras Augen weiteten sich. „Was? Woher dann?“ „Von der Erde. Jack hat mich gebeten, auf dich aufzupassen.“ „Er duzt sie, krass“, hörte Tiara ihre beste Freundin flüstern. „Warum hast du dann meinen Leibwächter gespielt?“, fragte Tiara. „Ich habe nichts gespielt. Ich bin Polizist. Ein sehr guter sogar. Und Jack kannte meinen Vater.“ „Jetzt nennt er Onkel Jack bei seinem Vornamen“, murmelte Selena. „Und was heißt das jetzt?“, fragte Tiara. „Ich werde zurück zur Erde gehen.“ Selena und Thea sahen sich an. „Okay. Lebe wohl.“ „Das war hart“, flüsterte Selena Thea zu, sodass niemand sie hören konnte. Mila trat vor und öffnete ein Portal. Killian nickte und lief auf das Portal zu. Dann blieb er stehen, drehte sich um, sagte: „Scheiß drauf“, lief auf Tiara zu, nahm ihr Gesicht in seine Hände, beugte sich runter und küsste sie. Vor allen anderen! Selbst vor ihren Eltern. Thea und Selena fingen an zu grinsen. Tiara stand wie erstarrt da. Er löste sich von ihr, und sah ihr in die Augen. „Ich werde dich vermissen, Mylady.“ Dann trat er durch das Portal. „Bin gleich wieder da“, sagte Mila und folgte Killian. Das Portal schloss sich. Selena setzte sich in Bewegung. „Onkel Jack, bevor ihr aufbrecht, muss ich mit Tiara sprechen.“ Selena packte ihre Freundin am Handgelenk und zog sie hinter sich mit. Thea folgte ihnen. Als sie um die Ecke verschwunden waren fuhr Selena zu Tiara herum. „OH MEIN GOTT!“, rief sie. Tiara war immer noch wie gelähmt. „Das war echt Filmreich“, sagte Thea kopfschüttelnd. „Definitiv!“ Selena sah Tiara an. „Hallo? Tiara? Lebst du noch?“ Selena wedelte mit der Hand vor Tiaras Gesicht. Tiara nickte langsam. „Er hat mich geküsst“, murmelte sie. Als würde sie es erst jetzt realisieren. „Und wie er das getan hat“, sagte Selena lachend. „Ich werde ihn umbringen!“, rief Tiara und sah ihre Freundinnen an. „Okay, jetzt steh ich auf dem Schlauch. Warum denn?“, fragte Selena. „Warum jetzt? Warum tut er das, wenn er sowieso gehen wird?“ „Süße, du hast dich in Killian verliebt“, stellte Selena fest. „Deswegen war er immer so distanziert. Es lag nicht daran, dass du eine Prinzessin bist, sondern daran, dass er sich in dich verlieben könnte. Was schließlich auch passiert ist“, stellte Selena fest. „Das ist nicht fair. Überhaupt nicht fair!“ Selena umarmte ihre Freundin. „Wie wäre es, wenn du noch eine Weile bei mir bleibst. Meine Eltern haben sicher nichts dagegen.“ „Deine Eltern werden es auch verstehen“, fügte Thea hinzu. „Okay.“ „Gut. Und jetzt hör bitte auf zu weinen.“ Tiara nickte und als sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte, gingen sie zurück. „Ich schätze, du willst eine Weile bei Sel bleiben?“, fragte Flanna, als sie ihre Tochter sah. „Darf ich?“ „Natürlich. Komm her.“ Flanna umarmte ihre Tochter, drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und ließ sie dann los. „Keine Sorge, ich werde deinen Vater zu Schnecke machen“, flüsterte sie noch und stieg dann auf ihr Pferd. In dem Moment öffnete sich ein Portal und Mila trat durch. Sie verabschiedeten sich und auch Thea setzte sich auf ihr Pferd. Sie winkte noch zum Abschied, dann verschwanden sie im Morgengrauen. Später brachen auch Mika und Sirius auf. Ihre Eltern hatten sich zurückgezogen und Alic trainierte, als es an Selenas Zimmertür klopfte. Tiara sah auf. „Lass niemanden rein“, schluchzte sie. „Niemals würde ich das machen.“ Selena ging zur Tür und schlüpfte in den Gang. Damian stand vor ihr. „Wie geht es ihr?“, fragte er. „Herzschmerz. Weiß nicht, ob du es kennst.“ „Wenn du wissen willst, ob ich je verliebt war, dann nein. Aber was Herzschmerz ist, weiß ich.“ Selena runzelte die Stirn. „Wie geht denn das?“ „Wegen dir. Als du mir gesagt hast, dass du mir nicht mehr vertraust, da hat sich mein Herz zusammengezogen.“ „Ich schätze, das von Tiara ist schlimmer. Immerhin vertraue ich dir und bin in deiner Nähe.“ „Das bist du und darüber bin ich froh, obwohl ich mir immer noch nicht sicher bin, was ich hier tue.“ Selena legte die Arme um ihn. „Du bist meinetwegen hier.“ „Ich glaube du hast recht.“ Er neigte den Kopf und küsste sie auf die Stirn. Selena lächelte, kurz darauf verschwand ihr Lächeln und sie drückte ihn von sich. „Was mache ich hier? Ich muss zu Tiara. Du lenkst mich ab!“ Damian grinste, küsste sie und schlenderte dann davon. Selena verdrehte die Augen und ging dann wieder in ihr Zimmer. „War es Damian?“, fragte Tiara. Selena nickte. „Ich schätze ich bin wie meine Mutter“, sagte Tiara schließlich. „Wie meinst du das?“ „Sie hat sich doch auch in jemanden verliebt, der von der Erde kommt. Nur das mein Dad bei ihr geblieben ist.“ Selena setzte sich neben Tiara. „Wenn ihr wirklich füreinander bestimmt seid, wird er wieder kommen. Denn wahre Liebe siegt immer.“ „Ich hoffe du hast recht. Denn bei Sirius hat es nicht funktioniert.“ „Bei ihm war es anders. Siara ist gestorben, aber Killian ist noch quicklebendig.“ Tiara nickte.