8. Kapitel
Trojanas und seine Armee waren jetzt bereits einige Tage unterwegs. Immer wieder schickte der junge Solianer Späher aus, die die Gegend erkunden sollten. Sie befanden sich nun in einer immer fruchtbarer werdenden, Welt. Die kahlen goldroten Felsen, wurden mehr und von vereinzelten Büschen und Steppengras und schliesslich von immer dichter und grüner werdender Vegetation, abgelöst. In der Ferne hörte man das Rauschen eines Flusses. Dorthin wandten sie sich, denn sie wollte ihr Lager aufschlagen. Sie durchquerten seltsame, exotisch anmutende Wälder, beherrscht von mächtigen Bäumen, die grosse, drei-lappige Blätter trugen und in deren Stämme, sich das Licht des silbernen Mondes zu wiederspiegeln schien. Es war unbekanntes Gelände für das an trockene Wüsten gewohnte Volk, doch da sie ja geflügelt waren, konnten sie alles ziemlich gut überblicken.
Trojanas und die andren Löwenreiter flogen über dem dichten Geäst der Wälder, wie rotschillernde Rubine. In den goldroten Rüstungen der Männer und den golden gepanzerten Flanken der Reittiere, spiegelte sich der Schein der Sonne. Doch die Sonne hier war anders, nicht so grell, wie sie es sich sonst gewohnt waren. Es war eine Sonne, die in lilagoldenem Licht erstrahlte.
Irgendwie berührte das Trojanas unangenehm, er hatte das unbestimmte Gefühl, als ob sein Gott hier an Macht verloren hätte. War das ein gutes Omen für seine Armee? Wieder musste er an die Worte der seltsamen Seherin denken. Die Göttin sollte den Gott unterwerfen? Hatte sie das damit gemeint? „Mach dich jetzt nur nicht verrückt!“ schalt er sich selbst. „das hier ist einfach eine andere Gegend und dementsprechend verändern vielleicht auch die Symbole der Götter ihre Gesichter. Irgendeine Erklärung gibt es bestimmt für dieses Zwielicht hier.“ Das Dumme war nur, die Solianer waren sich an helles Licht gewöhnt, ihre Sehkraft liess in dieser Welt merklich nach, das stellte er auch bei sich selbst fest. Dennoch beruhigte er sich damit, dass er sich die Berichte der Späher nochmals ins Bewusstsein rief. Diese hatten ihm mitgeteilt, dass die Lunarier in keinster Weise auf einen Kampf vorbereitet waren. Sie hatten bisher kaum Feinde gehabt und das würde sie in einer trügerischen Sicherheit wiegen, welche den Solianer zugute kommen würde, wenn sie ihren Überraschungsangriff in die Tat umsetzten.
Nachdem sie an einem Fluss gerastet hatten, der weiter hinten als Wasserfall in die Tiefe stürzte, legten sie das letzte Stück Weges zurück.
Es dauerte nicht lange und sie erblickten in der Ferne auf einem Gipfel ein gewaltiges Bauwerk. Es wirkte etwas wie ein Dom, vermutlich aus Kristall gebaut, denn seine Mauern schillerten in allen Farben. Das Dach war gedeckt mit grünen, blauen und goldenen Ziegeln. Unterhalb des Baus, fielen steile Felswände senkrecht ab, Plattformen waren in sie hineingearbeitet, auf denen sich nestartige Bauten aus Geflecht befanden. Vermutlich reichten die Wohnräume der Lunarier bis tief in den Fels hinein.
Die Solianer befanden sich ganz am äussersten Rand der vielen Schluchten, Flüsse und Wasserfälle. Einige Felsen, und die noch immer recht grosse Entfernung von der lunarischen Stadt, bewahrten sie davor, entdeckt zu werden. Trojanas war schon beeindruckt von dieser Welt die so reich an Wasser und Vegetation war. Es musste ein schönes Leben hier sein. „Aber ein Leben das einem auch verweichlicht“, dachte er mit einer gewissen Genugtuung bei sich. „Das wird uns einen bedeutenden Vorteil verschaffen. „Ladet alles ab, wir rasten hier!“ befahl er seinen Leuten. „In der Morgendämmerung schlagen wir zu! Und denkt daran, es ist unser Ziel möglichst wenig Blut zu vergiessen! Tötet also nur, wenn es unbedingt sein muss und schnappt euch einfach so viele Frauen wie möglich! Ihr könnt euch jetzt alle noch etwas ausruhen. In der zweiten Hälfte der Nacht, werden wir uns um die Stadt herum formieren und ich werde euch weitere Anweisungen geben.“ Und so geschah es.
Nach dem Gespräch mit Artemia schöpfte Aellia wieder neue Hoffnung. Je mehr Zeit jedoch verstrich, je weniger konnte die Harpya ihre aufkeimende Ungeduld zügeln. Sie wollte unbedingt baldmöglichst zu ihrem Volk zurück, um es zu informieren! Doch mit den Drakoniern konnte sie erst reden, wenn diese sich hier wieder blicken liessen. Und das war nun mal erst beim nächsten Vollmond. So versuchte sie ihre Ungeduld mit etwas Ablenkung zu verdrängen. Sie verbrachte wunderschöne Stunden mit Nannios. Er zeigte ihr seine ganze Welt, auch die Felder, wo die Lunarier verschiedenste essbare Pflanzen ansäten. Wasser gab es hier zu genüge, Nannios Volk hatte ein System gebaut, durch welches das Wasser direkt von den Flüssen nach oben in die Stadt gepumpt werden konnte. Es war ein wundervolles Reich! Dutzende von kleineren und grösseren Flüssen, flossen durch tiefe Schluchten, die verschiedenste Terrassen bildeten, wo glitzernde Wasserfälle zu Tale stürzten. Es gab einige Inselchen und Grate, wo weiches grünes Gras wuchs und kleine Büsche mit herzförmigen Blättern, kauerten an den Steilhängen, welche vom Gischt der Wasserfälle und des wilden Flusses benetzt wurden. Jenseits der Wasserfälle, gab es dichte Wälder mit reichhaltiger Bodenvegetation, deren grosse, runde, herzförmige, oder farnartige Blätter, einen dichten Teppich bildeten. Die grössten Bäume waren die sogenannten Narami Bäume mit mächtigen Kronen und silbrigweissen Stämmen. Aus diesen Stämmen bauten die Lunarier ihre Möbel und auch einige Waffen.
Am Tag war alles jeweils in sanftes, amethystfarbenes Licht getaucht. Anfangs trug Aellia noch eine Art Schutzbrille. Diese bestand aus einem Tuch, dass sie sich um den Kopf band und dass nur mit zwei kleinen Augenschlitzen ausgerüstet war, die sehr wenig Licht durch liessen. Doch schon bald hatte sie sich an das Licht hier gewöhnt und brauchte die Brille nicht mehr. Sie begann immer mehr die wärmenden Strahlen der Sonne hier zu schätzen und ihre Erinnerung an ihre, doch recht dunklen Heimatwelt, verblasste sogar ein Bisschen.