Trojanas hatte eine Menge zu tun. Immerhin war er nun der neue König der Solianer und es standen viele wichtige Aufgaben an. Unter anderem, musste man auch über das Schicksal seines Bruders Taumanas nachdenken. Sollte man ihn hinrichten, oder in am Leben lassen? Er beschloss, sich noch mit Aellia, den Obersten der Lunarier und auch der Solianer, darüber zu beraten. Auch über andere Belange, musste noch gesprochen werden. Nannios war noch nicht ganz auf den Beinen, er brauchte noch viel Ruhe. Er und auch einige andere noch schwerer Verletzte, waren zurzeit in der Sonnenstadt untergebracht. Da es hier etwas komfortabler war, als z.B. in den behelfsmässigen Lagern der Lunarier. Auch Aellia wurde hier behandelt. Er dauerte etwas bis man geeignete Schwungfedern gefunden hatte, welche ihre Flugfähigkeit wieder vollkommen herstellen konnten. Es war eine langwierige Prozedur, doch man schaffte es, die junge Harpya zu heilen. Nun war sie einfach noch etwas am Üben mit ihren neuen Federn, welche übrigens von Solianas stammten, der nun ja tot war. Es war für Aellia sowas wie eine Trophäe, die sie da nun mit sich herumtrug. Dies war ein erhebendes Gefühl.
Die Lunarier und Harpyas wurden noch immer wie bunte Hunde bestaunt, wenn sie durch die Stadt wanderten. Doch langsam, begann sich auch das zu legen. Trojanas machte klar, dass es in seinem Sinne war, mit allen geflügelten Völkern eine Allianz zu schmieden und man einander nie mehr bekriegen sollte. Natürlich musste er auch seinen Plan, die Harpyas hierher zu holen, damit sie sich mit ihnen paaren konnten, an die Öffentlichkeit bringen und damit auch das Dilemma, in welchem die Solianer, wegen der geringen Anzahl Frauen, steckten. Die Lunarierinnen, wurden wieder nach Hause ins Reich des Silbermondes gebracht. Die Hohepriesterin Artemia, die meisten Mondkriegerinnen und auch einige Männer, begleiteten sie. Jene deren Hilfe, oder Mitsprache noch wichtig war, blieben hier, darunter auch König Varthemos. Denn nun ging es darum die Zukunft zu planen, in welche alle Geflügelten bald eingebunden sein würden.
„Ich weiss nicht, ob es klug ist, Taumanas am Leben zu lassen Trojanas“, meinte Aellia, als sie wieder eine der wichtigen Zusammenkünfte, im Thronsaal der Sonnenstadt, abhielten. „Er könnte immer noch zu einer Gefahr werden. Für uns alle, wenn du ihn tatsächlich nur verbannen willst, wie du sagtest.“ „Aber er ist und bleibt mein Bruder und er hat einfach meinen Posten übernommen, als ich Vater verriet.“ „Ich weiss, dass du dich deswegen noch immer etwas schuldig fühlst, aber das musst du nicht, du hast das Richtige getan und das weisst du. Das dein Vater nicht mit sich reden liess, war nicht deine Schuld. Er war einfach zu sehr vom Hass und seinem Irrsinn getrieben. Auch Taumanas hat diesen Irrsinn in sich. Er ist gefährlich!“ Sie nahm einen ihrer Dolche in die Hand und strich über seine Klinge, als wolle sie die Gefährlichkeit von Taumanas damit unterstreichen „Aber eigentlich hat er sich doch nichts wirklich zu Schulden kommen lassen!“ sprach der Königssohn. „Er hat sich einfach der Situation angepasst. Er war kein Verräter oder Mörder, oder dergleichen. Natürlich hat er sich in moralischer Hinsicht einige Dinge zuschulden kommen lassen, aber das reicht nicht aus, um ihn zu töten.“ Aellia überlegte. Ja, eigentlich hatte Trojanas recht, Taumanas hatte sich nicht in dem Sinne schuldig gemacht, dass es eine Hinrichtung gerechtfertigt hätte. Aber dennoch…Warnglocken bimmelten unentwegt in ihrem Kopf, wenn sie an den älteren Königssohn dachte und daran, dass er wieder auf freiem Fuss sein würde. „Können wir ihn denn nicht einfach, bis zum Rest seines Lebens, hinter Gittern lassen?“ fragte sie hoffnungsvoll. Trojanas wirkte entsetzt. „Das käme einem Todesurteil gleich, das weisst du selbst. Nur wäre es noch viel langsamer und qualvoller. Man kann keinen Geflügelten ein ganzes Leben lang einsperren.“ Aellia nickte etwas zerknirscht. Sie wusste, dass er auch hier recht hatte. Man konnte die geflügelten Völker keinesfalls so lange einsperren. Denn irgendwann drehten sie völlig durch. Wie Vögel, die irgendwo in einem Raum eingeschlossen waren. Sie gerieten mit der Zeit so in Panik, dass sie sich die Köpfe selbst in der Wand einschlugen. Eine Weile hielt es ein Geflügelter zwar in Gefangenschaft aus, aber so viele Jahre. Nein, das ging nicht! Er hätte sich früher oder später, selbst umgebracht. Aellia schwebte nachdenklich zum grossen Fenster und blickte auf die goldroten Zinnen der Sonnenstadt hinab. Sie wusste das aus Erfahrung. Einmal hatte man in ihrer Heimat einen Mann zu lange eingesperrt. Eines Tages, war er mit zertrümmertem Schädel, in der Zelle aufgefunden worden. Es gab solche, die es länger aushielten, andere hielten es kaum aus, denn die Geflügelten mussten fliegen, sie mussten durch die Welt reisen können. Die Freiheit war ihr grösstes Gut und unabdingbar für einen gesunden Verstand.
Varthemos, gekleidet in ein weisses Gewand, mit goldenem Gürtel, mischte sich nun ins Gespräch. Sein sonst meist zu einem Pferdeschwanz gebundenes, glänzendes Haar fiel ihm diesmal offen über die Schultern. Er war wirklich immer noch ein sehr attraktiver Mann, auch wenn er schon etwas älter war. Er sprach: „Auch mir gefällt der Gedanke, Taumanas wieder freizulassen nicht sonderlich. Aber…es ist auch richtig, dass wir eigentlich keinen Grund haben, ihn wirklich hinzurichten. Darum…glaube ich, muss Trojanas selbst entscheiden was das Beste ist. Es ist sein Fleisch und Blut, über das wir hier sprechen, auch wenn die Bande zwischen den beiden Brüdern nicht so eng sind, sie bleiben doch Brüder.“ Trojanas nickte: „Ja, das stimmt und darum kann ich ihn nicht einfach töten. Ich werde die Drakal (die goldenen Drachen) bitten, ihn von hier wegzubringen, an einen Ort, wo er niemandem mehr schaden kann.“ Aellia schüttelte etwas den Kopf, doch sie sagte nichts mehr dazu. Es war wirklich Trojanas Entscheidung. Sie hätte vermutlich bei ihrer Schwester ähnlich gehandelt. „Nun gut…, wenn du meinst“, sprach sie. Varthemos sagte: „Wir sollten ihn aber zumindest mit einem Art Bannfluch belegen! Sollte ihn irgendjemand unserer Völker, je wieder zu Gesicht bekommen, wird er hingerichtet.“ Trojanas nickte „Ja, damit bin ich einverstanden, mit den meisten Verbannten wird so ähnlich verfahren.“ „Dann ist das also beschlossen“, sprach Aellia, noch immer sehr nachdenklich. Dann wurde ihre Stimme jedoch wieder fester. „Es gibt aber noch mehr zu besprechen. Wie gehen wir weiter vor, in Bezug auf die Harpyas und Solianer?“ Varthemos der Lunarierkönig meinte: „Wir dachten, dass wir bei uns ein grosses Fest veranstalten, wenn die Harpyas nach Equilibria kommen. Wir befinden uns in etwa zwischen dem Sonnenreich und dem Reich des dunklen Mondes und sind sehr geschickt im Ausrichten von Festen. Es soll ein Fest der Einheit aller geflügelten Völker werden und zugleich ein Fruchtbarkeitsfest. So kann jeder sich mit jedem paaren, den er will. Sollten die Frauen unsers Volkes sich mit den Solianern paare wollen, dann können sie das. Vielleicht kommen ja auch einige harpische Männer nach Equilibria. Es ist vielleicht gar nicht so schlecht, wenn sich das Blut mal etwas vermischt. Natürlich wird es einige neue Gesetze geben müssen, so dass die Völker immer wieder einmal zusammenkommen, damit die Kinder beide Elternteile gut kennenlernen.“ Trojanas lächelte: „Das klingt gut. Dann wird es wohl bald Zeit, dass wir die Harpyas aufsuchen, “ wandte er sich dann an Aellia. „Ja, “ erwiderte sie „das dachte ich auch gerade. Bald wird ja das Wasserschiff der Drakonier ins Reich des dunklen Mondes reisen. Wir brauchen ja jetzt noch mehr Schiffe, um die Harpyas, die dann mitkommen wollen, zu transportieren. Ich dachte, ich schicke Irisa und die anderen meiner Leute mit dem Wasserschiff voraus und folge ihnen dann, mit den anderen Schiffen.“ „Ja, das scheint mir eine gute Idee“, meinte Varthemos. „Irisa kann dann gleich die Harpyas über die Ankunft der Drachenschiffe informieren und sie etwas vorbereiten.“ „Ja, das ist eine gute Idee, “ sprach auch Trojanas „schade eigentlich, dass wir nicht mitreisen können, es wäre ziemlich eindrucksvoll. Ein Zeichen unserer neu geschmiedeten Allianz.“ Das ist leider nicht möglich,“ meinte die Harpya etwas traurig. Doch dann sprach sie wieder etwas enthusiastischer „Aber ich glaube daran, dass alles gut wird!“