Wenn ich tot bin, wird man schon so viel über mich geredet haben, dass schließlich niemand mehr weiß, wer ich wirklich war. Sie werden mir sagen, das sei nicht so wichtig. Gewiss, aber der Gedanke daran tut mir weh. Ich fürchte mich vor der großen Einsamkeit, die einem im Morgengrauen das Herz zusammenschnürt, oder am Abend, wenn man sich fragt, wofür es noch zu leben lohnt, oder warum man lebt."
Edith Piaf, eine großartige Sängerin, die auch "der Spatz von Paris" genannt wurde, war Gefährtin und Kollegin von Maurice Chevalier, Yves Montand, Charles Aznavour, Eddie Constantin, Jacques Pills und Theo Saropo. Sie war eine Frau, die das Leben und die unbekannten Männer und Frauen ihres Publikums verschwenderisch und glühend liebte. Sie sah sich selbst als eine "nicht besonders schöne" Frau, die immer fieberhaft nach der großen Liebe gesucht hat. Sie durchlebte Zeiten der Armut, des Ruhmes und des Reichtums. Selbst als sie, bereits mit 47 Jahren, todkrank war, trat sie, von einem unbändigen Lebenswillen besessen, noch vor Publikum auf. "Nein, ich bereue nichts“, wiederholte sie in ihrem wohl bekanntesten Chanson unermüdlich.
"Es ist wahr, dass ich ein schreckliches Leben geführt habe, aber es war zugleich herrlich, weil ich es geliebt habe. Jedes Mal, wenn ich glaubte, den Mann meines Lebens gefunden zu haben, wurde alles zu Nichte, und ich war wieder allein. Ich habe immer fieberhaft nach der großen wahren Liebe gesucht, und vielleicht hatte ich deshalb so viele Männer, weil ich mich nie mit der Lüge und Mittelmäßigkeit der meisten Abenteuer abfinden wollte."
Edith Piaf wuchs ohne Mutter auf, die sie verlassen hatte, als sie zwei Monate alt war. Ihre Kindheit verbrachte sie in Lisieux in einem "Haus für arme Mädchen", das ihre Großmutter unterhielt. Irgendwann holte ihr "Vagabundenvater", wie sie ihn selbst nannte, seine Tochter zu sich. Schon damals begann sie, gegen Geld auf der Straße zu singen. Die Schilderungen des Milieus, in dem sie gelebt hat, sind nur schemenhaft, so als ob sie sich für ihre Vergangenheit schäme. Zu dieser Zeit fand sie ihre Mutter in einem schäbigen Zimmer am Pigalle wieder. Dort lag sie auf einem Bett und röchelte: “Meine Dosis, ich will meine Dosis." Wenig später starb sie an einer Überdosis Morphium.
Mit sechzehn Jahren wurde Edith Mutter. Ihre Tochter starb bald an einer Hirnhautentzündung. Das letzte Stück der schiefen Bahn stürzte Edith rasch hinunter. Die Trauer um ihre Tochter hatte ihr allen Lebensmut genommen. Auch sie landete am Pigalle, mitten unter Zuhältern und Dirnen. Sie lernte einen Zuhälter kennen, der sie nach langen Machtkämpfen dazu brachte, nicht für ihn als Prostituierte zu arbeiten, sondern für ihn zu singen. Sie gab ihm jeden Tag 33 Francs ihrer Einnahmen. Außerdem bekam sie den Auftrag, gut gekleidete, und mit Ketten und Ringen beladene Frauen ausfindig zu machen. Der Zuhälter nutzte Ediths Informationen, um die Frauen auszurauben.
Der Mann, der ihr Talent entdeckte, war Luis Leplee, der Besitzer eines berühmten Cabarets. Edith fiel ihm auf, als sie auf der Straße sang. Er engagierte sie für sein Cabaret, in dem sich ganz Paris traf. Maurice Chevalier befand sich auch im Publikum, sprang auf und rief: "Bravo, die Göre hat nen tollen Stimmumfang, der kommts aus den Eingeweiden!" Edith durfte singen, bis ihr der Atem ausging. Doch wieder schien das Schicksal gegen sie zu sein. Louis Lepleee wurde tot aufgefunden. Er war in einem türkischen Bad unter rätselhaften Umständen ermordet worden. Edith geriet unter Mordverdacht. Und wieder half ihr ein Mann aus der Patsche. Der Textdichter Raymond Asso kümmerte sich um sie und half ihr, wie sie selbst sagte "mich vom Pigalle zu entgiften." Sie arbeitete drei Jahre, um eine Frau und ein Star zu werden, drei Jahre, um ihre Persönlichkeit so zu entwickeln, dass sie zufrieden war mit ihrem Auftritt vor Publikum.
Sie war Alkohol und rauschgiftsüchtig, hat ihr Geld sinnlos verprasst. Das Verlangen nach der Droge machte sie wahnsinnig, doch sie schaffte es nach langer Zeit, auch davon loszukommen. "Doch der Himmel wird es eines Tages Leid sein, mich vor der letzten Katastrophe zu bewahren."
Es ist anzunehmen, dass sie eine depressive Persönlichkeit war, die wie so viele Menschen, die vom Publikum angebetet wurden, nie die eigene Befriedigung im Privatleben fand.
Als sie in Stockholm krank wurde, bekam sie panische Angst davor, fern von Paris zu sterben. Deshalb mietete sie sich eine DC4 Maschine (Riesenflugzeug für 45 Personen) ganz für sich allein. Das kostete die kleine Summe von zweieinhalb Millionen Francs. Sie kaufte sich Kleider bei Dior oder Balmain, zog sie aber nie an, da sie außerhalb des Modehauses ihre magische Wirkung verloren. In der Öffentlichkeit trat sie nur in schlichten schwarzen Kleidern auf. Für fünfzehn Millionen Francs erstand sie einen Bauernhof. Innerhalb von vier Jahren erntete man dort zwei Kilo grüne Bohnen, ein Pfund Erdbeeren und einige Tomaten. Die Viehzucht bestand aus zwei Hühnern, einem Kaninchen und sämtlichen Katzen der Umgebung.
Als Edith Piaf wieder krank wurde, verkaufte sie das Haus zu einem Spottpreis, um Krankenhaus uns Ärzte zu bezahlen. Sie sagte von sich selbst: "Ich konnte niemals mit Geld umgehen. Entweder habe ich es mit vollen Händen für sinnlose Dinge ausgegeben, oder verschenkt.
Eines Abends ging sie vor einem Auftritt in eine Bar, um Kaffee zu trinken. Dabei fiel ihr eine Frau auf, die ein Paket unter dem Arm trug und es sehr eilig zu haben schien. Ihr gehetzter, verzweifelter Blick streifte den "Spatz von Paris" und veranlasste ihn dazu, die Frau weiter zu beobachten. Sie sah, wie die Frau das Paket in eine Toreinfahrt legte und dann eilig wegging. In dem Paket war ein kleiner, mit Lumpen bedeckter Obstkorb, in dem ein Säugling lag. So schnell ihre kleinen Füße sie trugen, rannte sie der Frau nach, und befahl ihr, das Kind wieder an sich zu nehmen. Dann gab sie ihr einen Scheck über eine Million Francs mit den Worten: "Seien Sie niemals wieder so verzweifelt. Sollte Ihnen eines Tages etwas fehlen, so läuten sie bei mir. Ich werde öffnen und mein Haus wird Ihres sein." Einige Jahre später bedankte sich die Frau bei ihr. Sie hatte geheiratet. Dem Kind ging es gut.
"Man hält mich für stark und zynisch, für ein Wesen, das mit den Menschen spielt und sie dann wegwirft, während ich doch im Innersten so etwas wie ein armes, allzu leichtgläubiges Mädchen geblieben bin, das unermüdlich immer demselben Traum nachhängt: "Glücklichsein und geliebt werden."
Als sie noch einmal heiratete, war ihr stürmisches Leben schon fast zu Ende, sie war von einer tödlichen Krankheit gezeichnet. Theo Saropo, der Mann, der um ihre Hand anhielt, war siebenundzwanzig Jahre alt, Edith siebenundvierzig. Böse Zungen behaupteten, sie tue das nur, weil der Verkauf ihrer Platten nachließ. "Ich befand mich an der gleichen Stelle wie an dem Tag, an dem ich mit meinem Vater auf die Straße ging, um zu singen. Doch ich hatte weniger Illusionen, weniger Kraft und weniger Hoffnung." Lange dachte sie darüber nach, ob sie diesen jungen Mann, der ihr Sohn sein könnte, heiraten wollte. Doch irgendwann stimmte sie zu. Als das Paar die orthodoxe Kirche verließ, in der es geheiratet hatte, stand eine dichte Menschenmenge auf dem Vorplatz. "Es lebe Edith, es lebe Theo, „ riefen sie. „ In diesem Augenblick war meine Angst vor der Zukunft verschwunden, was immer auch geschehen mochte, ich war glücklich und bereit."
Der "Spatz von Paris" war zu Hause angekommen. Leise, und mit zusammengekniffenen Lippen sang die kleine Frau: „Komme was will, lass allem den Lauf, komme was will, ich pfeife darauf."