Moni bleibt wieder einmal bei ihrem Schaufenster stehen und schaut sehnsüchtig in die Auslage, ihre Augen strahlen dabei wie tausend Sterne, oder sogar Millionen. Ja die Perlenkette liegt noch immer am Hals des Glaskopfes und schon wieder sieht sie sich in Gedanken, wie bei einem Spiegelbild, selber mit der schönen Perlenkette um den Hals. Moni seufzt und sie dreht sich langsam um, um weiterzgehen. Es wird wohl immer nur ein schöner Traum bleiben, nur ein Traum eben. Nachdenklich geht sie weiter.
Der Goldschmid steht hinter dem Ladentisch und schaut auf die Uhr, immer zur gleichen Zeit, jeden Tag bleibt dieses schöne Mädchen vor dem Schaufenster stehen, schaut zuerst ganz verzückt, doch bevor sie sich wegdreht und weitergeht, kann er immer noch den traurigen Blick des Mädchens erkennen. Zu gerne würde er wissen, was diesem Mädchen so gut gefällt und er geht vor den Laden um auch in die Auslage blicken zu können. Er überlegt, können es die Ohrringe sein, oder der Ring mit dem großen blauen Stein, oder eines der kleinen Anhänger für eine Halskette, den Glaskopf mit der Perlenkette um den Hals beachtet er gar nicht. Für seinen Geschmack ist dieses Schmuckstück nur für eine alte Frau, mit einem dicken Hals, nicht für ein so schönes junges Mädchen, mit langen dunklen Haaren. Der Goldschmid schüttelt den Kopf und geht wieder in den Laden zurück, merkwürdig, denkt er noch. Doch als ein Kunde den Laden betritt, vergisst er den Vorfall schnell….. doch nur solange, bis am nächsten Morgen das schöne Mädchen wieder, zur gleichen Zeit, vor dem Schaufenster stehenbleibt. Zu gerne würde er sie ansprechen und fragen, welches Schmuckstück ihr gefällt und in diesem Augenblick kann er wieder den traurigen Ausdruck in ihren Augen erkennen, ehe sie weitergeht. Noch lange steht er still, bevor er wieder zur Tagesordnung übergeht, doch konzentrieren kann er sich den ganzen Tag nicht richtig. Immer wieder kommen ihm die traurigen Augen des Mädchens in den Sinn.
Es vergehen Wochen und jeden Tag kann er dasselbe beobachten, und wenn er es auch nicht gerne zugibt, er wartet jeden Tag schon sehnsüchtig auf diesen Augenblick, für ihn ist es der Beginn eines wunderschönen Arbeitstags und für heute hat er sich vorgenommen, den Glaskopf aus dem Schaufenster herauszunehmen um stattdessen noch einige Ohrringe hinzulegen.
Mit viel Liebe dekoriert er das Schaufenster neu und er legt Strohsterne dazwischen, da das Weihnachtsfest vor der Türe steht. Er geht vor den Laden um das Schaufenster zu begutachten und er nickt zufrieden.
Moni geht wie jeden Morgen zur Arbeit, zuerst in die Bäckerei, um ein Butterkipferl für die Jause zu besorgen, dann zum Schaufenster des Schmuckladens und …… Moni erstarrt. Der Glaskopf mit der wunderschönen Perlenkette ist verschwunden. Panik macht sich in ihrem Gesicht breit, sie reißt die Augen weit auf, sie presst sie zusammen, doch es hilft alles nichts, die Perlenkette ist verschwunden. Sie steigt von einem Fuß auf den Anderen, um einen Blick in alle Winkel des Schaufensters zu erlangen, doch sie ist weg. Tottraurig geht sie weiter, Moni hat ihre tägliche Dosis Tagtraum verloren, denn träumen konnte man ja, von so einem schönen Stück.
Der Goldschmid schaut auf seine Armbanduhr, gleich müsste das schöne Mädchen am Schaufenster vorbei gehen und tatsächlich, er sieht sie schon kommen. Sein Herz scheint fliegen zu wollen, doch gerade als es abheben will, blicken seine Augen in die des Mädchens. Was ist mit ihr los, sie reißt die Augen weit auf, kneift sie wieder zu und scheint zu Tode erschrocken. Er ist verwirrt, er ist sogar bewegungslos und er ist unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Den ganzen Tag lässt ihn der entsetzte Gesichtsausdruck des Mädchens nicht los und er grübelt, was denn hier geschehen sein könnte.
Nach drei qualvollen Tagen, fasst er den Entschluss sie anzusprechen. Er schlüpft in seine Jacke, setzt seine Mütze auf und stellt sich vor das Schaufenster, so als sei er ein Kunde und er musste nicht lange warten, da taucht das Mädchen auf. Wieder bleibt sie stehen, doch ihre Augen haben den Glanz verloren, das fällt ihm auf. Er dreht sich zu dem Mädchen um und meint: „die Ohrringe sind alle wunderschön“ und das Mädchen dreht sich tatsächlich zu ihm um, schüttelt den Kopf und sagt ganz leise: „sie ist weg“ und eine Träne rollt über ihre Wange, „ich habe sie mir immer angesehen, sie war so schön“. Der Goldschmid konnte zuerst nicht ahnen wovon das Mädchen spricht, doch als sie meint, dass hoffentlich die Kette eine nette Person gekauft hat und diese genau soviel Freude jetzt verspürt, wie sie an diesem Stück jeden Tag verspürt hatte, geht ihm ein Licht auf. „Sie meinen doch nicht etwa die Perlenkette, die noch vor ein paar Tagen hier im Schaufenster gelegen hat“? fragt der Goldschmid zögernd, doch das Mädchen nickt. „Ich habe sie geliebt“ flüstert Moni ganz leise noch, dreht sich um und geht weiter.
Der Goldschmid steht noch lange vor dem Laden, es will ihm nicht in den Kopf gehen, dass eine Perlenkette dafür verantwortlich ist, dass er sich verliebt hat. Den ganzen Tag grübelt er darüber nach, wie er das Leuchten in den Augen des Mädchens wieder zurückzaubern könnte und er entschließt sich, einen Blumenstrauß für morgen zu besorgen.
Am Abend schließt er etwas zeitiger das Schmuckgeschäft und geht einige Straßen weiter zu einem Blumenladen, er öffnet die Tür, geht hinein, schaut sich um und als sich die Verkäuferin umdreht und sich nach seinen Wünschen erkundigt, schaut er …… in die wunderschönen Augen des Mädchens. In seinem Kopf beginnen sich die Gedanken wie in einem Karussell zu drehen, er bringt keinen sinnvollen Satz heraus, er stottert sogar und er wird rot. „ich brauche Blumen, die allerschönsten“ sagt er schließlich, unter Aufbietung seiner ganzen Kraft, „vielleicht solche, die SIE auch gerne mögen“. Die Verkäuferin lacht nun und stellt ihm einen wunderschönen Strauß bunter Blumen zusammen und er verlässt zufrieden das Geschäft.
Am nächsten Morgen war er schon sehr nervös, er geht früher in den Laden, legt die Perlenkette ins Schaufenster, diesmal einfach auf den dunklen Samt, nimmt die Blumen aus der Vase und wartet.
Als Moni diesen Morgen auf den Schmuckladen zugeht, sieht sie schon von weitem den Mann stehen, der am Vortag so verlegen war und gestottert hat und muss lächeln. Das Leuchten in ihren Augen, als sie die Perlenkette erblickt, ist für den Goldschmid das schönste Geschenk dieses Morgens.
Moni und Hannes, so heißt der Goldschmid sind schon lange ein Ehepaar, haben zwei niedliche Kinder, doch die Perlenkette liegt noch immer im Schaufenster des Schmuckladens, immer noch am selben Platz, auf dem gleichen Stück Samt, wie damals und die Augen von Moni leuchten jeden Tag aufs Neue, wenn sie vor ihrem täglichen Besuch bei ihrem Mann im Schmuckladen - ins Schaufenster blickt.