Mittelstufe, wenn es so etwas überhaupt gibt.
In der fünften Klasse kam obligatorisch russisch auf den Lehrplan. Für mich war das eher eine Veranstaltung die flüssiger als flüssig war, überflüssig. Kyrillische Buchstaben waren ja perse nicht so schlimm wie vermutet, aber diese Buchstabenkombinationen waren nicht wirklich für meine Zunge entwickelt worden. Und es war für mich, der es nicht gewohnt war methodisch und kontinuierlich zu lernen, ein Horror! Wie man sich diese ganzen Wörter, Zeitformen und Konjugationen merken soll? Und dann die für mich die alles entscheidenden Frage : WARUM? Warum quält man Generationen von Menschen mit diesem Zeug. Klar der Russe hat den Krieg gewonnen. Aber ansonsten? Dorthin durfte man nicht wirklich reisen und für die spätere Arbeitswelt war diese Sprache auch sehr entbehrlich. Es ging wahrscheinlich einfach nur um Macht! Verdammte Egotrips alter dicker Männer.
In der siebenten Klasse kamen dann die Naturwissenschaften. Mit diesen auch Lehrer mit außerordentlichen pädagogischen und menschlichen Fähigkeiten. Namentlich wurde Chemie und Bio von Herrn Nickel (ch. Element ,Ni, Ordnungszahl 28) unterrichtet. Mathe und Physik verantwortete Herr Wunderlich, auch irgendwie passend. Sport hatten wir , nein nicht bei Herrn Stark oder Schnell, leider! Der Biolehrer war dann immer zu Ende des Schuljahres für einige Wochen krank. Der gemunkelte Grund war die ihm überlassenden achten Klassen. Aufklärungsunterricht! Er, damals sicher über fünfzig Chemielehrer mit Leib und Seele und eigentlich Bio nur widerwillig unterrichtend, sah sich wohl nicht in der Lage, kichernden schlecht geschminkten Mädchen und oft verpickelten und gelangweilten Jungs mit Oberlippenflaum zu zeigen, wie und warum man ein Kondom über eine Banane rollt. Oder es lag an der fehlenden Banane. Bei Herrn Wunderlich waren die vielen Experimente ziemlich spuky. Warum Dinge passierten wie sie augenscheinlich passierten, lag wahlweise an den Naturgesetzen, der perfekten Vorbereitung, den vereinfacht dargestellten Wirkungslinien. Aber wenn mal etwas nicht geklappt hat, an dem stümperhaften Assistenten, der oftmals ich selber war! Niemals war der Grund mangelnde Ausstattung der Schule, fehlende Geduld oder Kompetenz der Lehrkraft. Im Sportunterricht, der den Namen nun wirklich nicht verdient hatte, wurde uns nicht gezeigt, wie man schnell rennt, hoch oder weit springt und auch nicht wie man einen Ball weit wirft. Mit der siebenten Klasse brach auch die zweite Fremdsprache über mich herein. Familiär geprägt, war es unmöglich französisch nicht zu wählen. So war es eben so, dass aus mehren Schulen insgesamt vier Kinder am Unterricht teilnahmen. Der fand dann vorzugsweise weit am Nachmittag oder vor dem eigentlichen Unterricht, gefühlt , mitten in der Nacht statt. Von den aus neun Klassen insgesamt vier Schülern die sich „freiwillig“ verpflichteten, trugen zwei den gleichen Nachnamen. Und die anderen beiden, beendeten das fakultative Experiment auch nach dem ersten Jahr. In der achten Klasse fand dann der Unterricht manchmal aus Krankheitsgründen der Lehrerkinder, auf der Küchenbank der Französischlehrerin Frau Richter statt. So wurde aus der Küchenbank eine Richterbank und bestraft wurden wir jedes mal! Alles im allen, irgend wie stand dieser Versuch der frankophilen Annäherung unter keinem guten Stern. In der achten Klasse war dann die Jugendweihe dran. An der Sinnhaftigkeit dieser Veranstaltung darf lauthals gezweifelt werden. In „Vorbereitung „ auf diese Feier wurden Jugendstunden abgehalten, die weder einem großem Plan zu folgen schienen noch nachhaltig irgendwas in den Probanden auslösten. Die Vorbereitungen der Familie auf dieses Ereignis waren viel aufregender. Bei dem Doppelpack lohnte sich das, verdoppelte aber auch die Probleme. Wo konnte man mit dreißig Personen am Samstagmittag einkehren. Zumal alle Familien von 14jährigen diese Probleme hatten, war die Auswahl schnell eingeengt. Wie bekommt man die gesamte Mischpoke zu um halb zehn zur Feierstunde an den Rand der Bezirksstadt, was wird man tragen und was sollen die Kinderlein anziehen. Mehr oder weniger alle kamen nochmal mit der Haarschere in Berührung, was nicht immer positive Ergebnisse mit sich brachte. Die Mädchen trugen Kleider unterschiedlicher Güte und Stile. Die Jungs wurden in irgendwelche Sakkos gesteckt. Für mich eine Tortur. Eine Jacke die nicht wirklich zu schließen ist, also im Ernstfall weder wärmt noch trocken hält, steif und knittrig ist, an den Schultern passt, am Bauch viel zu weit ist und die Ärmel sind natürlich, wie bei meinen Jacken und Pullovern üblich, kurz unter den Ellenbogen zu Ende. Die VEB Jugendmode war nur mäßig hilfreich und so setzte man auf Eigenschneiderei, Westausstattungen und Improvisation. Wahrscheinlich habe ich von diesem Brimborium meine Abneigung gegen Karnevalskostüme. Einmal ausstaffiert und nie wieder benutzt. Jugendweihe, diese atheistische Ersatzhandlung zur Konformation ist offensichtlich für alle Kinder eingeführt und betrieben worden, um den finanziellen Grundstock für Moped oder Ähnliches von der ansonsten buckligen und möglichst fernen Verwandtschaft einzusammeln. Vormittag eine minutiös geplante Feierstunde mit Buchübergabe (Sinn des Lebens) mit der gesamten Klassenstufe der Schule im Saal des Kulturhauses der Eisenbahner, dann Mittagessen mit der gesamten Familie, welche aus allen Himmelsrichtungen angereist war. Spätestens zur Kaffeezeit zogen alle viel zu doll herausgeputzten Achtklässler allein um die Häuser. Meisten gab es an diesem Tag den natürlich viel zu frühen ersten Kontakt mit Bier, Wein oder Likör! Bei mir war das natürlich anders. Ich hob mir die Erfahrung für die vier Monate später stattfindende Hochzeit meiner Schwester auf. Naturgemäß kann ich mich daran aber Gott sei Dank nicht mehr erinnern.
Da mein Vater schon seit Jahren jeden Tag nach Berlin zur Arbeit fuhr, stand nun zu den Sommerferien der Wegzug aus der Bezirksstadt an der Oder an. Durch mediale Berichte über diese ach so wunderbaren Neubaugebiete in Berlin, gruselte es mir gewaltig vor diesem Schritt und das nichtreligiöse Pubertier betete zu irgendjemand um irgendwie an den Großsiedlungen vorbei zu kommen. Welch Wunder, ich wurde nicht erhört. Ab nach Marzahn. Immerhin bestanden die umgebenen Häuser und Straßen schon drei Jahre und ich musste nicht mit Gummistiefeln zur Schule gehen. Es hätte schlimmer kommen können. Die neue Schule war ok, die Mitschüler auch nur die Französischsituation blieb unglücklich. Schön, dass es noch Konstanten im Leben gibt.