Der Turnbeutel
Es mag überraschen, aber der von mir gemeinte Turnbeutel hat nur sehr bedingt mit dem Sportunterricht zu tun, obwohl dieser eigentlich zum Transport von einschlägigen Utensilien hergestellt und vertrieben wurde.
Auch wenn es für den einen oder anderen merkwürdig klingen muss, aber ich hab meine Eltern sehr gern, obwohl sie, sagen wir, manchmal eigenartig sind, zunehmend Marotten entwickeln und an den Tag legen, dass ich doch froh bin, schon sehr lange entwachsen zu sein.
Es geschah zu einer Zeit, als ich schon längst auf eigenen Beinen stand, eigene Wohnung, Beruf, Auto,… , eben ein eigenes Leben hatte. Besuche bei meinen Eltern gab es nur sporadisch, zu Geburtstagen oder zu Weihnachten. Und just an so einem Weihnachtsabend, geschah es dann. Alle haben sich verabredet nichts zu verschenken und stattdessen etwas zur Feier beizutragen. Das hat auch von allen Beteiligten prima geklappt. Alle waren hervorragend gesättigt und ich glaube es gab hingegen der sonstigen allgemeinen Normen des Hauses einen Verdauungslikör. Um das nun folgende auf den Likör zu schieben, hat es viel zu viel System gehabt. Meine Mutter eröffnete, dass wir alle in das Nebenzimmer gehen sollten und uns jeder mindestens eine Sache von den Dingen die dort auf einem Bett lagen aussuchen können, hat sie gesagt und gemeint hat sie, aus zu suchen haben.
Da lagen dann so verlockenden Dinge wie ein Wollpullover vom Polenmarkt, eine weiße Tischdecke von meiner Oma, ein Aktionsspiel vom Discounter, zwei Kerzen, ein ADAC Städtereiseführer für Deutschland (leider nicht mehr sehr aktuell), Hallorenkugeln, ein Kochbuch für, ich hab es leider vergessen. Und es lag ein kleines Stückchen Stoff im Retrolock da! Eine Wahnsinns Auswahl. Da niemand an Weihnachten streiten möchte und schon gar nicht ich, nahm ich das vermeintlich kleinste Übel, den Stofffetzen, ging zurück ins Wohnzimmer und nahm mir noch einen Likör. In meinen Händen faltete sich das Gebilde zu wahrer Größe auf und eine Kordel hing zwischen meinen Fingern. Jetzt kam ich langsam und sehr langsam dahinter, was für eine Rarität des Grauens ich da gezogen hatte. Ein Turnbeutel, wenn nicht sogar DEN TURNBEUTEL! Super Stückchen, hab leider keine Verwendung mehr dafür. Mit anderen Worten Zweckfrei, so wie die gesamte Auswahl. Nichteinmal meine Sportschuhe passen sicher da hinein.
Aber da Kinder ja irgendwie doch Kinder Ihrer Eltern sind, dachte ich mir, mach ich doch aus diesem Ding eine Tradition und verschenke es weiter. Mein Bruder, sah das ähnlich und steuerte als Grundstein des Wanderinhalts, die soeben vermachten Hallorenkugeln bei. Das war in sofern stimmig, da wir diese Teile oft zum gemeinsamen Geburtstag bekamen. Unangerührt lagen diese dann bis zum Anfang der Sommerferien in unseren Regalen. Dann haben wir angefangen Karten zu spielen und wer von uns verlor, musste dann eine Kugel essen, aber das ist vielleicht eine andere Geschichte. Zurück zum Beutel. Da die Zwillinge einen festen und in Teilen gleichen Freundeskreis hatten, bekam einer aus diesem Kreise den Beutel zum Geburtstag mit der Auflage geschenkt, diesen zu vervollständigen und bei nächster Gelegenheit weiter zu „Verschenken“. So kamen viele lustige Dinge in den Beutel. Jeder Schenker hatte das Recht seine persönlichen NOGOES in den Beutel zu legen. Als ich ihn, DEN TURNBEUTEL) viele Jahre später kurzzeitig mein Eigen nannte, befanden sich zwar keine Hallorenkugeln mehr darin, dafür unter anderem , Schwarze Herrenschokolade, ein NVA-Armeekappi, ein BH für eine Puppe, ein Sportalmanach der Olympischen Spiele und eine Flasche Beerenschaumwein.
Leider ist der Turnbeutel in irgendeinem Keller oder Abstellraum
beim fluchtartigen verlassen einer Behausung von irgendeinem Hellersdorfer , ich habe keine Namen genannt, vergessen worden und gilt von da an als verschollen. Die Erinnerung daran, halte ich weiterhin sehr lebendig.