Sissy geht es immer schlechter.
In den letzen Tagen schweben meine Schwester und ich zwischen der Pflege von ihr und den Aufgaben die wir von unserer Grossmutter haben.
Wir haben keine Mittel um Sissy wirklich zu helfen, versorgen die Wunden mit geklautem Alkohol den wir auf die Wunden aufgetragen haben.
Beim ersten mal hat Sissy markerschütternd gebrüllt, war zwar nicht ganz da, hat das Brennen aber trotzdem gespürt, sodass wir sie knebeln mussten damit unsere Grossmutter nicht hochkommt um nach zu sehen was die Ursache für den Krach ist.
Zwei Tage später reagiert sie gar nicht mehr, dass Fieber scheint immer mehr zu steigen und wir Schwestern stehen nur hilflos daneben und können nichts tun.
Ich tupfe Sissys schweissnasse Stirn mit kaltem Wasser ab und lausche ihrem schnellem Atem.
Heute Nacht, breche ich in das Arbeitszimmer meiner Grossmutter ein.
Eliza weiss nichts von dem Plan, ich weiss das sie mich davon abhalten würde, zu gross die Angst vor der Konsequenz.
Es ist 22 Uhr, als wir das Licht auf dem Dachboden löschen.
Ich lege mich hin, nur der schnelle Atmen Sissys durchbricht die Stille, manchmal das plätschern von Wasser wenn Eliza ihr einen neuen Lappen auf die Stirn legt.
Eine Stunde später höre ich das ächzen der Stufen und der schwere Atem meiner Grossmutter als sie ins Schlafzimmer geht.
Die Federn des Bettes quitschen, es geht keine Minute, da lässt ihr Schnarchen das Haus beben.
Ich stehe auf, schleiche zur Treppe, als ich die Stimme meiner Schwester höre: " Eleonor, wo willst du hin?"
" Aufs Klo." antworte ich und warte nicht auf die Widerworte meiner Schwester, die mir sagen würde, dass ich jetzt komplett den Verstand verliere und ganz genau wisse, dass wir nachts nicht auf die Toilette dürfen.
Doch ich bin schon unten und entgehe ihrem Vortrag.
Ich gehe volles Risiko, ich weiss aber das ich es tun muss.
Mit einer geklauten Taschenlampe schleiche ich Richtung Arbeitszimmer.
Bereit mich zu verstecken wenn meine Grossmutter aufhört zu schnarchen.
Ich schaffe es in das Arbeitszimmer.
Ich leuchte die Regale durch und nach einigem Suchen finde ich den Ordner tatsächlich wieder.
Vorsichtig, ganz langsam um ja keinen lärm zu machen ziehe ich den Ordner raus.
Er ist draussen, da kippt das Buch um.
Ich sehe es fallen, höre wie es unglaublich laut auf dem Regal aufschlägt, es tönt wie eine Explosion.
Mein Herz bleibt eine Moment stehen als ich lausche ob meine Grossmutter aufgewacht ist.
Doch ihr Schnarchen ist unüberhörbar.
Ich schlage den Ordner und blättere dorthin wo ich das letze mal gestört wurde.
Doch auf der ausgerissenen Tagebuchseite steht nicht mehr, also gehe ich auf die nächste Seite, wieder eine ausgerissene Seite.
" Meine Eltern haben gemerkt, dass ich schwanger bin. Sie wollen wissen, wer der Vater ist und sie haben gesagt, dass ich ihn heiraten muss. Ich sage ihnen aber nichts, ich bin eine Schande für meine Eltern weshalb sie den Kontakt mit mir abgebrochen haben. Dieses Balg nimmt mir alles, zum es wegmachen ist es zu spät."
Es geht um meine Mutter, da bin ich mir sicher.
Sie hat uns nie von Geschwistern erzählt und das hätte sie bestimmt, hätte sie welche gehabt, ausserdem steht ihr Name auf dem Rücken des Ordners, ginge es nicht um sie würde der Name anders lauten.
Ich überfliege die nächsten Seiten und bleibe bei dem Eintrag sehen, wo ich richtig spüren kann wie meine Grossmutter vor Wut schäumt.
" Ich kann meine Schwangerschaft nicht mehr verstecken, so sehr ich es auch versuche. Bei der Arbeit haben sie es auch gemerkt, weshalb ich heute zum Chef zitiert wurde. Dieser hat mir Mitgeteilt ,dass das Arbeitsverhältist per sofort gekündigt wird, damit ich mich um das Kind kümmern kann. Ich habe zwar beteuert, es wegzugeben, doch die Entscheidung ist gefallen. Ich werden diesem verdammten Mistbalg das leben zur Hölle machen und irgendwann werde ich mich rächen. Ihm das nehmen was dem Balg wichtig ist, genauso wie es mir alles genommen hat was mir wichtig ist.
Plötzlich ist mir klar, wer für den Tod unserer Eltern verantwortlich ist.
Das unsere Eltern nicht bei einem Autounfall gestorben sind, weil es Schicksal war oder wie man das auch immer nennen sollte, sondern weil unsere Grossmutter durch die Schwangerschaft unserer Mutter alles verlor.
Ihre Karriere war vorbei, man wollte sie nicht mehr und für alle Fehlschläge die darauf folgten machte meine Grossmutter meine Mutter verantwortlich.
Bei jeder Seite die ich umblätterte wurde das immer klarer und klarer, bis ich eine sehr intressante Seite im Ordner fand.
Es ist der Plan wie meine Eltern umgebracht werden sollten.
Akribisch genau war alles dokumentiert.
Sie muss das Monatelang geplant haben.
Es sind Zeichnungen von Autoteilen darin, Internetartikel wie man sie manupulieren kann, ohne das jemand darauf kommt das nicht technisches Versagen, sondern Menschenhand schuld ist.
Ich hatte den eindeutigen Beweis in meinen Händen, nun musste ich den nur noch in die öffentlichkeit bringen.
Die Frage ist nur, wie ich das Bewerkstelligen soll.
Ich schiebe den Ordner zurück an seinen Platz, ich möchte Eliza von meiner Entdeckung erzählen und mit ihr Gemeinsam einen Plan schmieden.
Es ist unsere Chance, unsere letze und einzige endlich von hier wegzukommen.
Ich schleiche mich wieder nach oben.
Das Schnarchen meiner Grossmutter begleitet mich unüberhörbar.
Eliza sitzt weinend auf dem Boden, Sissys Kopf liegt in ihrem Schoss.
Der Kopf ist nicht mehr rot wie gestern, sondern weiss wie Schnee, als ob eine unsichtbare Kraft alle Farbe aus ihr rausgesogen hätte.
Ich weiss was passiert ist, ich sehe es in dem unglaublich traurigen und verzweifelten Blick meiner älteren Schwester.
Sissy hat es nicht geschafft, die ganzen Straparzen der letzen Wochen waren zu viel für ihren noch so kleinen Körper.
Meine Seele bricht entzwei, Tränen laufen über meine Wangen als ich mich neben meine Schwester setze.
Ich streiche eine Strähne aus Sissys Stirn, sie sieht so gelöst, so zufrieden aus, als ob es ihr nichts ausmachen würde nicht mehr auf der Welt zu sein.
So sitzen wir da, weinen und denken an die vielen schönen Momente die wir mit unserer kleinen Schwester teilen durften, an die vielen schönen Erinnerugen die wir trotz ihres so kurzen Lebens an sie haben.
Ich hoffe Sissy, wo auch immer du sein magst, es dir dort besser geht als in deinen letzen Wochen auf der Erde.
Grüss Mama und Papa von mir.