Einige tausend Kilometer über der Oberfläche stoppte der Pilot den Sinkflug. Dann legte er ein paar Schalter um, drehte an einigen Knöpfen und schlussendlich tippte er einige Male auf den Monitor vor sich. Das Raumschiff gewann an Geschwindigkeit und Tasgan wurde sanft in seinen Sitz gedrückt. Er atmete tief ein und wieder aus, sah aus dem Fenster auf die Wolken hinab. Selten tat sich eine Lücke zwischen der schier endlosen Wolkendecke auf und er konnte nicht erkennen, was darunter lag.
Nach einigen Minuten ließ der Druck nach und der Pilot meldete über den Bordlautsprecher, sagte Tasgan dass er wieder aufstehen könne. Tasgan stellte die Füße fest auf den weißen Fußboden des Raumschiffs und erhob sich aus seinem Sitz. Er ging auf die andere Seite und sah dort hinaus. Das zweite Raumschiff flog tiefer als sie und einige Meter vor ihnen. Durch die verglaste Oberseite konnte er die Frau erkennen, die scheinbar die Leitende dieser Mission war, wie sie es genannt hatte.
Er rief sich ihren Namen ins Gedächtnis. Kalica. Sie war freundlich, doch ihre militärische Korrektheit verlieh ihrem Charakter eine Art Überheblichkeit, die er nicht mochte. Er konnte sehen, wie sie mit einem ihrer Soldaten sprach und wie dieser nickte. Danach drehte sie sich um und sah zu ihm hinauf, als hätte sie gespürt, dass er sie beobachtete. Im nächsten Moment hörte er ihre Stimme in seinem Ohr.
„Guten Morgen Tasgan.“
Er erschrak ein wenig, doch er wusste, dass sie ihn über das Funkgerät in seinem Ohr ansprach. Offensichtlich trug sie auch so eines, denn zum Sprechen hielt sie sich nichts vor dem Mund.
„Ich hoffe, du hast dich ausgeschlafen. Wir werden in wenigen Minuten den Landeplatz erreichen. Bis dahin steht für dich etwas zu essen bereit.“
Als Tasgan etwas antworten wollte, sah er jedoch, wie sie sich wegdrehte und wieder begann mit dem Soldaten zu reden. Zum Essen war ihm nicht. Dafür war er viel zu aufgeregt, was ihn erwartete. Wo würden sie landen, was für Menschen leben dort? Man Und vor allem, warum war dieser Planet mit einer so dünnen Atmosphäre besiedelt worden?
Er seufzte und spähte dann zum Horizont, der scheinbar immer heller wurde. Zuerst dachte er, es wäre nur eine Täuschung, doch tatsächlich wurden die Wolken immer heller. Er sah gespannt zu einem Fleck, etwas links von ihnen. Dieser wurde besonders hell, beinahe zu grell. Doch bevor etwas geschah, meldete sich der Pilot wieder über den Bordlautsprecher und sagte Tasgan, er sollte nicht dort hinsehen, sonst würde er zu sehr geblendet werden. Brav gehorchte er und sah dafür wieder zum anderen Raumschiff hinab. Er spürte wie die Kabine, in der er stand, langsam heller wurde und ein paar Sekunden später wurde auch das zweite Raumschiff angeleuchtet. Sie mussten gerade die Grenze zwischen der dunklen Seite und der sonnenbeschienenen Seite des Planeten überquert haben, dachte er sich. Die Wärme auf seiner Haut fühlte sich wunder bar an.
Am Horizont tauchte nun ein riesiges Konstrukt auf. Er betrachtetet es einige Sekunden, wie es ganz langsam näher kam, doch er konnte nicht erkennen, was es war. Etwas weiter rechts davon stach eine Art Riesenpilz aus der löchrigen Wolkendecke und in noch weiterer Entfernung konnte er zwei antennenartige Stelzen sehen, die ewig lange Schatten scheinbar auf die Oberfläche eines Sees oder Meeres warfen. Ein paar Minuten noch sah er zu, wie sie den ganzen sonderbaren Dingen näher kamen, bis sich der Bordpilot erneut meldete.
„Bevor wir unser Ziel erreichen werden wir an Zerea-1 andocken, dann wird Colonel Kalica ihnen alles Weitere erklären. Bitte setzen Sie sich wieder hin!“
Tasgan gehorchte wieder, setzte sich in seinen Sitz und wartete mit leichtem Herzklopfen ab, was als nächstes passierte. Er konnte durch die Glasscheibe zum Cockpit hinsehen, wie der Pilot wieder einige Armaturen betätigte und dann tauchte auch schon das zweite Raumschiff neben ihnen auf. Als sie auf gleicher Höhe flogen, öffnete sich die Tür des zweiten Raumschiffes.
Ein Soldat tauchte dahinter auf und zeigte einen Daumen hoch. Tasgan hatte den Soldaten, der bei ihnen mit flog bereits völlig vergessen, doch dieser tauchte jetzt aus dem Cockpit auf und machte sich daran, die Tür zur Zerea-1 zu öffnen. Ein paar Sicherheitsriegel wurden geöffnet und ein geheimer Code wurde in ein kleines Bedienfeld neben der Tür eingetippt. Tasgan konnte die Tür zwar von seinem Sitz aus nicht sehen, aber er spürte, dass sie sich geöffnet hatte, als urplötzlich kalte Luft in die Passagierkabine strömte.
Der Soldat winkte ihm zu und Tasgan bewegte sich vorsichtig auf ihn zu. Als er etwa einen Meter vor der Kabinentür war, brüllte der Soldat über das Laute Rauschen hinweg, dass er keine Angst haben brauchte. Er reichte ihm den Arm und als Tasgan bereitwillig seine Hand griff, führte er ihn langsam zur geöffneten Tür hin. Je näher Tasgan der Tür kam, desto unangenehmer wurde das Rauschen und die Kälte. Als er kurz vor der Öffnung war, bemerkte er, wie sich das andere Raumschiff etwas näherte, um ihm den Wechsel zu erleichtern. Als die Türen weniger als einen Meter voneinander entfernt waren, rief der Soldat aus der Zerea-1. „Spring!“
Hinter dem Soldaten stand Kalica mit verschränktem Armen und verzog keine Miene, als Tasgan zögerte. Der Soldat hinter ihm legte seine Hand auf seine Schulter und rief über das Rauschen hinweg, dass er keine Angst haben brauche. Es passiere nichts. Tasgan nickte und atmete tief durch. Er ließ noch eine oder zwei Sekunden vergehen, dann sprang er mit aller Kraft ab. Als er den dünnen Schacht zwischen den zwei Raumschiffen passierte, drückte gleich ein unglaublich kräftiger Wind gegen seine Flanke.
Doch bevor er mitgerissen werden konnte, landete er auf halbwegs sicheren Beinen. Als er strauchelte, fing ihn der Soldat gleich ab und ließ ihn erst los, als er wieder auf sicheren Beinen stand. Zum Dank nickte Tasgan ihm zu. Kalica stand immer noch so da, wie vor dem Sprung und sie machte auch keine Anstalten sich groß zu bewegen. Allein ihre Lippen bewegten sich, als sie Tasgan auf dem Raumschiff willkommen hieß. Er nickte erneut und atmete dann tief ein und aus. Es war ein ekliges Gefühl gewesen, in dem Moment, in dem er nicht genau wusste, ob er auf der anderen Seite landen würde, oder ob er vom Windstoß mitgerissen würde.
„Also…“, fing er an, doch Kalica hatte nur darauf gewartet und unterbrach ihn sofort. „Meinen Namen kennst du ja bereits. Das ist I’lias“, machte sie einem Fingerzeig auf den Soldaten an Bord. Sie drehte sich um und verschwand in der Passagierkabine. Tasgan und der Soldat folgten ihr. Mit einer kurzen Handbewegung bat sie Tasgan, sich zu setzen, als er eintrat. Der Soldat blieb neben der Tür stehen. Von einem Tischchen nahm sie ein Gerät. Kalica hielt lediglich eine kleine Metallschiene fest. Von der ging eine holografische Anzeigetafel aus. Sie war etwa so groß wie drei Handflächen und blaue Schrift bildete sich auf ihr ab. Kalica tippte wild darauf herum und da die Anzeigetafel transparent war, konnte Tasgan durch sie hindurch sehen, dass sich kleine Fenster öffneten oder schlossen, ein Kreis drehte sich und einige Zeilen Text erschienen. Nach einem kurzen Augenblick wandte Kalica sich an ihn und hielt ihm das Gerät hin.
Zögerlich griff er danach und fasste es an der Metallschiene an, wie er es bei ihr gesehen hatte.
„Sieh darauf!“, befahl ihm Kalica.
Er gehorchte und schaute auf die Anzeigetafel mit dem bläulich schimmernden Abbildungen und Fensterchen.
„Wir sind über dem Planeten Relga Fera“, begann sie und Even konnte in kleiner blauer Schrift neben dem Kreis die Wörter Relga Fera lesen.
Kalica fuhr fort, ohne zu warten. „Unsere Hauptstadt ist Charon, du hast sie vermutlich bereits gesehen. In der Ebene Null leben die Menschen, wie sie auch in jeder anderen Stadt leben. Dort arbeiten sie, dort gehen sie zur Schule, dort wohnen sie. Das alltägliche Leben, wie du es vermutlich gewohnt bist.“
Tasgan fröstelte es, als er den herablassenden Unterton hörte, der in Kalicas Worten mitschwang. Er sah zu ihr auf, doch sie stand mit dem Rücken zu ihm und spähte aus dem großen Fenster. Als sie fortfuhr, blickte er wieder auf das Gerät.
„Die Ebene Eins ist das, was man in anderen Städten Regierungsviertel nennt. Dort tagt der Senat, dort arbeiten und wohnen die Beamten.“
Sie machte eine kurze Pause. Als sie fortfuhr glaubte Tasgan Zufriedenheit aus ihrer Stimme zu hören.
„Das Konstrukt, das aussieht wie ein Pilz ist der Bomahrturm. In ihm forschen wir an neuen Technologien und unbekannten Elementen. Um den Turm herum ist unsere Militärbasis mit Wohnkasernen, einem eigenen Flughafen mit mehreren Hangars, und diversen Bunkern und Gebäuden.“
Erstaunt starrte Tasgan auf das Gerät, als sich ein Fenster mit diversen Daten zu der Militärbasis öffnete, während Kalica davon sprach.
„Wir werden in wenigen Augenblicken eintreffen. Wenn wir gelandet sind, reden wir weiter.“
Tasgan sprang aus seinem Sitz und schritt zum Fenster. Zum Landen drehte sich die Zerea-1 leicht zur Seite. Endlich konnte Tasgan die Stadt sehen. Sie sah so unwirklich aus. Am Boden erstreckte sich eine gigantische Metropole. Große Häuser ragten hervor, hier und da war ein großer Park zu sehen und überall funkelten Lichter in allen Farben. Doch viel interessanter war Ebene Eins. Von fünf gigantischen Pfeilern gestützt, stand über der Mitte der Stadt eine zweite Stadt.