Der nächste Tag nahm denselben Lauf. Von seinem Beginn zu seinem Ende, handelte er in einer gewohnten Routine. Maik saß in den letzten Stunden seines Unterrichtes und sein Lehrer folgte seinem einstudierten, und ihn offensichtlich ermüdenden Plan. Doch, Maiks Aufmerksamkeit richtete sich nicht auf dessen Worte, sondern auf die, an der Wand hängende Uhr. Jedes Regen und jedes Geräusch des Uhrwerkes verfolgte er und hoffte, dass dieses endlich, das von ihm erwartete Bild zeigte. Nur, je mehr er sich auf den Lauf der Zeit konzentrierte, desto langsamer schien dieser zu fließen.
„Bevor ich euch nun gehen lasse, gibt es noch etwas Organisatorisches zu bereden“, sagte der Lehrer, wobei er abwechselnd die Uhr an seinem Handgelenk und die Uhr an der Wand verglich.
Maik schaute nun von dieser weg und horchte auf. Ein Bruch in der Routine!
„Am Ende dieses Schuljahres planen wir eine Reise in einen Erlebnispark“, fuhr er fort. „Desweiteren brauch ich dafür die Zustimmung eurer Eltern“, wobei er einen Zettel austeilte.
Maik las diesen aufmerksam und seine Stimmung verbesserte sogleich. Es erfreute ihn, so etwas Ähnliches hatten sie schon am Ende des letzten Schuljahres getan, dort lief er zusammen mit Aurora, dies könnte eine weitere Chance sein.
Die Stunde klingelte ab. Alle im Zimmer erhoben sich. Alle im Zimmer pferchten sich durch den Ausgang. Maik überlegte, ob und wie er es angehen kann, jedoch hatte er Furcht, dass Aurora sein plötzliches Interesse missverstehen könnte. Auf seinem Wege nachhause überlegte er sich Sätze und sponn sich Szenarien, in welchen er sie anspricht. Er seufzte. In allen diesen erdachten Realitäten verlor er, warum sollte sie etwas mit ihm Zutun haben wollen?.
Plötzlich wurde er durch ein langsames Klatschen aus seinen Gedanken gerissen.
„Wahrlich, ein Trauerspiel seines Preises wert“, hörte er eine Stimme hinterrücks. Sie klang in ihrer Melodie perfekt und in des Sprechers Aussprache spiegelte sich eine unüberhörbare Klarheit wieder. „So, wird denn der Protagonist seinem Dilemma entkommen? Nur das Schicksal vermag es zu wissen“.
Maik drehte sich um und erblickte eine Gestalt. Er handelte sich um einen jungen Mann, nur wenige Jahre älter als Maik. Auch wenn seine Stimme seine Männlichkeit verriet, war er androgyn, so zierte kein Barthaar sein zartes Gesicht und hüftlange, goldblonde Haare fielen ihm über die Schultern. Auf diesen thronte eine Krone. Sie bestand aus einem goldenen Reif, welcher mit Edelsteinen besetzt und woran fünf Blattzinken, von denen drei Bügel sichtbar sind, angebracht waren. Dieses Gebilde umschloss eine purpurne Samtmütze, auf der sich ein blauer Reichsapfel befand, jedoch war dort, oberhalb des Reichsapfels kein Kreuz, wie es Maik von alten Kronen kannte, sondern drei ineinander verwobene Dreiecke. Auch der Rest seiner Kleidung war ungewöhnlich. So, trug er ein weinrotes Wams, wie es die Blaublütigen des Barockes taten, je doch besaß er eine lange Hose der gleichen Farbe, welche aus Leder zu bestehen schien. Seine Füße steckten in edlen Stiefel, welche mit Knöpfen geöffnet wurden.
Er trug einen verzierten Gehstock bei sich, an dessen Kopf eine rote Perle thronte, jedoch schien er nicht in seinem Gang beeinträchtigt zu sein, da er sich nicht mit ihm stützte.
„Reden Sie mit mir?“, fragte Maik zaghaft und leise.
„Nun, niemand sonst scheint mir zuzuhören“, entgegnete er.
Maik schaute sich um, tatsächlich waren die Straßen leer und weder ein Fuß, noch ein Rad überquerten den Boden.
„Und wer sind Sie?“, stellte Maik eine weitere Frage.
„Ich bin ich, wer soll ich schon sein?“, er kam langsam auf Maik zu, wobei er ab einen bestimmten Abstand eine Kreisbewegung um ihn machte. Ein süßlicher Geruch ging von ihm aus.
„Nein, ich meine, wie heißen Sie?“, fragte Maik nun mit leicht erzürnter Stimme, machte er sich über ihn lustig?
„Oh dies ist unwichtig, Namen haben nur den Missbrauch zum Nutzen.“, antwortete er, wobei er in einer spielerischen Weise zu lächeln begann.
Maik war verwirrt, was wollte diese Person von ihm?
„Warum sprechen Sie mich an?“, begann Maik nach einer Weile des Schweigens
Der Mann blieb stehen: „Es war nicht zu übersehen, dass dich deine Lebensweise betrübt, worauf sich Mitleid in meinem Herzen verbreitete, und so kann ich dir erfreulich sagen, dass du, in meinen Augen, welche den Irrtum nur als Seltenheit kennen, meine Hilfe zu erhalten würdig bist.“
Maik wurde diese Person unangenehm, wer glaubt er, wer er sei?
„Das muss ich Sie leider enttäuschen, mir geht es gut, danke.“, sagte Maik forsch.
Die Person schaute ihn prüfend an
„Gut?“, fragte er
„Ja“, antwortete Maik.
„So, würdest behaupten, denn das ist es, was ich deinen Worten entnehme, dass es ‚gut‘ sei, wie die Personen, denen du den Status ‚Freunde‘ zu geben pflegst, dich behandeln; dass es ‚gut‘ sei, dich jeden Tag in Einsamkeit in ein dunkles Kellergewölbe zu verkriechen; dass es ‚gut‘ sei, dass du Nacht für Nacht vom Tode träumst?“, er verdrehte seine Augen. „Ein treuer Hund, dass seinem, ihn prügelnden Herrchen nicht von der Seite weiche“.
„ Was reden Sie da?“, Maik wurde zorniger.
„Maik, ist es deine Seele oder dein Verstand, welcher gebrochen ist?“, ein unecht wirkendes Lachen, durchdrang seine Stimme. „Ich hielt deinen Geist immer für stark.“
„Ich verstehe Sie nicht, wieso wollen Sie mir Probleme andichten, die ich nicht hab‘?“ Maik wollte fort.
„Du hast nur ein großes Problem und dies ist deine Unvernunft, du hältst dich selbst für Minderwertig, weil es dir die Minderwertigen suggerierten, aber du vergibst ihn, töricht, ihr Torheit.“, auch die Stimme des Mannes war nun unterzogen von einem zornigen Ton. „Du verspürst eine Unsicherheit deine Situation zu verbessern, da du Angst hast, alles könnte sich verschlimmern.“
„Das ist nicht war!“ rief Maik.
„Nein? Nun dann, geh zu dem Mädchen, dass dir Geborgenheit gab und erfrage diese zurück.“
„Das ist...das geht nicht so einfach.“, Maik senkte den Kopf.
„Ist dem so? War sie denn, bei eurem letzten Beisammensein so angsteinflößend, dass du dir sie anzusprechen nicht traust, wenn dem so ist, dann erkläre mir warum dein Herz nun erhöht schlägt, sobald ich sie erwähne?“, der Mann stampfte mit seinem Stock auf den Boden auf.
„Lassen Sie mich in Ruhe, das geht Sie erstens alles nichts an und zweitens brauche ich Ihre Hilfe nicht, ich fühle mich wohl, in meinem Leben“, Maik drehte um und wollte ansetzten loszulaufen.
„Nein!“, erschallte es hinter ihm. Die Person lief nun schnellen Schrittes auf ihn zu, wobei sie ihn hoch stemmte und gegen die Wand eines der Gebäude drückte.
„So viele Seelen suchten erfolgreich den Tod, weil sie nicht verstanden, sich selbst und ihre Umgebung zu hinterfragen, doch du, Maik verlangst den Tod nicht als Gefährten. Und warum? Weil, du weißt, dass die Dinge hinterfragbar sind“. Sein Gesicht war nun Maiks sehr nahe, wobei dieser in seine großen, mit einer smaragdgrünen Iris verzierten Augen blicken konnte und er glaubte eine Art Sehnsucht zu erkennen.
„Was wollen Sie von mir?“, fragte Maik angsterfüllt.
„Ich werde dich das Fliegen lehren!“, mit diesem Satz schleuderte er Maik von der Wand weg. Mit dumpfen Geräusch landete Maik auf den harten Grund, ein Schmerz erfüllte seinen Körper, weswegen er auf dem Boden kauerte.
„Alles okay?“, fragte ihn eine andere Stimme.
Maik schaute auf, vor ihm Stand eine Frau, welche auf einem Fahrrad saß.
„Du bist beim Laufen plötzlich umgefallen“, erklärte sie.
Er schaute sich um, er bemerkte erst jetzt, wie unerträglich laut, die stark befahrene Straße neben ihm ertönte und, dass er von einigen Passanten angestarrt wurde.
„Ja..ja, es ist alles gut.“, versicherte er, wobei aufstand, seine Kleidung abklopfte und seine Tasche aufnahm. „Danke der Nachfrage.“.
Maik ging weiter seines Weges und ließ die Frau verwirrt zurück. Er schaute sich immer wieder um, nie wieder wolle er dieser Person begegnen.