Ethan rannte verwirrt in seine Wohnung und versuchte sich zu beruhigen. Lisa konnte gerade seine Gefühle fühlen. Das durfte nicht noch ein Mal passieren. Er hatte gerade die Kontrolle über seine Gefühle abgegeben, und genau das wollte er doch eigentlich mit seiner Zurückhaltung verhindern. Bisher hatte er immer alles unter Kontrolle, doch mit Lisa geriet alles außer Kontrolle. Deshalb musste er auch für eine Woche verschwinden, um Abstand zu gewinnen. Weg von den Gefühlen für diese Frau, die ihn so um den Verstand brachte. Sie zog ihn in seinem Bann und sog ihn auf.
Er wusste nicht, was er tun sollte. Ethan wollte ihr nicht weh tun. Er selbst wollte auch nicht verletzt werden. Kein Mensch war bisher in der Lage, seine Fähigkeiten der Kontrolle über sich und seine Gefühle außer Kraft zu setzten, nicht mal Christin, seine einstige große Liebe. Lisa war für seine Gefühle genauso empfänglich, wie er für ihre.
Doch was bedeutete das jetzt für sie beide? Konnten sie zusammen sein, ohne das sie von seinem Geheimnis erfuhr? Oder sollte er es ihr sagen? Wütend und verwirrt warf er seine Schuhe in die nächste Ecke. Er schlug die Hände über den Kopf zusammen und ließ sich auf sein Sofa fallen. Er wusste, es war ein Fehler einfach wegzurennen. Am liebsten wollte er schreien. Gerade eben noch war er so glücklich und jetzt? Wie sollte er Lisa erklären, was mit ihr gerade passiert war, und warum sie fühlte, was er fühlte. Sie würde ihn für verrückt halten.
Er sah nachdenklich sein Amulett an, das er zwischen seinen Fingern hielt.
»Scheiß Schicksal.«, fluchte er.
Lisa lag noch immer in ihrem Bett, die Tränen liefen noch immer an ihren Wangen runter. Doch nun wegen Ethans Verhalten. Es war, als würde er es bereuen mit ihr geschlafen zuhaben. Aber warum? Diese Traurigkeit machte ihn verrückt, und nun hatte er vielleicht ein schlechtes Gewissen deswegen, dachte sie. Hing er vielleicht immer noch an seiner verstorbenen Freundin?
Lisa wischte sich die Tränen ab und beschloss, es gut sein zu lassen. Sie wollte akzeptieren, dass er Angst hatte, selbst nach dieser gemeinsamen Nacht. Er konnte anscheinen keine Beziehung aufbauen, also wollte sie es nicht erzwingen. Nachdem sie sich beruhigt hatte, zog sie sich an, und wollte los, ihre Schicht im Supermarkt fing bald an. Der Versuch die letzten Stunden mit Ethan zu vergessen, fiel ihr schwer, aber es musste sein. Sie versuchte, alles zu vergessen, was ihn anging.
Ethan versuchte, erst gar nicht mit ihr darüber zu reden, er wusste nicht, wie er anfangen sollte, denn eigentlich hatte er bereits alles gesagt. Er hörte, wie bei Lisa die Tür zu fiel und hasste sich selbst für seine Feigheit. Aber niemand wusste von seinem Geheimnis und auch niemand durfte davon erfahren. Aber Lisa war für ihn schon lange kein Niemand mehr. Spätestens seit dem sie seine Gefühle spüren konnte.
Als Lisa an ihrer Kasse saß, machte sie ihre Arbeit wie immer, sie versuchte, sich abzulenken. Doch ihre Gedanken schweiften immer wieder Ethan. Manchmal sah sie in fremden Männern sein Gesicht. Das ging Tage lang so. Sie ging mit Freunden weg und hielt sich nicht mehr lange zu Hause auf. Ethan tat das Gleiche auf seine Art. Doch sie mussten sich zwangsläufig irgendwann begegnen.
Beide kamen gleichzeitig aus ihren Wohnungen, und bemerkten sich. Es passierte fast schon synchron. Es war wie bei ihren ersten Treffen, damals als er einzog. Lisa sah in seine dunklen Augen und ihr Herz klopfte bis zum Hals. Keiner brachte auch nur ein Ton raus, stattdessen sahen sie sich nur stillschweigend an. In Lisas Kopf drehte sich alles um die gemeinsame Nacht mit ihm, und seine weichen Lippen auf ihren.
Ethan wollte so gerne was sagen oder machen, doch die Angst schnürte ihn die Kehle zu. Ich holte Luft, um etwas zu sagen, doch mehr als » Ich...«, kam nicht raus. Was er aber fühlte für sie, war viel mehr, als ein Wort. Lisa wollte nicht länger auf ihn warten, und ging die Treppe runter. Ethan trat mit einem Fuß frustriert gegen seine Tür. »Verdammt«, fluchte er. Er konnte sich der Anziehungskraft von Lisa nicht entziehen, sie war einfach zu stark. Nur einmal hatte er das Gleiche bisher erlebt, doch dieses Mal war es noch intensiver als bei Christin. Entweder er stellte sich seiner Angst oder musste endgültig gehen. Doch konnte er es ertragen Lisa nie wieder zu sehen? In Moment konnte er nicht mal ertragen, dass er sie verletzt hatte.
Lisa ging ihm weiterhin aus dem Weg, und er bereute es zunehmend, dass er mit ihr geschlafen hatte, und ihre Nähe zugelassen hatte. Dennoch war da etwas zwischen ihnen, dass er nicht erklären konnte. Von dem Moment an, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, traf es sein Herz, er war ihr verfallen, und suchte ständig ihre Nähe, anders als jetzt, wo er ihr aus den Weg gehen musste. In den Momenten, wenn er sie dann doch mal traf, blickte er auf den Boden und mied den Augenkontakt.
Lisa hingegen tat einfach so, als würde sie ihn nicht sehen.
Ein endloses Spiel begann zwischen ihnen. Sie redeten kein Wort miteinander und hatten sich dennoch so viel zu sagen. Ethan stand sogar schon vor ihrer Tür, und wollte klopfen, weil versehentlich ihre Post bei ihm gelandet war, er tat es aber dann doch nicht, und steckte einfach nur die Post in ihren Briefkasten.
Lisa kam aus mit ihren Einkäufen gerade nachhause, und war völlig außer Atem. Sie verfluchte den Hausflur. Warum gab es keinen Fahrstuhl? Noch ein paar Stufen und sie hätte es geschafft, doch dann rissen ihre Tüten unten auf und alles fiel heraus, und die Treppen runter.
»Warte ich helf dir«, sagte ein ihr nur allzu bekannte Stimme, die ihr sofort Gänsehaut machte. Ethan half ihr alles einzusammeln. Eifrig sammelte er alles von unten ein und brachte es zu Lisa hoch.
»Danke«, sagte Lisa schließlich, als er ihr alles in die Wohnung brachte. Ethan war unsicher, was er nun tun sollte, er musste aufpassen, dass er nicht wieder zu nahe kam. Er musste die Kontrolle über sich behalten.
»Ah Mist.«, rief Lisa aus der Küche.
»Alles in Ordnung?«, fragte Ethan besorgt.
»Ja . Ich hab mich nur an der Ananas gestochen«, sagte Lisa und suchte sich ein Pflaster. Ethan kam in die Küche und half ihr suchen. Beim Anblick ihres blutenden Fingers wurde ihm ganz anders. Der Geruch ihres Blutes ließ ihn das Wasser im Mund zusammen laufen. Das bedeutete für ihn fast ein Kontrollverlust. Irgendwie musste er es jetzt unauffällig schaffen nicht wieder durch zudrehen. Er versuchte es Waghalsiges.
»Darf ich?«, fragte er und nahm ihre Hand vorsichtig und führte sie zu seinem Mund. Lisa starrte ihn nur an, während ihr Herz raste. Ethan lutschte das vorsichtig das Blut von ihren Finger. Er genoss den Geschmack ihres Blutes, es schmeckte so köstlich und beruhigte seine Nerven. Er fühlte sich nun wohler und gab Lisa ihren Finger wieder. Er konnte sich kontrollieren, in ihrer Nähe, es funktionierte doch. Gab es vielleicht doch noch eine Chance für sie beide?