Da stand ich also nun, in dieser leeren Wohnung, welche nun seit 16 langen Jahren, unser geliebtes Zuhause gewesen war. Das letzte Möbel war gezügelt und meine Stimme und meine Schritte hallten geisterhaft in den leeren Räumlichkeiten wider. Nun war der Moment also gekommen. Es gab kein Zurück mehr. Keinen Garten mehr, dafür eine schöne Terrasse. Keine alten Fenster, Wände und Böden mehr, dafür alles neu und vor kurzem erbaut. Nicht mehr nur für uns allein leben, ohne direkte Nachbarn, dafür in einer Wohnsiedlung, bei der wir noch nicht wirklich wussten, wie es dort sein würde. Kein direkter Zugang, immer und zu jeder Zeit zu unserem Arbeitsplatz, dafür mit der Chance, die Symbiose mit selbigem, ein wenig lösen zu können. Alle Altlasten losgeworden und eine fast gänzlich neue, etwas hellere und freundlichere Einrichtung eingekauft. Keine Möglichkeit mehr, im Sommer einen kleinen Swimmingpool im Garten aufzustellen, dafür ganz in der Nähe der Fluss. Kein unlimitiertes herum lärmen mehr, laute Musik hören, oder beim zocken Frust- oder Freudenschreie mehr ausstossen, dafür Rücksichtnahme und Selbstkontrolle.
Und die grosse Frage drängte sich mir einmal mehr auf: Würde ich in der neuen Wohnung jemals so glücklich sein, wie ich es hier an diesem nun leeren, hallenden Ort gewesen war? Würde ich es schaffen loszulassen und mich wahrlich auf das Neue einlassen können? Ich hatte nun einen Monat Zeit gehabt mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass sich nun alles ändern würde, dass wir in Zukunft auf kleinerem und dennoch teurerem Raum leben würden. Unser Hund würde nicht mehr einfach hinaus in den Garten gehen können und so mancher anderer Vorteil, den wir diese wundervollen 16 Jahre genossen hatten, würden wir missen müssen. Nun war der Punkt da! Das Alte war vergangen, das Neue klopfte an die Tür, die ich noch immer nicht ganz bereit war, aufzumachen. Und doch es blieb mir nichts anderes übrig. Ich setze mich in meine Auto, um ein letztes Mal an diesem Tag, diese alte Wohnung zu erblicken. Diese Nacht würden wir am neuen Ort schlafen und… ich begann auf einmal bitterlich zu weinen.
Die erste Nacht im neuen Heim, verbracht in unserem schön eingerichteten Schlafzimmer mit wunderbar passendem Bettzeug, meinen tollen, neuen Schränken und meiner Schönheitsecke, mit der Schminkkommode, dem schön präsentierten Schmuck und den sonstigen, nötigen Beauty Produkten. Ich habe sehr gut geschlafen, besser als am alten Ort. Was doch erstaunlich ist, nach all dieser Aufregung. Doch leider ist es den restlichen Familienmitgliedern nicht so gut ergangen. Niemand sonst hat besonders gut geschlafen. Vor allem unser Hund nicht. Er tigerte die ganze Nacht unruhig herum, wollte nichts von seinen neuen Schlafplätzchen wissen, obwohl alle ausgestattet mit den vertrauten Nestchen waren. Auch die Terrasse mit der darum herum liegenden Wiese, konnte ihn nicht so wirklich erwärmen. Denn wir würden ihn nun leider an eine lange Leine binden müssen, weil hier kein Zaun aufgestellt werden darf.
Lange will er nicht recht begreifen, dass dies hier nun sein neues Heim sein soll. Wie gut ich ihn verstehen kann. Dennoch… ich habe das Gefühl schon etwas mehr hier angekommen zu sein, als noch am Tag zuvor. Heute wollen wir nochmals in die alte Wohnung gehen, um noch ein paar Dinge zu holen und ein wenig zu putzen. Wir beschliessen, unseren Hund mitzunehmen. Eine gute Entscheidung, denn irgendwie kommt auf einmal der Moment, bei uns und auch bei meinem Hund, in dem wir bereits ein Stück besser loslassen können. Und meine Energien ziehen sich immer mehr vom Alten zurück, um sich dem Neuen zu öffnen.
Die darauffolgende Nacht ist bereits einiges ruhiger und allen geht es schon viel besser.
Am zweiten Tag, erstaunlich beschwingtes Erwachen. Den Hund sogleich raus auf die Terrasse lassen. Diesmal macht er es sich sogleich gemütlich draussen und bleibt lange sehr zufrieden liegen. Bellen tut er kaum, er weiss dass er das hier nicht darf. Wir müssen in dieser Hinsicht etwas strenger mit ihm sein. Doch er gewöhnt sich immer mehr daran.
Die Morgensonne scheint wundervoll in das, mit vielen Fenstern versehene, Wohnzimmer. Ihr Licht lässt die neuen, romantischen Vorhänge schimmern. Alles passt zusammen, nur die Stühle am Esstisch, müssen noch erneuert werden, dann würde ich sagen, haben wir es sehr schön hier. Gemütliches Frühstück und beim Spazieren-gehen die Gegend etwas mehr erkunden. Meinem Hund gefällt es und uns auch. Gestern ist irgendwas passiert, denn die Trauer über den Verlust des Alten ist nun immer wenige zu spüren und macht neuer Freude und Erwartung Platz. Mein Sohn ist begeistert von seinem neuen Zimmer, in dem er nun viel Raum hat. Alle wichtigen Dinge sind nun da und überall herrscht langsam wieder Ordnung. Die Lebensqualität steigt mehr und mehr und die alte Wohnung, die wir nochmals kurz besuchen, wirkt schon fast etwas fremd und ziemlich ungemütlich. Unseren Hund nehmen wir erneut mit, doch diesmal hat er es gar nicht so eilig, hinaus in den Garten zu kommen. Es hat hier nun auch kaum mehr gemütliche Plätzchen.
Wir haben nun das grosse Schlafzimmer in der einstigen Hauswartwohnung zu einem Aufenthaltsraum umfunktioniert, den wir nun jeweils als in Pausen und vielleicht auch mal über Mittag nutzen werden, so lange das alte Schulhaus noch steht. Es hat sogar ein altes Sofa darin. Eigentlich ist es ganz gemütlich geworden. Mein Herz hat sich aber von hier gelöst und ich spüre, dass unsere Lebensenergie nun endlich auch ganz hier ausgezogen und am neuen Ort eingezogen ist.
Ich habe das Neue lieben gelernt, das Alte darf nun gehen und dafür bin ich dankbar!