Selena:
Das Portal öffnete sich in Chandrick und sie ging zurück in das Besprechungszimmer, wo ihr Vater auf sie wartete. „Wie lang waren wir weg?“, fragte sie sofort. „Knappe zwei Stunden.“ „Gibt es bereits Neuigkeiten?“, hörte sie Killians Stimme hinter sich. So kannte sie ihn gar nicht. Er war immer still und distanziert gewesen. Aber jetzt ergriff er mit fester Stimme das Wort und zeigte eine enorme Präsenz. „Wir haben alles abgesucht. In der Dunkelheit zu suchen, bringt uns nicht weiter.“ Selena sah ihren Bruder an. „Wann seid ihr gekommen?“ Nun trat auch Damian dazu. „Gerade eben. Wir waren bereits an der südlichen Grenze, aber es gibt nirgends ein Hinweis auf Tiara“, gestand Alic und seufzte. „Wie ich sehe, ist Killian wieder da“, sagte Damian und trat zu ihm. Er reichte ihm die Hand. „Wir werden sicher deine Hilfe brauchen.“ Killian schlug ein. „Also, was kannst du uns über die Furien sagen?“, fragte Flanna. „Sie nennen sich Erinnyen. Sie sind drei Rachegöttinnen, die gewöhnlich für den mächtigsten Gott arbeiten. Zeus.“ „Steckt er dann dahinter?“ „Nein, das kann ich euch versichern. Die drei Rachegöttinnen heißen Tisiphone, Megaira und Alekto. Sie sind laut der Mythologie Schwestern. Alekto bedeutet, die bei der Jagd unaufhörliche. Megaira bedeutet, der neidische Zorn. Und das größte Übel ist Tisiphone.“ „Was für eine Rachegöttin ist sie?“, fragte Alic. „Sie ist die Rache. Sie wird die Vergeltung oder auch den Mord rächende genannt.“ Killian fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. „Aber wieso haben sie Tiara entführt? Ich habe doch Alekto getötet, müsste sie sich nicht an mir rächen wollen?“, stellte Selena die Frage, die sich keiner traute. Sie hörte wie ihre Mutter nach Luft schnappte. „Das wäre ein Kinderspiel für sie. Tisiphone plant jeden Schritt. Sie wird uns immer mindestens drei Schritte voraus sein. Sie geht keine Risiken ein. Denn sie gewinnt immer. Sie will sich nicht nur an dir rächen, sie will sich an ganz Chandrick rächen. Sie wird Chandrick in Schutt und Asche legen wollen.“ Killian wurde von jedem angestarrt. „Ich muss mich setzen“, murmelte Mila und setzte sich gegenüber von Flanna. „Das heißt also, dass Sirius unsere einzige Möglichkeit ist, Tiara zu finden“, sagte Damian und legte einen Arm um seine Freundin. „Da solltest du dir nicht so sicher sein.“ Jeder drehte sich zur Tür um. Sirius stand an den Türrahmen gelehnt da und sah erschöpft aus. „Was ist los?“, wollte Alic wissen. Sirius seufzte und stieß sich von der Tür ab. Er ging zu Flanna und kniete sich vor sie. Er nahm ihre Hände in seine. „Es tut mir leid, ich habe jeden Zauber versucht, aber keines hat funktioniert. Es ist, als würde Tiara nicht existieren.“ Eine Träne löste sich aus Flannas Augenwinkel. Sie war immer die Stärkste gewesen. „Heißt das, dass sie tot ist?“, fragte Damian. Sirius schüttelte seinen Kopf. „Nein, wie ich sagte, laut meinem Zauber existiert sie nicht.“ „Verdammte Scheiße! Hast du auch alles versucht?“, rief Jack. „Jeden Zauber den es gibt.“ „Du hast sicher eins übersehen“, sagte Flanna hoffnungsvoll. „Es tut mir leid, Flanna. Ich habe alle ausgesprochen.“ „Das ist kein Wunder. Ihr dachtet, dass Alekto stark ist? Tisiphone ist dreimal mächtiger, als Alekto. Sie hat sicher Vorkehrungen getroffen“, sagte Killian. „Was machen wir jetzt?“, fragte Selena. „Beim Morgengrauen reiten wir erneut aus. Weit können sie nicht sein“, antwortete Alic. Er sah sehr müde aus. „Stimmt, sie sind nur zu zweit und haben auch Tiara bei sich“, stimmte Coilin seinem Sohn zu. Killian wollte etwas sagen, aber als er Flanna sah, schwieg er. Sie unterschätzten Tisiphone und das war nicht gut. „Wir brauchen einen Plan, aber davor sollten wir uns umziehen. In diesem Kleid fühle ich mich nicht länger wohl“, sagte Selena erschöpft. Ihre Schuhe hatte sie bereits ausgezogen und auch die Stirnkette hatte sie abgenommen. „Sel hat recht. Wir treffen uns in einer Stunde wieder hier“, sagte Flanna und stand auf. Ohne auf die anderen zu warten, lief sie los. Dann ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Damian führte Selena zu ihrem Zimmer, sah noch einmal nach ihrer Hand und drückte sie kurz an sich. „Danke“, flüsterte sie. „Ich bin immer für dich da.“ Selena sah auf. „Ich weiß und ich immer für dich.“ „Zieh dich jetzt um. Ich komme dich abholen.“ Selena nickte und ging in ihr Zimmer. Sie lief zu ihrem Standspiegel und sah sich an. Sie sah sehr blass aus. Ihre Haare waren völlig durcheinander. Sie nahm aus ihrem Schrank eine Leggings und eine weiße lange Tunika und ging in das Badezimmer. Nachdem sie kalt geduscht und sich angezogen hatte, stellte sie sich vor den Spiegel und band ihre, noch feuchten Haare, zu einem Dutt. Wie versprochen wartete sie auf Damian. Sie machte sich große Sorgen um Tiara. Sie hatte Killians Blick bemerkt. Er wusste, dass alle anderen die Situation nicht richtig verstanden. Die Situation war schlimmer, als sie annahmen und das brachte Tiara in noch größere Gefahr. Sirius Magie konnte ihnen auch nicht helfen und er war der größte Magier, den es gab. Sie war sich sicher, dass auch Mika etwas versucht hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, was für Qualen Flanna hatte. Sie war immerhin Tiaras Mutter. Als es an der Tür klopfte, wischte sich Selena schnell die Tränen fort, räusperte sich und ging zur Tür. Damian wartete bereits auf sie. Schweigend liefen sie in das Besprechungszimmer. Killian, Jack, Flanna, ihre Eltern, Sirius, Mika, Alic und Thea waren bereits anwesend. „Also gut, was unternehmen wir?“, fragte Coilin.