Tiara:
„Was ist gerade passiert?“, fragte Tiara überrascht. „Ich fass es nicht, dass du sie erpressen wolltest!“, rief Selena empört. „Was stimmt nicht mit dir, Mann“, sagte auch Alic. „Jemand sollte ihr hinterher und sie zurück holen“, rief Tiara. „Warum? Es ist ihre Entscheidung“, sagte Sirius. „Du Vollidiot! Sie ist der einzige Grund, warum diese Erinnyen uns nicht finden können!“, rief Killian. „Und weil sie unsere Söhne all die Zeit beschützt hat“, sagte Flanna. Jack nickte. Genervt lief Tiara aus dem Haus und rannte Runa hinterher. „Hey warte!“ Runa blieb stehen und drehte sich zu Tiara um. „Was ist denn?“ „Du kannst nicht gehen.“ „Und warum nicht?“, fragte Runa und zog eine Augenbraue in Höhe. „Okay, das ist mir jetzt unangenehm, aber du bist der Grund, warum sie uns noch nicht gefunden haben.“ Tiara sah sie bittend an. Runa war ein Stück größer als Tiara. Sie musste um die ein Meter siebzig sein. „Wenn ich bleibe, was wird dann aus mir?“ „Was meinst du?“, fragte Tiara. Sie wusste wirklich nicht, was Runa damit meinte. „Ich bezweifle, dass ihr mich auf freiem Fuß lässt.“ „Spinnst du? Warum sollten wir dich gefangen halten? Du hast uns allen sehr geholfen!“, rief Tiara überrascht. Runa sah sie zweifelnd an. „Ich habe verschwiegen, was ich kann.“ „Ich hätte das Gleiche getan.“ Tiara lächelte ihr zu und führte sie zurück zum Haus.
Runa:
Als sie das Haus betraten, richteten sich alle Blicke auf sie. Das war sehr unangenehm für sie. Normalerweise hielt sie sich zurück und tat nichts, was sie in den Mittelpunkt brachte. Dass Sirius sie dazu genötigt hatte, ihre Kraft zu zeigen, würde sie ihm nicht verzeihen. Sie hatte von ihm gehört. Jeder hatte erzählt, was für ein großartiger Hexenmeister er wäre. Sie war sich da aber nicht so sicher. Damals, als die Fremde ihr das Buch gegeben hatte, und sie darum bat, es dem Hexenmeister Sirius zu geben, hatte sie sich nichts dabei gedacht. Runa hatte ihr nur helfen wollen. Deswegen hatte sie es auch entgegen genommen. Damals wusste sie nicht, dass die Fremde eine Videns war, und die Zukunft gesehen hatte. Ob sie auch gesehen hatte, dass dieser Hexenmeister ein Arsch war? Obwohl, Selena und auch Sirius hatten angedeutet, dass sie die Fremde von damals kannten. Und Sirius‘ Stimme hatte auch traurig geklungen. „Runa?“ Flanna holte sie aus ihren Gedanken. „Ja, Eure Hoheit?“ „Wir sind dir sehr dankbar, dass du unsere Söhne beschützt hast.“ Runa sah sie verblüfft an. „Ihr seid nicht wütend, dass ich verschwiegen habe, wozu ich im Stande bin?“ „Ach was. Du hast ja nichts getan, was uns geschadet hat“, sagte Jack freundlich. Damit hatte Runa nicht gerechnet. Sie sah von ihrem Augenwinkel aus, wie Selena aufstand und zu ihnen kam. „Willkommen in unserer Gruppe“, sagte sie lächelnd und umarmte sie. Runa stand überrumpelt da und ihr Arm wanderte wie ferngesteuert auf Selenas Rücken und klopfte ein paar Mal auf ihren Rücken. „Sel, ich glaub Runa mag keine Umarmungen“, sagte Damian. „Oh.“ Selena ließ Runa los. „Trotzdem, schön das du jetzt unter uns bist.“ Runa war sich nicht sicher, ob sie nur so herzlich behandelt wurde, weil sie ihre Anwesenheit brauchten. Was würde danach passieren? Oh nein, sie fiel in ihre alte Gewohnheiten zurück. Sie wollte nicht an morgen denken. Sie wollte das Heute leben und sich keine Gedanken um die Zukunft machen. Nicht mehr. „Also, was unternehmen wir jetzt gegen die Erinnyen?“, fragte Alic und brachte das Hauptthema wieder zu Wort. „Ich bin immer noch der Meinung, dass wir dorthin gehen sollten.“ „Ja, wir haben Helios eine verschlüsselte Nachricht geschickt“, sagte Selena. „Wie machen wir das?“, fragte Thea. „Meine Mom könnte ein Portal öffnen und wir wären schon dort“, sagte Selena und sah ihre Mutter an. „Das kann ich nicht. Ich habe vor ein paar Wochen Mika gebeten, den Ort zu verriegeln. Ich kann dorthin keine Portale öffnen. Nur in die Nähe.“ „Warum denn?“, fragte Alic. „Ich hatte Angst, dass dort erneut Portale geöffnet werden könnten und dass Helios dann wieder in Gefahr wäre.“ „Aber in die Nähe kannst du welche öffnen?“, wollte Alic wissen. „Ja.“ „Okay, dann wird es Zeit für einen Plan.“ Damian richtete sich auf. In den nächsten drei Stunden wurde nur noch herumdiskutiert. Wer hier mit den Zwillingen bleiben würde und wer mit gehen würde. „Ich bin der Meinung, dass Runa mit den Zwillingen hier bleibt.“ Sirius sah die anderen ernst an. Runa hingegen lachte auf. „Ach und wieso, wenn ich fragen darf?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn fragend an. „Du kannst mit deiner Kraft die Zwillinge beschützen.“ „Das hier ist ein gesegneter Ort. Hier kommt niemand herein.“ „Ein weiterer Grund ist, dass du nicht gut kämpfen kannst.“ Es wurde still im Raum. Runa nickte leicht, was nicht ja bedeutete. „Okay. Du meinst also, du könntest besser kämpfen als ich?“ Runa hörte Alba aufstöhnen. „Ich habe meine Magie.“ „Nette Ausrede.“ Sie drehte sich zu den anderen um. „Kann jemand von euch Nahkampf?“, fragte sie zuckersüß. „Ich weiß nicht, ob man sich mit ihr anlegen sollte“, flüsterte Selena. Runa ignorierte sie. „Also?“ „Ich bin ganz passabel“, sagte schließlich Thea. „Du benutzt doch auch meistens deine Kraft“, warf Alic ein. „Leute, sie selbst hat ebenfalls Kräfte, schon vergessen?“, erinnerte Sirius sie. Runa drehte sich zu ihm um. „Glaub mir, ich könnte dich locker ohne meine Kräfte fertig machen. Auch wenn du deine Magie benutzt.“ Schließlich stand Sirius auf. „Also gut, wie du willst.“ „Sirius“, rief Ayla. „Wir sollten rausgehen.“ Sie trat als Erste aus dem Haus. „Du wendest deine Magie nicht an!“, ermahnte Mika seinen Sohn. „Keine Sorge, ich werde ihr nicht weh tun.“ „Ich bereite schon Mal Medizin vor“, seufzte Alba und lieb im Haus. Sie wusste wie gut Runa kämpfen konnte. Draußen versammelten sich Selena und ihre Familie, Tiara und ihre Eltern, Thea und ihr Vater und Sirius Eltern. Damian stellte sich neben Selena und flüsterte: „Ich würde mich nicht mit ihr anlegen.“ „Sie hat doch gesagt, dass sie ihre Kraft nicht verwenden wird.“ „Das meinte ich nicht. Sie ist definitiv eine Kämpferin.“ „An was erkennst du das?“ „Wie sie geht, wie sie redet und wie sie aufrecht steht. Du wirst schon sehen, was ich meine.“ Runa stellte sich Sirius gegenüber. Sie fasste sich an die Hüfte und öffnete den Verschluss von ihrem Rock. Ihr Kleid war in Wirklichkeit ein Zweiteiler. Sie riss den Rock von ihren Beinen. Unter ihrem Rock trug sie eine enge, weiße Hose. Dazu noch kniehohe, graue Stiefel. „Was zum…“, hörte Runa Alic sagen. Sie band ihre Haare zusammen. „Auf was wartest du?“, fragte sie Sirius. „Ich lasse dir den Vortritt“, antwortete er. Runa zuckte mit den Schultern. „Ladys First“, sagte sie grinsend. Sie machte Sirius richtig wütend. Daraufhin griff er an. Er wollte sie mit der Faust treffen, aber Runa trat zur Seite, schlug mit ihrem Unterarm seinen Arm zur Seite, sodass er an ihr vorbei stolperte. Sie griff nach seinem Arm, mit dem er ausgeholt hatte, drehte es leicht nach hinten, sprang hoch auf seine Schultern, hielt sich mit ihren Beinen oben, drehte ihren Körper mit Schwung, sodass Sirius ins Stolpern kam und hinfiel. Runa lag auf mit dem Rücken auf dem Boden und hielt mit ihren Händen Sirius‘ Arm fest und mit den Beinen seinen Hals. Sirius stieß eine Überraschten Ton. „Oh mein Gott“, hörte Runa jemanden rufen. Wenn sie sich nicht täuschte, dann war es Selena. Sirius konnte sich befreien. Er stieß ihre Beine zur Seite und sprang auf die Füße. Runa stützte sich mit den Händen über ihren Schultern auf den Boden und sprang auf. Sehr anmutig. Der nächste Angriff kam erneut von Sirius. Runa sprang zur Seite, ging in die Hocke, streckte ein Bein aus und fegte Sirius von den Füßen. Doch dieser rollte sich ab und stand schnell hinter Runa. Er packte ihren Arm und zog sie an sich, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Nun stand sie mit dem Rücken gegen seine Brust gelehnt. „Gib auf. Ich will dir nicht weh tun“, sagte Sirius außer Atem. „Ich dir aber“, stieß sie, trat mit voller Kraft auf seinen Fuß, woraufhin er seinen Griff lockerte. Sie holte nun mit ihrem freien Arm aus und rammte ihren Ellenbogen in seine Magengrube. Danach sprang sie zurück. „Sie ist gut“, sagte Tiara. „Sie hat noch nicht einmal richtig angefangen“, hörte sie Damian sagen. Und er hatte Recht. Sie war sehr Flink. Sirius trat auf sie zu. Sie ging ganz leicht zur Seite. Und die nächsten Bewegungen, die sie machte, gingen ganz schnell. Mit ihrer linken Schulter stieß sie ihn an seiner Brust nach unten. Außerdem stellte sie ihm einen Fuß, sodass er auf dem Rücken landete. Sobald er auf dem Boden lag, drehte sie ihn auf den Bauch und verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken. Sie kniete sich rittlings auf ihr und beugte sich runter, als er sich nicht befreien konnte. „Leg dich nicht mit mir an Hexenmeister“, zischte sie. Ihre Zopf hatte sich gelöst und ihr Haar wehte ihm Wind. „Lass los.“ Sie stieß ihn von sich und stand auf. Anschließend hob sie ihren Rock auf. „Ach…“, sagte Selena, „Du…“, fügte Tiara hinzu. „Meine Güte“, beendete Thea den Satz.