Jedes kleine Geräusch jagt mir eine Heidenangst ein. Aber ich muss hier durch! Meine rechte Hand ruht ständig am Heft meines Schwertes. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal wie ich damit umgehen muss. Aber es soll mich nur am Leben erhalten, mehr muss es nicht können. Ich weiß nicht einmal, ob ich im Stande wäre, jemanden ernsthaft damit zu verletzen oder gar zu töten! Ich schüttele den Kopf um diesen Gedanken zu verwerfen und beschleunige meine Schritte. Zumindest finde ich mich im Wald zurecht. Das ist auch ein Anfang. Nach etwa einer Stunde, hole ich die Karte erneut aus meiner Tasche, um mich zu orientieren. Wenn ich mein Tempo beibehalte, müsste ich die nächste große Stadt morgen gegen Nachmittag erreichen und davor kommt noch ein Dorf, welches unter dem Schutz der Erdnation steht. Wenn ich mich beeile, müsste ich diesen Dorf noch gegen Anbruch der Dunkelheit erreichen. Ich falte die Karte wieder zusammen und verstaue sie in meiner Tasche. Die Tasche ähnelt eher einem Beutel, aber für mich ist es schon immer eine Tasche gewesen. Nach zwei Stunden lege ich eine Pause ein, da mir meine Beine schmerzen und Kopfschmerzen habe ich auch. Ich weiß immer noch nicht, warum man mich verschont hat. Immerhin bin ich weder alt noch krank. Und falls es so wäre, dann hätte mich doch der Allesverschlinger fressen sollen. Ich bin froh, dass ich noch lebe, aber ich kann nicht anders, als mich das zu fragen. Ich setze mich auf einen Baumstumpf und trinke etwas von dem Wasser. Ich muss es mir einteilen, sonst habe ich nichts mehr. Ich sehe hoch zum Himmel. Was meine Brüder jetzt wohl machen? Ob es ihnen gut geht? Was wohl mit meiner Mutter ist? Fragen über Fragen und ich wünschte, jemand könnte mir die Antworten darauf geben. Nach einer halben Stunde laufe ich wieder los. Ich habe Glück, denn ich erreiche die Waldgrenze, ohne jemandem zu begegnen. Als ich dann das Dorf sehe, atme ich erleichtert durch. Ich muss nur noch den Hügel hinunter. Die Nacht werde ich in dem Dorf verbringen und gleich bei Sonnenaufgang wieder verlassen. Ich setze mich in Bewegung. Ab und zu stolpere ich, aber ich falle nicht hin. Je näher ich dem Dorf komme, werde ich misstrauischer. Irgendetwas stimmt hier nicht. Nirgends sind Elfen zu sehen. Es scheint wie ausgestorben. Sofort taucht mein Dorf vor mein inneres Auge. Ich blinzele ein paar Mal und laufe langsam weiter. Ich muss vorsichtig sein, denn wenn hier ebenfalls schwarze Krieger waren, kann es sein, dass ich diesmal nicht so viel Glück habe, wie heute morgen. Als ich dann aber doch noch eine Person sehe, die definitiv kein schwarzer Krieger ist, atme ich erleichtert durch und betrete das Dorf. Kurz darauf stehen einige der Dorfbewohner, mit gezückten Waffen vor mir. Es sind Männer, gegen die ich keine Chance habe. Ich hebe sofort meine Arme in die Höhe. "Ich bin kein Feind", sage ich mit zitternder Stimme. Von wo sind die denn plötzlich gekommen. "Wer bist du und was willst du hier?", fragt einer der Männer. "Ich will in die nächste große Stadt, aber brauche einen Ort, wo ich die Nacht verbringen kann", erkläre ich vorsichtig. "Aus welcher Nation stammst du?" Toll, was soll ich darauf antworten? Ich weiß nicht einmal zu welcher Nation dieses Dorf gehört. Denn so könnte ich punkten. Aber ich entscheide mich für die Wahrheit. "Mein Dorf gehörte keiner Nation. Ich stamme aus dem Dorf, am anderen Ende des Waldes." "Wenn du keiner Nation angehörst, kannst du hier nicht bleiben." Mein Herz rutscht mir in die Hose. "Aber es wird dunkel. Ich kann doch die Nacht nicht..." "Das interessiert mich nicht. Du bist kein Bewohner dieses Dorfes. Dein Dorf hat damals beschlossen unabhängig zu sein, also ich es das auch." "Amon, was sind das für Benehmen?", höre ich eine ältere Frauenstimme sagen. Der angesprochene tritt zur Seite und ich sehe eine ziemlich alte, kleine Frau mit einem Geh stock ein paar Schritte vor mir. "Kindchen, nimm doch erst deine Kapuze herunter." Zögernd nehme ich meine Kapuze ab. Als die Männer mich genauer sehen, lassen alle die Waffen sinken. "Sie ist ja noch ein junges Mädchen", ruft einer der Männer. "Wie lautet dein Name, mein Kind?" "Lana. Es tut mir leid, wenn ich einfach so in Euer Dorf komme, aber ich hatte leider keine Wahl", gebe ich leise zu. "Du hast in der Vergangenheitsform über dein Dorf gesprochen. Ist etwas passiert?", fragt sie mich und mir treten sofort Tränen in die Augen. "Ich bin die Einzige, die es lebend aus meinem Dorf geschafft hat", sage ich mit zitternder Stimme. Die Augen der alten Frau weiten sich. "Komm mit Kindchen. Du brauchst erst einmal ein Dach über dem Kopf." Sie tritt neben mich und hakt sich bei mir unter. "Aber Großmutter", wirft Amon ein, aber seine Großmutter ignoriert ihn. Dieses Dorf ähnelt meinem sehr und anscheinend führt sie dieses Dorf. Denn ihre Hütte ist besonders groß. "Setz dich doch." Ich nicke und setze mich auf das Fell, welches auf dem Boden ausgebreitet ist. Die alte Frau setzt sich mir gegenüber. "Bitte entschuldige meinen Enkelsohn. Er versucht nur unser Dorf zu beschützen." "Vor wem denn? Ich meine, so jemand wie ich, kann ja kaum etwas anrichten", gebe ich zu. "Das stimmt, aber wir hörten, dass schwarze Krieger, die Gegend unsicher machen. Wir wissen natürlich nicht, ob das stimmt oder nur ein Gerücht ist, aber man muss eben vorsichtig sein." "Das mit den schwarzen Kriegern stimmt." "Haben sie dein Dorf zerstört?" Ich nicke. "Ich habe gehört, wie einer sagte, dass sie die Gesunden und Jungen mitgenommen und die Alten und Kranken dem Allesverschlinger als Fressen gelassen haben." "Und wie konntest du entkommen?", fragt Amon, der das letzte aufgeschnappt hat. "Ich wurde niedergeschlagen und als ich zu mir kam... Jedenfalls will ich erst einmal in die nächste Großstadt." Meinen ganzen Plan verrate ich diesen Elfen ganz sicher nicht. Amon mustert mich eine Weile. "Also gut, dann bleib heute Nacht hier, aber morgen wirst du unser Dorf verlassen." "Vielen Dank. Wie viel verlangt Ihr für eine Unterkunft?" "Sei nicht albern", sagt die Großmutter. "Für eine Nacht, bist du mein Gast." "Dankeschön." Amon schnappt hörbar nach Luft. Anscheinend ist er von dieser Idee nicht gerade begeistert. "Ich würde gerne mit ihm sprechen, darf ich?", frage ich Amons Großmutter. Sie nickt lächelnd. "Hier drüben kannst du dann die Nacht verbringen", sie deutet auf ein Bett in der hintersten Ecke. "Danke", sage ich lächelnd und stehe auf. Ich verlasse die Hütte. Er hat sich nicht entfernt. Er lehnt an der Wand von der Hütte. "Darf ich Euch kurz sprechen?" Er sieht mich eine Weile lang an. "Sag einfach Amon zu mir. Außerdem kannst du mich ruhig duzen. Immerhin sind wir vom selben Stand." Ich nicke bloß. "Amon, wenn es nicht zuviel verlangt ist, könntest du mir bitte zeigen, wie ich mich damit selbst verteidigen kann?" Ich schiebe meinen Umhang zur Seite und deute auf das Schwert. "Du kannst nicht mit dem Schwert umgehen, und nimmst sie dir trotzdem als Waffe?", fragt er verblüfft. "Um ehrlich zu sein, hatte ich nie eine Waffe in der Hand. Das hat Shay immer übernommen." "Keine Ahnung wer Shay ist, aber er hätte dir lieber etwas beibringen sollen." Als er meinen fragenden Blick sieht, seufzt er. "Von mir aus. Aber du musst wissen, du kannst dich mit einem Schwert nicht nur verteidigen. Denn wenn du eine Waffe in die Hand nimmst, wird immer einer verletzt. Bist du im Stande deinen Gegenüber zu verletzen?" "Ich weiß es nicht. Das einzige was ich weiß ist, meine Familie zu finden." "Also gut. Ich werde dir die Grundregeln zeigen. Nimm dein Schwert." Ich ziehe es aus seiner Scheide. "Das sah ja sehr anmutig aus", gibt Amon zu. "Aber so wie du es hältst, wirst du es sehr leicht verlieren." Er tritt hinter mich und zeigt mir, wie ich das Schwert halten muss. In den nächsten zwei Stunden lerne ich die Grundschritte und wie ich einen Hieb parieren muss. Als es dann plötzlich donnert zucke ich heftig zusammen und lasse das Schwert fallen. Es hat mich zu sehr an das Geräusch von dem Allesverschlinger erinnert. "Das war bloß ein Donner." Ich schlucke schwer und will mein Schwert aufheben, aber dafür zittert meine Hand zu stark. Amon geht vor mir ebenfalls in die Hocke. "Ist schon gut, wir machen für heute Schluss. Und so wie der Himmel aussieht, wirst du morgen auch noch hier bleiben müssen." Mein Blick wandert zu ihm. "Wieso?" "Morgen wird es sehr schlimm Gewittern und da wäre es keine gute Idee einen ganzen Tag lang zu wandern." "Aber du wolltest doch, dass ich gleich morgen früh aufbreche." "Ich habe meine Meinung geändert. Also los jetzt, ab in die Hütte und leg dich schlafen. Dem Anschein nach, hattest du einen anstrengenden Tag." "Vielen Dank, Amon." Er nickt bloß und ich betrete die Hütte. Der Donner jagt mir immer wieder angst ein. Ich ziehe meinen Umhang aus und lege meinen Gurt mitsamt Schwert ab. Ich ziehe noch meine Stiefel aus und öffne meinen Zopf. Dann lege ich mich hin und versuche zu schlafen. Ein Glück, dass wir kein Vollmond haben. Ich falle in einen unruhigen Schlaf.